Bericht über eine Reise nach Genf
24. Juli 1972
Information Nr. 693/72 über einen vom Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR bestätigten Bericht über eine Reise nach Genf
Dem MfS wurde intern bekannt, dass vom Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR im Juni 1972 ein Bericht bestätigt worden ist über die Reise von Mitgliedern des Vorstandes nach Genf vom 14.3.–20.3.1972
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zum Ökumenischen Rat der Kirchen,1
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zur Konferenz Europäischer Kirchen,2
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zum Lutherischen Weltbund,3
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zum Reformierten Weltbund4 und
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zum Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund.
Der Reisebericht gibt Auskunft über die sich abzeichnenden Verbindungen zwischen dem Vorstand des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR5 und den internationalen westlichen Kirchen und stellt ein Programm für die weiteren engen Beziehungen zu diesen Kirchen dar.
Der in der Anlage beigefügte Reisebericht wurde allen evangelischen Bischöfen in der DDR übergeben mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass er nur der persönlichen Information der Bischöfe dienen solle.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nicht zur publizistischen Auswertung geeignet.
Anlage 1 zur Information Nr. 693/72
Bericht über die Reise des Vorstandes der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen zum Ökumenischen Rat der Kirchen, zur Konferenz Europäischer Kirchen, zum Lutherischen Weltbund, zum Reformierten Weltbund und zum Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund vom 14. – 20.3.1972
1. Anlass und Zielstellung
Seit der Regelung der Beziehungen der DDR-Kirchen als selbstständige Mitglieder im ÖRK und in der KEK bestand das gegenseitige Bedürfnis an einem Gedankenaustausch zwischen dem Vorstand der Konferenz und den Verantwortlichen des ÖRK und der KEK. LWB und RWB hatten ebenfalls Interesse an einem Gedankenaustausch angemeldet. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund hatte darum gebeten, aus Anlass der Besuchsreise des Vorstandes nach Genf auch mit ihm offiziell Kontakt aufzunehmen. Neben einem Gedankenaustausch zu Grundsatzfragen des kirchlichen Dienstes sollte es vor allem bei diesen Gesprächen um eine Intensivierung der Beziehungen gehen. An der Reise nahmen Bischof D. Dr. Schönherr – Vorsitzender der Konferenz, Präsident Dr. Johannes und OKR Jürgensohn – Stellvertretende Vorsitzende der Konferenz, Landesbischof D. Braecklein – Präses der Synode, Pfarrer Kramer – Mitglied des Vorstandes und der Leiter des Sekretariats OKR Stolpe teil.
2. Allgemeine Fragen
Die zentrale Frage in allen Gesprächen war die Ausrichtung des Dienstes der Gemeinde in einer sich ändernden Welt. Besonders in einem Gespräch mit Generalsekretär Blake wurde unterstrichen, dass für diese Aufgabe der Christen in unserer Zeit, unabhängig davon, wo sie ihren Dienst versehen, die Besinnung auf die Grundlagen des Glaubens eine entscheidende Voraussetzung sei.
Im Mittelpunkt des Interesses standen bei den Gesprächen die Möglichkeiten des Dienstes christlicher Gemeinden in einem sozialistischen Staat. Insbesondere aus den Entwicklungsländern, aus Afrika und Lateinamerika, fragen Christen nach den Chancen und Grenzen des Verkündigungsdienstes in der sozialistischen Gesellschaft. In diesen Ländern werden essentielle soziale Fragen von Christen und Marxisten gemeinsam angegangen. Sie prüfen, welche Schlussfolgerungen sich daraus für ihr praktisches Verhalten ergeben, und sie vertreten etwa die These, »dass in der gemeinsamen Arbeit die Christen ihre Überzeugung nicht verschweigen dürfen und ein gegenseitiger Lernprozess stattfinden solle«.
Hervorgehobenes Interesse bestand auch allgemein nach den Fragen einer Zurüstung aller Gemeindeglieder für den Verkündigungsdienst. In unserer Zeit ist es deutlich, dass die missionarische Tätigkeit der Kirche sich in Wort und Tat jedes einzelnen Christen vollziehen müsse. Das setzt eine umfangreiche Zurüstung der Gemeindeglieder, etwa in Gemeindeseminaren, voraus.
3. Besuch in Genf
3.1. Besuch des Ökumenischen Rates der Kirchen am 14. und 15. März 1972
3.1.1 Gespräche mit Generalsekretär Blake
In mehrstündigen Gesprächen mit Generalsekretär Blake am 14. März 1972 wurde die Thematik der nächsten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen erörtert. Mit Dank nahm Generalsekretär Blake das Thema der nächsten Tagung der Bundessynode zur Kenntnis.6 Der ÖRK überlegt in ähnlicher Weise, Fragen des Zeugnisses und Dienstes in den Mittelpunkt der Vollversammlung zu stellen. Generalsekretär Blake bat die DDR-Kirchen um eine weitere Verstärkung ihrer Mitarbeit im ÖRK und informierte über vorgesehene Berufungen von Christen aus der DDR in Arbeitsgremien des ÖRK. Er bat, die ständige Mitarbeit eines DDR-Vertreters im ÖRK zu ermöglichen und fragte, welche Möglichkeit für die Durchführung von Arbeitstagungen des ÖRK in der DDR bestünde. Der Vorstand sagte die Bereitschaft des Kirchenbundes für eine verstärkte Zusammenarbeit zu und kündigte in diesem Zusammenhang eine Einladung zur Teilnahme an der bevorstehenden Tagung der Synode an.
3.1.2 Informationsgespräch mit dem Stab des ÖRK
Am Nachmittag des 14.3.1972 gab der Vorstand dem Genfer Stab eine Information über die Arbeit des Bundes. In einer lebhaften Diskussion zeigte sich Interesse an den Fragen des Predigtdienstes, der Unterweisung der Kinder und Gemeindeglieder im Unterricht und in Gemeindeseminaren, der Ausbildung von Mitarbeitern.
Zum Anti-Rassismus-Programm wurde die Bitte geäußert, dem ÖRK Erfahrungen bei der Bewusstseinsbildung der Gemeindeglieder zu übermitteln und theologisch-biblische Grundsatzarbeit zu leisten. Bischof D. Schönherr überreichte das aufgrund der Sammlung in den Kirchen des Bundes finanzierte Mathematikbuch für die befreiten Gebiete in Mocambique.7
3.1.3 Gespräche mit den Abteilungen des ÖRK
Am 15.3.1972 wurden vom Vorstand mit einigen Abteilungen des ÖRK Sachgespräche geführt.
