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Bahnbetriebsunfall am Bahnhof Haarhausen

20. Juli 1972
Information Nr. 685/72 über einen schweren Bahnbetriebsunfall am Bahnhof Haarhausen, km 6,2 – Streckenabschnitt Neudietendorf – Arnstadt, Bezirk Erfurt am 19. Juli 1972

Am 19.7.1972 stießen um 6.05 Uhr der Durchgangsgüterzug DG 85 432 – Nordhausen – Zella-Mehlis – und der planmäßig verkehrende Personenzug P 3061 – Arnstadt – Erfurt Hbf. am km 6.2 in der Weiche 3 – Ausfahrt des Bahnhofes Haarhausen in Richtung Arnstadt – frontal zusammen.

Durch den Zusammenstoß wurden drei Reisende tödlich, acht schwer und weitere 17 Reisende mittelschwer verletzt.

Durch den Zusammenstoß wurden beide Dampflokomotiven schwer beschädigt.

Von dem Personenzug wurden der erstlaufende Expressgüterwagen und der zweitlaufende Reisezugwagen durch den Zusammenprall umgestoßen und total zerstört, während der nächstfolgende Reisezugwagen beschädigt wurde.

Nach bisher vorliegenden Schätzungen entstand ein Sachschaden in Höhe von 250 000 Mark.

Durch die sofort eingeleiteten Untersuchungen der eingesetzten Spezialisten der Transportpolizei und des MfS wurde zum Hergang und zur Unfallursache Folgendes festgestellt:

Der Lokführer des DG 85 432, [Name 1], überfuhr wegen mangelhafter Signalbeobachtung das haltzeigende Ausfahrtsignal auf dem Bahnhof Haarhausen und verursachte dadurch den folgenschweren Bahnbetriebsunfall.

Das Lokpersonal des DG 85 432 erhielt bereits von der Blockstelle Erfurt-Bischleben, ca. 13 km von der Unfallstelle entfernt, ein Zeichen (K-Scheibe)1 mit der Aufforderung, die kürzest mögliche Fahrzeit bis zur Halt-Stelle, dem Bahnhof Haarhausen, anzustreben.

Aufgrund der Zeichengebung von der Blockstelle Erfurt-Bischleben war, nach den bisherigen Aussagen, der Lokführer [Name 1] der Annahme, dass er auf dem Bahnhof Haarhausen Durchfahrt erhalten würde.

Durch mangelhafte Signalbeobachtung – das Ausfahrtvorsignal zeigte bereits das zu erwartende Halt an – bemerkte [Name 1] erst am Ausfahrtsignal das »Halt«-Zeichen.

Trotz sofort eingeleiteter Schnellbremsung konnte der frontale Zugzusammenstoß mit dem Personenzug P 3061 nicht mehr verhindert werden.

Die Sicht war zu diesem Zeitpunkt durch Nebelschwaden auf etwa 30 m begrenzt.

Nach den bisherigen Ermittlungen betrug zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes die Geschwindigkeit des DG 85 432 50 km/h und die Geschwindigkeit des zu 80 % ausgelasteten Personenzuges P 3061 50 – 60 km/h.

Der Lokführer des DG 85 432 [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1939, wohnhaft Ilfeld, Kreis Nordhausen, [Straße, Nr.], Brigadelokführer und Lehrlokführer BW Nordhausen, seit 1953 bei der DR, seit 1959 Lokführer, bisher unfallfrei gefahren, Mitglied der SED seit 1960, GO-Leitungsmitglied, gesellschaftlich in der GO und im Wohngebiet aktiv tätig, am 8.5.1972 wegen der Verhinderung eines Bahnbetriebsunfalles belobigt, und der Lokheizer [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1948, wohnhaft Rüdigershagen, Kreis Nordhausen, [Straße, Nr.], BW Nordhausen, seit 1964 bei der DR, seit 1966 Lokheizer, Kandidat der SED seit 1971, Mitglied des FDGB, FDJ, GST, leistet aktive FDJ-Arbeit im Betrieb, 1968–1971 NVA-Grenze (Berlin) in Ehren entlassen, hatten am 18.7.1972, um 10.00 Uhr, ihren Dienst beendet und am 19.7.1972, 01.30 Uhr, wieder angetreten.

Der [Name 1] besaß nach den geführten Überprüfungen die erforderlichen Streckenkenntnisse.

In den bisherigen Untersuchungen konnten keine Hinweise auf ein technisches Versagen an den Lokomotiven bzw. an den Signaleinrichtungen erarbeitet werden.

Es gibt ebenfalls keine Hinweise auf staatsfeindliche Handlungen.

Gegen [Name 1] wurde durch die Untersuchungsorgane ein EV mit Haft nach § 196 StGB2 – Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalles – eingeleitet.

  1. Zum nächsten Dokument Bericht über eine Reise nach Genf

    24. Juli 1972
    Information Nr. 693/72 über einen vom Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR bestätigten Bericht über eine Reise nach Genf

  2. Zum vorherigen Dokument Mitnahme eines GSSD-Angehörigen in einem Westberliner Pkw

    18. Juli 1972
    Information Nr. 674/72 über die Mitnahme eines Angehörigen der Sowjetarmee in einem Westberliner Personenkraftwagen am 11. Juli 1972