Botschaft des Cottbusser Superintendenten an Bundeskanzler
24. April 1972
Information Nr. 303/72 über eine persönliche Botschaft des Generalsuperintendenten D. Günter Jacob (Cottbus) an den Bundeskanzler der BRD, Brandt
Wie dem MfS zuverlässig bekannt wurde, richtete Generalsuperintendent D. Günter Jacob1 (Cottbus) eine persönliche Botschaft2 an Brandt,3 in der er zur Ostpolitik4 der Bundesregierung, besonders zur Problematik der Ratifizierung5 der Verträge UdSSR – BRD6 und VR Polen7 – BRD, Stellung nimmt. Jacob betont, dass er diese Stellungnahme nicht in der DDR veröffentlichen wolle, dass sie jedoch Brandt nach Belieben in der Auseinandersetzung um die Ratifizierung verwenden könne.
Jacob begrüßt es, dass Brandt – trotz des furchtbaren Erbes der Adenauer8-Ära und irrealer Vorstellungen von »Wiedervereinigung« in der BRD – begonnen hätte, Verhandlungen mit der UdSSR, der VR Polen und der DDR zu eröffnen und zu führen und diesen Weg bis zur Fertigstellung der Verträge UdSSR – BRD und VR Polen – BRD zu gehen.
Jacob würdigt die in diesem Zusammenhang erreichten »Erleichterungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen« und erklärt, jede Erleichterung für Kommunikation und Begegnung sei zu schätzen. Er verurteilt die Obstruktionspolitik der CDU, die versuche, die DDR-Bürger »mit irrealen Durchhalteparolen« und »Deklamationen« hinzuhalten und den bekannten Phrasen der längst bankrotten Politik der Stärke zu blockieren.
Jacob bringt zum Ausdruck, dass die Mehrheit der Bevölkerung der DDR die Ratifizierung der Verträge wünscht. Brandt könne sich dabei auf ein positives Votum der Bürger der DDR – auch der Christen – berufen, unabhängig von ihrem parteipolitischen Standort und ihrer jeweiligen Beurteilung der Politik unseres Staates.
Jacob wünscht Brandt bis zur zweiten Lesung der Verträge im Bundestag9 Erfolg, und er äußert die Zuversicht, dass das mit der Ostpolitik gesteckte Ziel trotz Widerständen erreicht werden kann.
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