3.1.3.1 Kommunikation und Publikation
Mit Van den Heuvel, Conway und D. Fries wurde die Frage einer Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den DDR-Kirchen und dem ÖRK erörtert. Dabei wurde von den Stabsmitgliedern die Unmöglichkeit betont, von Genf aus die Gemeinden direkt anzusprechen. Die Montagsausgabe des ÖPD,8 die hierfür wenigstens Hilfestellung geben soll, kann in der DDR nicht vertrieben werden. Die nichtkirchliche Presse ist im Allgemeinen nicht geeignet, da sie Informationen stark selektiv (soziale Fragen, Skandale) behandelt.
Probleme sind für den ÖRK die Schwierigkeiten, aus der anfallenden Informationsflut wichtige Dokumente zu erkennen und eine Übersetzung ins Englische zu gewährleisten. Es wurde verabredet, dass etwa einmal jährlich in der DDR eine Informationskonferenz mit einem Vertreter des ÖRK durchgeführt wird, in der über die Hauptziele und Studienprojekte des ÖRK berichtet wird. An dieser Konferenz sollten leitende Vertreter der Kirchen und die Verantwortlichen für die Informationsarbeit und für Ökumene beteiligt sein. Weiterhin wurde vorgesehen, dass das Sekretariat des Bundes dem ÖRK, Abteilung Kommunikation und Publikation, Hinweise auf wichtige Materialien zuleitet. Dabei soll ein Resümee in Englisch erstellt werden. ZdZ9 soll gebeten werden, in gewissen Abständen eine Trenddarstellung der Arbeit des ÖRK zu bringen. Die EVA soll angefragt werden, inwieweit sie Texte des ÖRK publizieren kann. Als erster Schritt ist für den 27. und 28. April 1972 eine Zusammenkunft der Chefredakteure mit Conway vorgesehen. Martin Conway ist an diesen Tagen im Anhang an eine europäische Jugendleiterkonferenz in Hirschluch verfügbar. Es wäre sinnvoll, diese Gelegenheit zu nutzen und weitere Verabredungen zu treffen. Vom Vorstand wurde angekündigt, dass Borgmann sich mit Van den Heuvel und Conway in Verbindung halten wird.
In einem Nachgespräch am 16.3.1972 bot Van den Heuvel für eine erste Informationskonferenz den 3. Oktober 1972 an. Er wäre bereit, an diesem Tage vormittags mit dem Vorstand und dem Sekretariat einen Informationsaustausch zu führen, mittags mit den Chefredakteuren zusammen zu sein und nachmittags vor Vertretern der Kirchen eine Information zu geben. Am Abend sollte seines Erachtens eine Akademietagung oder Ähnliches vorgesehen werden. Van den Heuvel meldete weiter starkes Interesse daran an, bei dem Aufbau des Kommunikationsnetztes für etwa drei Monate von einem Mitarbeiter aus dem Bund unterstützt zu werden. Dieser sollte in Genf mithelfen, die notwendigen Kommunikationskontakte zu organisieren. Sinnvoll wäre es, dafür jemanden vorzusehen, der das Kommunikationssystem im Bund übersieht und dessen Genfer Erfahrungen dann auch bei uns wirksam werden könnten. Auch die befristete Entsendung eines Übersetzers wäre erwünscht. Die finanzielle Seite beider Vorhaben sei abgesichert.
Van Heuvel bat darum, für die Ecumenical Review10 einen Trendartikel etwa zur Thematik »Christlicher Dienst in marxistischer Umwelt« zu liefern.
Van den Heuvel bat darum, ein MBI11 des Bundes und ZdZ direkt zugestellt zu bekommen. Die gegenwärtig gelieferten Exemplare werden in Genf der Bibliothek zugeführt. Außerdem bat er darum, neben dem Hinweis auf wichtige Dokumente der Kirche auch auf Pressenotizen und Bücher aufmerksam gemacht zu werden, die von der Kommunikations- und Publikationsabteilung beachtet werden müssten.
3.1.3.2 Internationale Angelegenheiten
Niilus und Bodipo (Äquat[orial] Guinea) informierten den Vorstand über die Bemühungen von CCIA um den Frieden im Sudan. Dort sei es CCIA gelungen, die streitenden Parteien zum Gespräch zu bringen. Man habe die Hoffnung, dass es zu einer Friedenslösung kommen werde. Insbesondere Bodipo Molumba unterstrich das starke Interesse in der Dritten Welt an den Strukturen der sozialistischen Staaten. Die Christen müssten prüfen, wieweit sie brauchbar für die Welt seien und welche Elemente aus ihnen übernommen werden könnten. CCIA sei besonders an Fragen der Entwicklungshilfe und der europäischen Sicherheit interessiert und bäte die DDR-Kirchen um Mitarbeit in der Grundsatzdebatte. Diese Mitarbeit wäre auch von ihrer praktischen Seite her für den ÖRK interessant, denn in ihr könne sich zeigen, ob und wie es möglich sei, in der sozialistischen DDR als Christ und als politisch denkend- und handelnder Mensch zu leben. In einem Nachgespräch mit Kramer, Juergensohn und Schönherr wird ein Besuch beider Mitarbeiter von CCIA [am] 4./5.10.1972 in Berlin verabredet. Inzwischen bemüht sich Kramer um ein Grundpapier aus der DDR zu Fragen der Europäischen Sicherheit.
Im Zusammenhang dieses Gespräches berichtet Niilus bei Äußerungen F. Castros bei seinem Besuch in Chile im Gespräch mit den »80 Priestern«:12 »Wir Marxisten und die Christen können nicht nur taktisch, sondern auch strategisch Alliierte sein«. Er ermunterte die Christen, nicht von ihrem Glauben zu schweigen. In Algerien hat Niilus mit den Regierungsvertretern über Theologie gesprochen, obwohl sie Mohammedaner sind. »Man kann nicht mehr von einer säkularisierten Welt sprechen, nur noch von einer stark religiösen« (im weitesten soziologischen Sinne). »Wir werden kein neues konstantinisches Zeitalter13 erleben. Gott ist nicht tot. Konstantin14 ist tot.«
3.1.3.3 Weltmission und Evangelisation
Potter, Daniel, Castren, Samartha, Mac Gilvray und Mackie informierten über die Arbeit der Abteilung. Vorrang hat die Vorbereitung der Tagung Salvation to day – Ende Dezember/Anfang Januar 1972/73 in Bangkok. Anhand von Material, das den zuständigen Bearbeitern vom Bereich des Bundes zugeleitet wurde, wurde die Zielstellung der Tagung entfaltet. Nach wie vor sei es wichtig, zwischen den ehemaligen Missionskirchen und den jungen Kirchen, den Geber- und Empfängerkirchen zu einer echten gleichberechtigten Partnerschaft zu gelangen, da die Missionskirchen stark durch ihre »Mutterkirchen« geprägt sind. Dabei ist das personelle Problem (Missionare!) besonders schwierig. Der ökumenische Personalaustausch ist darum eine der wichtigsten Fragen (Frau Castren). Frage nach künftiger Wieder-Mitarbeit von Elisabeth Adler, die als einzige Vertreterin der sozialistischen Staaten unentbehrlich sei. Eine Mitarbeit aus der sozialistischen Welt ist besonders wichtig, da z. B. in Chile in Zukunft vielleicht nur sozialistische Mitarbeiter infrage kommen.15
Die Abteilung bittet den Bund, möglichst bald die Nominierung von zwei offiziellen Vertretern für Bangkok vorzunehmen. Daneben sind von der Abteilung als Berater Frau Adler, Dr. Althausen und Linn vorgesehen.
