Ausreiseanträge in dringenden Familienangelegenheiten
[ohne Datum]
Information Nr. 964/72 über die Entwicklung der Antragstellung und den Stand der Bearbeitung der Anträge von DDR-Bürgern auf Ausreisen nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin in dringenden Familienangelegenheiten
Seit dem Inkrafttreten der Anordnung über Regelungen im Reiseverkehr von Bürgern der DDR am 17.10.19721 wurden bis einschließlich 24.10.1972 von DDR-Bürgern bei den Dienststellen der Deutschen Volkspolizei insgesamt 1 016 Ausreisen nach nichtsozialistischen Staaten bzw. Westberlin in dringenden Familienangelegenheiten beantragt.
Die umfangreichste Antragstellung ist bisher in den Bezirken Karl-Marx-Stadt2 (113 Anträge), Halle (113 Anträge), Magdeburg (95 Anträge), Potsdam (82 Anträge) und in der Hauptstadt Berlin (119 Anträge) festzustellen.
In den übrigen Bezirken der DDR wurden bisher durchschnittlich 40–50 Anträge gestellt.
Im Ergebnis der Bearbeitung der bisher gestellten Ausreiseanträge wurden bis 24.10.1972 648 Ausreisen genehmigt (das entspricht 63,7 % aller bisher beantragten Ausreisen), davon 554 Ausreisen in die BRD, eine Ausreise nach anderen nichtsozialistischen Staaten, 93 Ausreisen nach Westberlin.
Für die bisher genehmigten 648 Ausreisen von DDR-Bürgern in dringenden Familienangelegenheiten lagen folgende Antragsgründe vor:
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356 Sterbefälle,
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219 lebensgefährliche Erkrankungen,
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70 Eheschließungen,
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drei Geburten.
Ihrer sozialen Struktur nach befanden sich unter den Antragstellern, denen bisher eine Ausreise in dringenden Familienangelegenheiten genehmigt wurde,
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259 Arbeiter,
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218 Angestellte,
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50 Genossenschaftsbauern,
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48 Angehörige der Intelligenz,
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37 Handwerker/Gewerbetreibende.
Bis zum 24.10.1972 wurden 95 Anträge von DDR-Bürgern auf Ausreisen in nichtsozialistische Staaten bzw. Westberlin in dringenden Familienangelegenheiten aufgrund des Vorliegens von Ablehnungsgründen nicht genehmigt (das entspricht 9,3 % aller bisher beantragten Ausreisen).
Das Antrags- und Genehmigungsverfahren für Anträge von DDR-Bürgern auf Ausreisen in nichtsozialistische Staaten bzw. nach Westberlin in dringenden Familienangelegenheiten ist entsprechend den getroffenen Festlegungen zügig und im Wesentlichen reibungslos angelaufen.
Es ist festzustellen, dass sich in allen Bezirken Anfragen und Vorsprachen von Bürgern der DDR bei den zuständigen Organen der Deutschen Volkspolizei häufen, mit dem Ziel, Anträge auf Ausreisen zu stellen, ohne das hierfür die entsprechend den veröffentlichten Regelungen als Antragsgründe festgelegten dringenden Familienangelegenheiten vorliegen.
Dabei handelt es sich größtenteils um Anfragen nach Ausreisemöglichkeiten anlässlich von
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Ehejubiläen,
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Geburtstagen,
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zurückliegenden Sterbefällen,
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Urnenbeisetzungen
sowie um Antragsersuchen zum Besuch von
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Verwandten zweiten und dritten Grades.
Derartigen Antragsersuchen wurde unter Hinweis auf die getroffenen Regelungen nicht stattgegeben.