Auffahrunfall auf S-Bahnhof Berlin-Baumschulenweg
22. Dezember 1972
Information Nr. 1167/72 über einen Auffahrunfall auf dem S-Bahnhof Berlin-Baumschulenweg am 21. Dezember 1972
Am 21.12.1972, 20.59 Uhr, fuhr auf dem S-Bahnhof Berlin-Baumschulenweg, Bahnsteig A, Gleis 3, der S-Bahnzug Bernau-Grünau (PS 2621) auf den S-Bahnzug Oranienburg – Zentralflughafen Schönefeld (PS 8671) auf.
Durch den Auffahrunfall erlitten elf Personen leichte Verletzungen – Prellungen und Hautabschürfungen –.
Die Verletzten konnten nach ambulanter Behandlung in den Krankenhäusern Berlin-Köpenick, -Friedrichshain und -Lichtenberg wieder entlassen werden.
Nach bisherigen Einschätzungen entstand ein Sachschaden von ca. 25 000 Mark.
Der S-Bahnverkehr zwischen den Bahnhöfen Plänterwald und Schöneweide war in der Zeit von 20.59 Uhr bis 21.54 Uhr unterbrochen. Danach wurde Pendelverkehr zwischen beiden Bahnhöfen eingerichtet. Ab 00.26 Uhr wurde die Streckensperrung aufgehoben.
Zwei S-Bahnzüge, die dem S-Bahnzug 2621 folgten (etwa zu 50 % besetzt) konnten erst gegen 22.50 Uhr bzw. 23.06 Uhr in den Bahnhof Baumschulenweg einfahren.
Die eingeleiteten Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen ergaben:
Nach Anfahren des unbesetzten S-Bahnzuges Oranienburg – Schönefeld vom Bahnsteig A versuchte der [Name 1, Vorname, geboren am [Tag, Monat] 1938, wohnhaft in Zossen, [Straße, Nr.], auf den S-Bahnzug aufzuspringen. ([Name 1] war angetrunken.) Daraufhin gab der Aufsichtshabende des Bahnsteiges A über Funk an den Triebwagenführer [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1919, wohnhaft in Hennigsdorf, [Straße, Nr.], S-Bahnbetriebswerk Friedrichsfelde den Nothalteauftrag. [Name 2] leitete sofort die Schnellbremsung ein und brachte den S-Bahnzug zum Stehen. ([Name 2] stand ebenfalls unter Einfluss von Alkohol.)
Der Triebfahrzeugführer des nachfolgenden S-Bahnzuges Bernau-Grünau, [Name 3, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1927, wohnhaft in Berlin, [Straße, Nr.], S-Bahnbetriebswerk Friedrichsfelde war nach den bisherigen Überprüfungen der Annahme, dass der vor ihm im Bahnhof Baumschulenweg stehende Zug PS 2631 Anfahrhilfe benötigte.
Zu diesem Zweck löste er die Fahrsperre des S-Bahnzuges, überfuhr das »Halt« zeigende Einfahrtsignal des Bahnhofes Baumschulenweg und ging zum »Fahren auf Sicht« über.
Während dieses Vorganges fuhr der sich im Bahnhof Baumschulenweg befindliche S-Bahnzug PS 8671 in Richtung Schönefeld an.
Durch den plötzlichen Nothalt dieses S-Bahnzuges reichte der Abstand zwischen den beiden S-Bahnzügen für den notwendigen Bremsvorgang nicht mehr aus, um die Auffahrt des nachfolgenden Zuges, dessen Geschwindigkeit ca. 40 km/h betrug, zu verhindern.
Wie die bisherigen Untersuchungen weiter ergaben, ist das unaufmerksame und fahrlässige Verhalten des Triebwagenführers [Name 3] beim »Fahren auf Sicht« Ursache des Auffahrunfalles.
Gegen [Name 3] wurde ein EV ohne Haft gemäß § 196 StGB1 – Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalles – eingeleitet.
Gegen den die Notbremsung des S-Bahnzuges Bernau – Grünau verursachenden Bauarbeiter [Name 1] wurde ein Ordnungsstrafverfahren eingeleitet.
Die Untersuchungen zur umfassenden Aufklärung der Ursachen und Motive, insbesondere zur Klärung der Notwendigkeit des Übergangs zum »Fahren auf Sicht« werden fortgesetzt.