Weltmission und Evangelisation meldeten starkes Interesse daran an, ihr Anliegen in der DDR wirksam werden zu lassen. Potter äußerte sein Bedauern, dass nach wie vor von der Regierung der DDR die Tätigkeit seiner Abteilung mit Misstrauen angesehen wird. Er bäte dringend darum, Missverständnisse abbauen zu helfen und würde sich freuen, wenn er zu einem Arbeitsbesuch in die DDR reisen könnte. In diesem Zusammenhang wurde angesprochen, ob Potter eventuell als Vertreter des ÖRK zur Bundessynode kommen könnte.
Mac Gilvray, von der Christian Medical Commission,16 erläuterte, dass in den Entwicklungsländern ein großer Nachholbedarf im Gesundheitswesen bestünde. Das Problem besteht darin, dass die medizinischen Hilfen meist nur die wenigen Spitäler betreffen. Es müsse aber die gesamte Bevölkerung einbezogen werden. Der Trend der Kolonialzeit muss geändert werden: Bisher habe sich die Kirche tatsächlich nur um die Reichen medizinisch bemüht, während [für] die Armen »nur« das Evangelium da sei. Hier wolle der ÖRK die europäischen Länder anregen, ihre Hilfe zu verstärken und führe aus diesem Grunde im Juni dieses Jahres in Berlin-Spandau eine Tagung durch. Im Zusammenhang mit dieser Tagung, etwa 25 Teilnehmer, bestünde Interesse an einem Gedankenaustausch bei uns, bei der Informationen über das staatliche (z. B. durch Direktgespräche mit maßgeblichen Vertretern des Gesundheitswesens) und kirchliche Gesundheitswesen sehr erwünscht wären.
Mac Gilvray wird uns in Kürze Genaueres mitteilen. Es wurde vereinbart, dass von uns aus versucht wird, eine entsprechende Begegnung zu gewährleisten.
3.1.3.4 Glauben und Kirchenverfassung
Mit Vischer, Raiser und Borovoj wurden Möglichkeiten einer intensiven Zusammenarbeit in den Fragen von Glauben und Kirchenverfassung besprochen. Ausgangsüberlegung ist die Tatsache, dass die Grundsatzfragen dieser Abteilung, wie sie etwa auch im Zusammenhang der Leuenberger Gespräche17 betrieben werden, für die Kirchwerdung des Bundes von entscheidender Bedeutung sind. Die Abteilung hat bisher erst wenige Voten zum Entwurf einer Europäischen Konkordie erhalten, die aber alle positiv sind. (Estnische lutherische Kirche, Eglise protestant des Belgic)
Von Kirchenleitungen oder Synoden liege bisher keine ablehnende Stellungnahme vor. Es wurden von Einzelpersonen Ergänzungen gefordert (z. B. Frage des Amtes). Am fraglichsten ist bisher die Stellungnahme der skandinavischen Kirchen. Es ist beabsichtigt, in Kürze eine EPD-Dokumentation über den derzeitigen Stand herauszubringen, durch die das Gespräch beschleunigt werden soll.
Entsprechend einer Anregung von D. Noth wurde die Frage eines Studienreferenten, der in der DDR wohnend Aufträge für die Abteilung übernimmt, ausführlich erörtert. Er sollte ein spezielles Projekt übernehmen (z. B. »die Hoffnung, die in uns ist«). Es wird gewünscht, dass dieses Projekt etwa Anfang August positiv geklärt sein könnte. Hinsichtlich des Status wird eine klare Verankerung beim Bund mit Einbeziehung in dessen Studienarbeit unter Abstimmung der Aufgaben mit der Abteilung Glauben und Kirchenverfassung erbeten. Erwünscht ist Kontakt zur katholischen Kirche, da die Abteilung Glauben und Kirchenverfassung zum Sekretariat für die Einheit der Kirchen in Rom Verbindung hält. In Genf muss er ein bestimmtes persönliches Gegenüber haben. Der Studienreferent müsste etwa folgende Qualifizierung haben: Englische Sprachkenntnisse, möglichst französische Sprachkenntnisse, Kontaktfähigkeit und gewisse administrative Gaben. Nach Möglichkeit sollte ein guter Theologe mit einem Sinn für die Fragen der Abteilung Glauben und Kirchenverfassung vorgesehen werden, der im DDR-Bereich als wissenschaftlicher Nachwuchs vorgesehen ist. (Kein theologischer Lehrer, da durch diese Tätigkeit zu sehr in Anspruch genommen; Studienabschluss akademischer Grad, ein paar Jahre Praxis.)
3.1.3.5 Allgemeine Bildung und christliche Erziehung
Kennedy und Simpfendörfer baten dringend um eine verstärkte Zusammenarbeit mit ihrer Abteilung. Die Abteilung sehe in den Überlegungen der DDR-Kirchen zu einer umfassenden Zurüstung der Gemeindeglieder in allen Altersstufen ein wichtiges Anliegen ihrer Arbeit verwirklicht. Ein geregelter Arbeitskontakt mit Informationsaustausch und Arbeitsgesprächen sei erwünscht.
Die letzte Tagung des Exekutivausschusses habe der Abteilung für ein Studienprojekt über Fragen der Zurüstung zum Dienst in Europa eine Planstelle bewilligt. Diesen Auftrag sollte eigentlich Simpfendörfer durchführen, der aber zurzeit als Leiter der Programmeinheit dafür nicht frei ist. In Abstimmung mit dem Generalsekretär bittet die Abteilung den Bund dringend, einen geeigneten Mann hierfür frei zu machen. Er müsste in Fragen der ökumenischen Arbeit erfahren und mit ökumenischen Studien vertraut sein sowie Sprachkenntnisse haben. Die Abteilung halte Dr. Althausen hierfür besonders geeignet.
Man lege insbesondere auf einen DDR-Bürger deshalb Wert, weil bewusst die Zielstellung der Abteilung nicht mit westeuropäischen Bildungszielen identifiziert werden sollte. Man sehe auch klar, dass in den sozialistischen Ländern die öffentliche Erziehung nicht Sache der Kirchen sei.
Die Abteilung kündigte eine offizielle Bitte zur Entsendung von Dr. Althausen für den Zeitraum vom 1.8. bis zum 31.12.1972 nach Genf an. Der Vorstand sagte eine Unterstützung des Anliegens bei den kirchlichen und staatlichen Stellen zu.
3.1.3.6 Kirche und Gesellschaft
Albrecht informierte über das Studienprogramm seiner Abteilung. Im Zusammenhang der großen Überlegungen über Wissenschaft und Technik in der Zukunft wäre eine theologische Grundsatzbesinnung durch die Kirchen in der DDR hilfreich: In welchem Zusammenhang stehen theologische Aussagen über die Natur und die Fragen des Umweltschutzes?
3.1.3.7 Weitere Einzelfragen
Programm zur Bekämpfung des Rassismus:
Sjollema wies auf die Aktivitäten der Abteilung hin und bat um eine Studienüberlegung durch die Kirchen in der DDR. Während die Frage Gewalt/Gewaltlosigkeit bereits sorgfältig studiert werde, sei ein theologischer Ansatz für die Rassenfrage noch nicht sicher gefunden. Im Zusammenhang mit der Arbeit des LWB über Humanismus und Menschenrechte solle nach den bereits vorhandenen Vorarbeiten eine Untersuchung über die Umverteilung der Macht erfolgen. Geschieht dies freiwillig? Lassen sich die Modelle dafür entwickeln?
Ein erster Versuch ist in den Dokumenten der Konferenz von Notting Hill18 zu sehen; weiterhin kommt Dokument Nr. 10, Abschnitt 1c aus Addis19 infrage.
Bei jeder Ausarbeitung komme es darauf an, dass die Gemeinde es verstehen könne und eine Übersetzung aus dem Deutschen ohne Spezialdolmetscher möglich sei.
Mitgliedsbeiträge:
Northam berichtete, dass die Finanzen des ÖRK nach wie vor außerordentlich schwierig seien. Nur durch erhebliche Hilfe aus der BRD könnte eine einschneidende Reduzierung der Arbeit verhindert werden. Die Finanzabteilung habe deshalb an die Russisch-Orthodoxe Kirche geschrieben und um eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrages auf 50 000 Dollar gebeten. Eine Antwort stehe noch aus. Es wurde verabredet, dass im Falle einer positiven Entscheidung der ROK der Bund benachrichtigt wird, um eventuelle Möglichkeiten einer Erhöhung seines Mitgliedsbeitrages zu prüfen.
Tagungen in der DDR:
Northam erläuterte, dass die Durchführung von Tagungen in der DDR dem ÖRK eine erhebliche finanzielle Erleichterung bedeuten könnte, wenn den Tagungsteilnehmern die Rückreisen vom Bund bezahlt werden könnten. Entscheidend für die Durchführung von Tagungen in der DDR sind nach Blake die Absicherung der Kommunikationsfreiheit und die Einreise für alle Teilnehmer.
Mitarbeit von Vertretern der DDR-Kirchen in Komitees des ÖRK:
Grundsätzlich wurde abgesprochen, dass bei geplanten Berufungen in Komitees des ÖRK im ersten Stadium der Planung bereits eine inoffizielle Fühlungnahme mit dem Bund erfolgen soll. Gegenwärtig sind folgende Berufungen geplant: Dr. Scholz für das Komitee der Einheit I, von Brück für zwischenkirchliche Hilfe, Dr. Althausen für Dialogfragen, Gutsch für das Komitee der Programmeinheit III (Berufung für ein Jahr) und Frau Adler für den Personalausschuss. Die Berufungen sind zum Teil bereits seit längerer Zeit praktiziert. Der Vorstand stimmte diesen Entscheidungen des ÖRK zu.
Zwischenkirchliche Hilfe:
Dr. Johannes und Stolpe besprachen mit Puffert die Vorstellungen der DDR-Kirchen zur zwischenkirchlichen Hilfe. Sie baten um Fortsetzung des Hilfsprogrammes auch für 1973. Puffert sagte zu, sich dafür zu verwenden, und deutete an, dass auch schon wegen der Schwierigkeiten einer Umsetzung der Mittel im Blick auf den Spenderwillen die Fortführung der Hilfe als gesichert anzusehen sei.
Christliche Friedenskonferenz:20
In einer Reihe von Gesprächen wurde von den Vertretern des ÖRK berichtet, dass [sich] die CFK um eine Intensivierung des Verhältnisses zum ÖRK bemühe. Da es jedoch noch eine Reihe von offenen Fragen gebe, sei der ÖRK hier zurückhaltend. Er sehe nicht vor, einen Beobachter zur CFK nach Utrecht21 einzuladen, wolle aber das theologische Gespräch mit der CFK beginnen. Bei eventuellen Begegnungen sei eine präzise Klärung geplanter Veröffentlichungen vorgesehen.
Menschenrechte:
Der Vorstand wurde unterrichtet, dass von verschiedenen Seiten dem ÖRK massive Aufforderungen zugegangen seien, sich für die Sicherung der Menschenrechte in den osteuropäischen Ländern einzusetzen. Der Vorstand brachte gegenüber dem Generalsekretär zum Ausdruck, dass eventuell Probleme der Gewissens- und Glaubensfreiheit in der DDR von den dortigen Kirchen unmittelbar dem Staat vorgetragen würden und eine Intervention des ÖRK nicht sinnvoll erscheine.
3.2 Besuch der Konferenz Europäischer Kirchen am 15. März 1972
In Gesprächen mit Generalsekretär Dr. Williams wurden vom Vorstand folgende Fragen behandelt:
Dr. Williams dankte den DDR-Kirchen für die bisherige starke Unterstützung der Konferenz Europäischer Kirchen und brachte zum Ausdruck, dass er eine weitere Intensivierung dieser Zusammenarbeit für außerordentlich wichtig hielte.
In der Arbeitsplanung der Konferenz Europäischer Kirchen ist im Mai 1972 eine Tagung der Arbeitsgruppe für Frieden und Versöhnung in Europa vorgesehen. Die Anfrage der KEK, ob die Durchführung dieser Tagung in der DDR möglich sei, musste vom Vorstand unter Hinweis auf die relativ kurze Zeitspanne verneint werden. Der Arbeitsgruppe werden voraussichtlich angehören: Pesonen (Finnland) als Vorsitzender, Ruh (Schweiz) als stellvertretender Vorsitzender, Scholowski (UdSSR), Kovatsch (Ungarn), Liedke (BRD) sowie weitere Vertreter aus Polen, Rumänien, Frankreich, Holland, Italien und Großbritannien. Der Ökumenische Jugendrat Europas wird Gutsch, die CFK eventuell Dr. Basserak entsenden. Dr. Williams bat dringend darum, kurzfristig einen Vertreter der DDR-Kirchen zu nominieren. Der Vorstand benannte Frau Grengel als Schriftführerin des FAK für Friedensfragen und sagte zu, der KEK Bescheid zu geben, falls ein anderer Vorschlag gemacht werden würde.
Der Vorstand bot Dr. Williams an, die Durchführung anderer Arbeitstagungen in der DDR zu prüfen. Dr. Williams nannte in diesem Zusammenhang ein Colloquium über das Thema »Vom Evangelium bis zu den Grenzen der Kirche«, das vom 25. bis 29. September 1972 von der Arbeitsgruppe »Ekklesiologische Fragen in der modernen europäischen Gesellschaft« durchgeführt wird. Dr. Williams äußerte den Wunsch, diese Arbeitsgruppe (mit Stab etwa 70 Personen) in der DDR tagen zu lassen. Erwünscht wäre eine Tagungsstätte, die in dem Zeitraum vom 24.–30.9.1972 zur Verfügung stehen könnte. Aus der DDR gehörten der Arbeitsgruppe Haufe und Schottstädt an, aus der BRD Liebschner und Locher. Die EKD werde noch einen weiteren Vertreter benennen. Dr. Williams überreichte eine Studie zum Inhalt der Konsultation und kündigte eine offizielle schriftliche Anfrage an den Bund an. Es wurde verabredet, dass die technischen Möglichkeiten hinsichtlich der Unterbringung der Tagung in der DDR kurzfristig geprüft werden.
Der Vorstand besprach mit Dr. Williams die Fragen der Teilnahme der DDR an der Konferenz für Umweltschutz in Stockholm. Entsprechend dem Beschluss der KKL vom 11.3.1972 bat der Vorstand Dr.Williams, sich beim Exekutivausschuss der KEK für eine gleichberechtigte Teilnahme der DDR an dieser Konferenz zu verwenden.
Der Vorstand kündigte Herrn Dr. Williams die bevorstehende Einladung zur nächsten Tagung der Synode des Bundes an. Dr. Williams nahm diese Einladung dankend an und äußerte sein Interesse an einer Informationsreise durch die Kirchen in der DDR.
3.3 Informationsbesuch beim LWB
Am 16.3.1972 führte der Vorstand ein mehrstündiges Informationsgespräch mit dem Lutherischen Weltbund. An dem Gespräch nahmen der Generalsekretär des LWB sowie die leitenden Mitarbeiter des Stabes teil. (Mau, Koopmann, Helberg, Hansen, Duchrow, Mitzelfield, Könis und andere.) Generalsekretär Dr. Appel nannte folgende Hauptfragen, die den LWB bewegen: 1. Was heißt heute, lutherisch sein? Was bedeutet das für die missionarische Ebene? 2. Das ökumenische Engagement der lutherischen Kirchen. 3. Die Fragen der Weltorientierung. Überall werde der Versuch gemacht, die Ortsebene viel enger mit der Weltebene zu verbinden. Daran, dass dies bisher zu wenig geschah, ist der brasilianische Versuch gescheitert. Dr. Appel betonte, dass die Vollversammlung in Evian22 nicht als einmaliges Ereignis, sondern als Teil eines Lernprozesses zu verstehen sei. Die Menschenrechtsresolution ist an alle Mitgliedskirchen übersandt worden mit der Bitte, bis 31.7.1971 Stellung zu nehmen. Nicht ganz die Hälfte hat geantwortet. Dr. Appel dankte den DDR-Kirchen, mit welchem Ernst sie sich der Durcharbeitung der Resolution über die Menschenrechte angenommen hätten. Ein eingehender Gedankenaustausch wurde mit den Fragen der Herstellung voller Kirchengemeinschaft zwischen Lutheranern und Reformierten geführt. Es bestand volle Übereinstimmung darüber, dass dem Abschluss der Konkordie auch praktische Maßnahmen folgen müssten. Die DDR-Kirchen seien in dieser Frage ein wichtiges Modell und man erwarte, dass sie nach einem positiven Ausgang ihrer Lehrgespräche und der Verabschiedung der Europäischen Konkordie praktische Schritte zur vollen Kirchengemeinschaft einleiten würden. Die Erfahrung in anderen Ländern zeigte, dass neben einer Behandlung der Lehr- und Bekenntnisfragen die praktische Zusammenarbeit – soweit wie irgend möglich – erfolgen müsste, um nicht zu einer »kalten Kirchengemeinschaft« zu kommen. Dies sei z. B. in Südindien die Gefahr. Es sei zurzeit kein Gespräch Lutheraner – Reformierte auf Weltebene im Gange. In den USA erklärt man, dass kein theologisches Hindernis vor den beiden Konfessionen stehe. Aber aus kirchenpolitischen Gründen passiert gar nichts. Das gemeinsame Komitee LWB-RWB arbeite weiter. Dort werden die Gedanken eines Weltkonzils erwogen. Allgemein sei man der Ansicht, man stehe an einem neuen Wendepunkt, nur wisse man nicht, wohin der Weg gehen soll.
Duchrow informierte über die theologische Arbeit über Frieden und Menschenrechte. Es gehe besonders um das Verhältnis von individuellen und sozialen Menschenrechten. Es werde daran Kritik geübt, dass die bisherige Formulierung der Menschenrechte zu einseitig von liberalen Voraussetzungen aus konzipiert sei. Es werden Gespräche mit Frau Grengel und Zeddies darüber angekündigt, mit dem Bund in dieser Sache zusammen zu arbeiten. Als Projekt schwebe dem LWB vor, die Herausforderung der Kirchen in und durch den Marxismus zu studieren. Dabei sollte man nicht auf einen allgemeinen Dialog aus sein, sondern im Blick auf einige Kirchen Testfragen stellen. Dies sei besonders für Chile wichtig. Mitzelfield warnte vor der falschen Alternative: Gerechtigkeit gegen Barmherzigkeit. Als Beispiel für fällige Hilfe nannte er Bangladesch23. Dort kann nur ausschließlich diakonisch geholfen werden und unter voller Achtung des selbstständig gewordenen Landes.24 Nur die Regierung kann bestimmen, wer in diesem Lande arbeiten soll. Es muss die Arbeit der Kirche dort notwendig unter gewissen Einschränkungen stehen. Es war ein Glück, dass der LWB schon in einem sehr frühen Stadium mit den Flüchtlingen aus dem damaligen Ostpakistan arbeiten konnte, und zwar im Sinne der Hilfe zum Aufbau einer neuen Lebensexistenz.25 Damit hatte man, als die zehn Millionen Flüchtlinge kamen, schon ein gutes persönliches Verhältnis zu vielen Menschen. Von daher ist es zu verstehen, dass die Regierung von Bangladesch dem LWB den Auftrag zu unmittelbarer Hilfe gegeben hat. Die Kirchen des LWB sind durch den Beschluss des Exekutivausschusses in Oslo zur Hilfe aufgerufen worden. Das Problem ist nicht, zwei Millionen Doller für Bangladesch locker zu machen, sondern zu helfen, dass die anvertrauten Gelder in dem sehr zerstörten Land, in dem auch die Verwaltung weithin zerstört ist, verantwortlich angewendet werden. Die Administration ist fast ausschließlich darauf angewiesen, sich aus Flüchtlingen neu zu formieren, die ungeübt sind. Der LWB arbeitet bei diesem ganzen Projekt zusammen mit anderen ökumenischen Kommissionen, in denen auch der ÖRK beteiligt ist. Es muss gesehen werden, dass Bangladesch das am meisten überbevölkerte Land der Welt ist. Dazu ist es völlig ausgebeutet. Das Einkommen ging vor allem nach Westpakistan, dass auch die Verwaltung in vollem Maße wahrgenommen hat. Jetzt besteht ein großer Mangel, der den der anderen Entwicklungsländer noch übersteigt. Andererseits will Bangladesch selbstständig sein. Der Staat hat 75 Millionen Einwohner, hauptsächlich Moslems. Es leben dort ca. 400 000 Christen, meist Katholiken. Riese berichtete von der Tätigkeit des LWB in seinen Entwicklungsprogrammen. Es werde seit zehn Jahren in 30 Ländern gearbeitet, 99 von 100 Projekten liegen in der Dritten Welt, die wichtigsten in Tansania, Äthiopien, Brasilien und Indien. Es sind 14 Geldgeber da. 412 Projekte sind genehmigt, 40 Mio. Dollar wurden aufgebracht. Für die Projekte sind die Kirchen in ihren Ländern verantwortlich. Die Projekte werden normalerweise in die Pläne der Regierungen eingeplant. Die Folgekosten werden weitgehend von den Regierungen gedeckt, das gilt z. B. für das medizinische Zentrum am Kilimandscharo. Von den Folgekosten von 1 Mio. pro Jahr werden 75 % von der Regierung aufgebracht. Die Erstellungskosten betrugen dort 6 Mio.
Die Schwäche der Organisation war allein, dass zu wenig stimmberechtigte Mitglieder aus der Dritten Welt in dem entscheidenden Gremium saßen. Seit Evian ist das Verhältnis 5: 3. Damit ist eine neue Stimmung eingetreten. Früher hat man zu viel Gebäude-Projekte gemacht, jetzt legt man besonderen Wert auf Ideen-Projekte. In Brasilien gibt es außer vielerlei Entwicklungshilfe zwei Radio-Projekte. Für Chile arbeitet man mit Unctad III26 zusammen. Unter den unterstützenden Kirchen ist auch »Brot für die Welt« – DDR. Die Unterstützung klappt vorzüglich, obwohl der Umweg über das internationale Rote Kreuz gemacht werden muss. Es gibt viele Programme in Ländern, mit denen die DDR offizielle Beziehungen hat. Etwa eineinhalb Milliarden Menschen können den Sender »Stimme des Evangeliums« hören.
Der Vorstand nahm am Nachmittag des 16.3.1972 an einer Informationsstunde des LWB teil, in der Dr. Appel über Probleme in Südafrika berichtete und D. Schönherr ein kurzes Grußwort an die Mitarbeiter des LWB richtete.
3.4 Informationsbesuch beim RWB
Am 16.3.1972 führte der Vorstand ein Informationsgespräch mit Generalsekretär Perret und seinen leitenden Mitarbeitern.
In dem Gespräch informierten die Vertreter des RWB den Vorstand darüber, dass der Reformierte Generalkonvent in der DDR voraussichtlich noch in diesem Jahr in den Reformierten Weltbund aufgenommen würde. Vonseiten des RWB gäbe es keinerlei ernsthafte Probleme. Mit dem Reformierten Bund in der BRD müssten noch Einzelfragen abgestimmt werden.
Es wurde verabredet, einen regelmäßigen Austausch von Informationsmaterial durchzuführen. Der RWB erhält das Mitteilungsblatt des Bundes und andere wichtige Dokumente und wird seinerseits, unabhängig von der Belieferung des Reformierten Generalkonvents, auch dem Sekretariat des Bundes seine Dokumente überlassen.
Der RWB informierte über die Weiterarbeit nach Nairobi. Es gäbe mancherlei Ansätze dafür, dass es im angelsächsischen Raum zu Unionsbildungen komme, bei denen eine Verständigung zu pragmatischen Fragen erfolge und eine Lösung offener Lehrfragen in künftiger Zusammenarbeit erfolgen solle.
Es wurde in dem Gespräch mit den Vertretern des RWB, wie auch schon in dem Gespräch mit dem LWB deutlich, welche zentrale Aufgabe in den Überlegungen der konfessionellen Weltbünde die Fragen intensiverer kirchlicher Gemeinschaft einnehmen. Die Weltbünde haben bereits eine regelmäßige Sachzusammenarbeit und richten beide ihre Tätigkeit darauf, Unionsbildungen in den Kirchen zu fördern. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass sie sich in absehbarer Zeit in den ÖRK integrieren werden, da die Mitglieder nicht identisch sind. Die Gespräche machten deutlich, dass diese Fragen in den DDR-Kirchen noch weiter bedacht werden müssen.
4. Besuch beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund vom 17.–20. März 1972
Am Abend des 17.3. bis zum Morgen des 20.3.1972 war der Vorstand des Bundes zu Gast beim Vorstand des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes.
Dem Schweizerischen evangelischen Kirchenbund gehören 20 Mitgliedskirchen an, darunter die Evangelisch-methodische Kirche. Daneben gibt es eine Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, der neben dem Kirchenbund und der Evangelischen-methodistischen Kirchen die Römisch-Katholische Kirche, die Christlich-Katholische Kirche, die Baptisten und die Heilsarmee angehören. Interessant dürfte sein, dass die Evangelisch-methodistische Kirche dem Kirchenbund bereits vor der Bildung der AGCK angehörte, der AGCK dann noch einmal gesondert beitrat und die Baptisten ihre Verhandlungen wegen einer Aufnahme in den Kirchenbund abbrachen, als die AGCK gegründet wurde.
Der Kirchenbund hat einen Vorstand von sieben Personen. Vorsitzender ist Präsident Sigrist (hauptamtlich), stellvertretender Vorsitzender ist Pfarrer Bauer, gleichzeitig zuständig für Publizistik. Weitere Verhandlungsmitglieder sind Stadtdirektor Schärrer, zuständig für Recht und Finanzen, Frau Dr. jur. Uhlmann (Migration, Kirche und Tourismus), Pfarrer Flury (Heks-Mission),27 Direktor Ryser (Diakonie und Bildung). Der Vorstand hat etwa die Funktion des Rates der EKD. Das synodale Organ tritt ca. zweimal jährlich zusammen. Der Kirchenbund unterhält eine theologische, eine soziologische und eine ökumenische Kommission sowie einige Ad-hoc-Ausschüsse.
Am 18. März 1972 vormittags fand eine gemeinsame Sitzung der beiden Vorstände in Bern statt, bei der der Präsident eine Einführung in Geschichte und Probleme des Kirchenbundes gab. Es erfolgte eine wechselseitige Information über die Arbeitsvorhaben. In der Aussprache fragten die Vertreter des Schweizerischen Kirchenbundes nach dem Dienst in den Neubaugebieten, dem Verhältnis von Staat und Kirche sowie der Arbeitsweise der DDR-Kirchen im Religionsunterricht und in der Kirchensteuer. Besonderes Interesse zeigten die Schweizer für die Fragen um das Selbstverständnis einer protestantischen Kirche in einer sozialistischen Gesellschaft. Daneben wurde das gemeinsame Interesse an einer europäischen Konkordie ausgesprochen. Es gibt für die Arbeit daran beim Schweizerischen Kirchenbund feste Termine.
Am Nachmittag des 18. März gab der Vorstand des Schweizerischen Kirchenbundes für den Vorstand des Bundes einen offiziellen Empfang, an dem leitende Vertreter der Kantonalkirchen teilnahmen. In ihren Aussprachen unterstrichen Präsident Sigrist und Bischof D. Schönherr die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Kirchenbünden. Sie ergäbe sich aus der gemeinsamen reformatorischen Haltung zum Dienst der Kirche in unserer Zeit. Es bestünde gemeinsam Interesse an einem regelmäßigen Gedankenaustausch zu theologischen und sozial-ethischen Fragen. Unbeschadet der Umweltstrukturen, in denen sie stünden, wären beide Kirchenbünde zum Zeugnis und Dienst gerufen.
Am 19. März 1972 vormittags sprach Bischof D. Schönherr im Berner Münster ein Grußwort. Im Konfirmationsgottesdienst vor einer zahlreichen Gemeinde hob er hervor, dass der eine Herr die Christen in der ganzen Welt zum Dienst rufe, ob sie nun in der Schweiz oder in der DDR lebten. Er forderte die Konfirmanden auf, so wie auch die christliche Jugend in der DDR mitzuhelfen, dass die Menschen wieder zusammenfinden und der Mensch wieder des Menschen Freund sein könne.
Am Nachmittag des 19. März fand ein Gemeindegespräch in Bern statt, in dem Bischof D. Schönherr zunächst einige Gesichtspunkte zur Existenz christlicher Kirchen in der DDR gab und in dem sodann Fragen aus der Gemeinde beantwortet wurden. Die Gemeinde fragte nach den Möglichkeiten des theologischen Nachwuchses in der DDR, dem Verhältnis von Konfirmation und Jugendweihe,28 der Ausgestaltung des Religionsunterrichtes und der Existenzmöglichkeit der Kirche in einem sozialistischen Staat.
Am Abend des 19. März gab der Präsident des Schweizerischen Kirchenbundes mit dem Vorstand des Bundes in Zürich eine Pressekonferenz. Der Pressekonferenz wurde ein gemeinsames Kommuniqué zum Besuch des Vorstandes des DDR-Kirchenbundes vorgetragen (Anlage 2.2) und sodann durch Präsident Sigrist die Bedeutung der Beziehung zwischen den Kirchenbünden erläutert. Präsident Sigrist sowie der Vorstand des Bundes antworteten danach auf einige Fragen. Unter anderem wurde nach den Kontakten der DDR-Kirchen zu anderen osteuropäischen Kirchen, nach der Intensität des Gemeindelebens in der DDR, nach Möglichkeiten eines Studentenaustausches, nach der Europäischen Sicherheitskonferenz,29 den Ostverträgen30 und der DDR-Anerkennung gefragt.
Mit dem Vorstand des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes wurde eine Fortsetzung der Kontakte verabredet. Als nächster Schritt ist eine Informationsreise des Präsidenten Sigrist und zweier Begleiter in zeitlichem Zusammenhang mit der Bundessynode in der Zeit vom 25.6. bis 5.7.1972 vorgesehen. Es wurde verabredet, dass vom Sekretariat des Bundes die entsprechenden Einladungsschreiben nach Bern geschickt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt, etwa 1973, würde der Schweizerische Evangelische Kirchenbund dann gern der Einladung der KKL zu dem Besuch einer Delegation von etwa 10–15 Teilnehmern folgen.
5. Schlussbemerkung
Die Besuchsreise des Vorstandes unterstrich in eindrucksvoller Weise das starke Interesse der ökumenischen Institutionen in Genf und des Schweizerischen Kirchenbundes an den Kirchen in der DDR. Dieses Interesse ist zweifellos eine Reaktion auf die bisherige Haltung der Kirchen der DDR und ihr erkennbares Bemühen, Zeugnis und Dienst in den veränderten Umweltverhältnissen auszurichten. Dieser Versuch ist auch für Kirchen in anderen gesellschaftlichen Verhältnissen von exemplarischer Bedeutung. Umgekehrt dürfte für die DDR-Kirchen und den Dienst ihrer Gemeinden der ökumenische Kontext von wachsender Bedeutung sein. So wird in den Lehr- und Bekenntnisfragen aus der Ökumene wichtige Hilfe zu erwarten sein. Die gemeinsame Bemühung um die Artikulierung grundlegender Lehr- und Bekenntnisfragen sowie deren Bezeugung im Dienst der Kirche und des einzelnen Christen ist für den Auftrag der Kirche unserer Zeit von unaufgebbarem Wert.
Für zukünftige Kontakte sollte beachtet werden, dass kleineren Gruppen gegenüber Einzelreisenden nach Möglichkeit der Vorrang zu geben wäre. Jedoch müssten Reisen auf höchster Leitungsebene die Ausnahme bleiben; eine entsprechende Reise könnte frühestens in zwei bis drei Jahren wieder vorgesehen werden.
Die Reise des Vorstandes fand in der Schweiz von publizistischer Seite große Beachtung. In mehreren Rundfunkmeldungen wurde Sinn und Ziel der Besuchsreise dargestellt. Das Grußwort von Bischof D. Schönherr im Berner Münster wurde durch Rundfunk und Fernsehen übertragen. Bischof D. Schönherr und Landesbischof Braecklein gaben dem Schweizer Fernsehen und dem ZDF Interviews. An dem ZDF-Interview war auch Pfarrer Kramer beteiligt. Die Fragen bezogen sich auf den Dienst der Kirche und des einzelnen Christen in der DDR sowie auf die Haltung der Kirchen zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen: der Ratifizierung der Ostverträge in der BRD, der Europäischen Sicherheitskonferenz und der Konferenz für Umweltschutz im Juni 1972 in Stockholm.31
Berlin, den 21. März 1972 | gez. D. Schönherr | gez. Stolpe
Anlage 2 zur Information Nr. 693/72
Statement zum Besuch der Leitung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik beim Vorstand des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes 17. bis 19. März
Der Evangelische Kirchenbund hat die Initiative ergriffen und die Leitung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik eingeladen. Welche Gründe und welche Absichten haben ihn dazu erwogen?
Wir gehen von der Grundanschauung aus, dass die Kirche zwar immer in Nationen und Völkern und in Beziehungen zu einzelnen Staaten und Gesellschaften ihr Dasein verwirklicht hat, dass sie aber – ihrem Wesen entsprechend – eine übernationale, Staatsformen und Gesellschaftssysteme transzendierende Zusammengehörigkeit und Einheit kennt. Diese Einheit muss sich in konkreten Beziehungen verwirklichen.
Der Kirchenbund der Schweiz hat von jeher mit dem »Weltrat der Kirchen« und seit Jahren auch über die »Konferenz Europäischer Kirchen« solche Beziehungen aufrechterhalten.
Die Beziehungen im deutschen Gebiet waren früher durch die Verbindungen mit der »Evangelischen Kirche in Deutschland« – EKD genannt – für alle gegeben. Nachdem die geschichtliche Entwicklung dazu geführt hat, dass die evangelischen Kirchen in der DDR sich zu einem selbstständigen Kirchenbund vereinigt haben, reduzieren sich die Verbindungen über die EKD auf Westdeutschland. Es ist darum angebracht, mit den aus dem früheren Gesamt-Verband ausgegliederten Kirchen in der DDR und der von ihnen gebildeten Organisation direkte Beziehungen aufzubauen.
Der Kirchenbund in der Schweiz vertritt nicht ein geschichtliches Traditionsverhältnis. Er muss sich den de facto und de jure gegebenen Kirchenbildungen konfrontieren und in dieser geschichtlichen Entwicklung die Zusammengehörigkeit aller Christen bewähren.
Diese Zusammengehörigkeit ist nicht infrage gestellt, weil sich unsere Kirchen in verschiedenen Gesellschaftssystemen bewegen und zu bewähren haben.
Was interessiert den Kirchenbund der Schweiz nun gerade an dieser Begegnung mit Kirchenleitern aus der DDR?
Uns interessiert die Begegnung mit allen Christen, seien sie theologisch oder organisatorisch noch so verschieden von uns. In der DDR ist für uns besonders zu beachten, dass es sich dort um Kernländer der Reformation handelt. Wie haben diese alten Reformationskirchen den Weg in ihre neuste Zeit gefunden? Welche Traditionen konnten oder mussten preisgegeben werden? Welche Klärungen zwischen Überlieferung der Kirchenform und Wesen der Glaubensverkündung wurden vollzogen oder sind noch zu vollziehen?
Wir werden gegenseitig als Fragende und Hörende zusammen sein.
Was erwartet der Kirchenbund als konkrete Ergebnisse der Begegnung?
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Wir bezeugen durch die Begegnung, dass wir uns als Kirchen des einen und des anderen Landes anerkennen.
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Wir werden die Gespräche über die Beziehungen in der DDR fortsetzen.
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Wir hoffen, der kirchlichen Einheit, aber auch dem Frieden zwischen [den] Völkern Europas zu dienen.
Walter Sigrist | Präsident des schweizerischen Kirchenbundes
Anlage 2 – 2 zur Information 693/72
Kommuniqué:
Der Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR besuchte vom 17. bis 19. März 1972 in Bern den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund. Vorher hatten die fünf Mitglieder des Vorstandes, Bischof D. Dr. Schönherr (Berlin), Oberkirchenkonsistorialrat Juergensohn (Görlitz), Landeskirchenamtspräsident Dr. Johannes (Dresden), Synodalpräses Landesbischof D. Braecklein (Eisenach), Pfarrer Kramer (Magdeburg) und der Leiter des Sekretariats in Berlin Oberkonsistorialrat Stolpe einen dreitägigen Besuch bei den ökumenischen Arbeitsstellen in Genf gemacht.
In einer gemeinsamen Sitzung mit dem Vorstand des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes unter Leitung von Präsident Sigrist sowie in zahlreichen weiteren Gesprächen kam er zu ersten offiziellen Kontakten und vielfältigen gegenseitigen Informationen über die Arbeit der beiden Kirchenbünde. Ungeachtet der verschiedenen Umweltsituationen gibt es eine ganze Reihe von ähnlichen Aufgaben des Dienstes bei den aus einzelnen Landes- bzw. Kantonalkirchen bestehenden Bünden. Die gegenseitigen Verbindungen sollen in Zukunft intensiviert werden. Dabei hofft die Delegation des Kirchenbundes aus der DDR, dass eine Schweizer Delegation sich bald von dem Leben der Kirchen in ihrem Lande überzeugen kann und dass solcher Besuchsaustausch für die weitere Zukunft zu einer regelmäßigen Übung werden möge. Im Konfirmationsgottesdienst am 19. März im Berner Münster grüßte Bischof D. Schönherr die Gemeinde von den Kirchen in der DDR. Am Nachmittag fand in einer Begegnung mit den Gemeinden ein Austausch über die kirchlichen Aktivitäten statt.
Zürich, 19. März 1972