Brandstiftungen im VEB NARVA Berlin
14. August 1972
Information Nr. 762/72 über mehrere Brandstiftungen im VEB NARVA Berlin am 9. August 1972
Am 9. August 1972 erfolgten in der Zeit von 20.45 bis 22.00 Uhr im VEB NARVA Berlin insgesamt fünf Brandstiftungen.
Dabei wurden in der fünften Etage des Gebäudes Nr. 3 in drei Fällen Kartonagen, in der vierten Etage des gleichen Gebäudes im Männerumkleideraum ein Garderobenschrank aus Holz und im Keller des Gebäudes Nr. 4 auf verschiedenen Maschinenteilen geringe Mengen Wellpappe in Brand gesetzt.
Die gelegten Brände konnten jedoch rechtzeitig entdeckt und durch tatkräftige Mithilfe von Betriebsangehörigen schnell gelöscht werden.
Insgesamt entstand ein geschätzter Sachschaden von maximal 2 000 Mark. Produktionsausfall ist nicht zu verzeichnen.
Im Verlaufe sofort vom MfS gemeinsam mit der DVP eingeleiteter Maßnahmen konnte am 10. August 1972 der [Name, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1951, wohnhaft 1199 Berlin-Adlershof, [Straße, Nr.], beschäftigt als Quarzschleifer im VEB NARVA, Abschluss achte Klasse, seit 1968 Mitglied der FDJ und innerhalb der FDJ-Gruppe für Kassierung und Ausgestaltung der Wandzeitung verantwortlich, als Täter ermittelt und festgenommen worden.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben:
Der [Name], der gegenwärtig mit drei weiteren Arbeitskollegen in einem Raum arbeitet, nahm am 9. August 1972 vor und während der Arbeitszeit bis gegen 21.00 Uhr alkoholische Getränke zu sich (ca. vier Flaschen Bier und zehn bis 15 Glas Likör).
Diese Getränke wurden entgegen dem im Betrieb bestehenden Alkoholverbot von [Name] und seinen Arbeitskollegen mit in den Betrieb gebracht bzw. während der Arbeitszeit außerhalb des Betriebes gekauft.
Am 9. August 1972, gegen 20.50 Uhr, verließ [Name] seinen in der vierten Etage des Gebäudes Nr. 3 gelegenen Arbeitsraum und zündete in der fünften Etage des gleichen Gebäudes, wo Leuchtstoffröhren und Kartonagen zur Verpackung gelagert werden, an drei verschiedenen Stellen derartige Kartonagen an.
Anschließend begab sich der [Name] für etwa zehn bis 15 Minuten in seinen Arbeitsraum. Gegen 21.15 Uhr suchte er die in der gleichen Etage gelegene Männergarderobe auf und entzündete mit Streichhölzern einen hölzernen Umkleideschrank, der völlig ausbrannte.
(Die über dem Schrank angebrachten elektrischen Leitungen wurden durch die Hitzeeinwirkungen derart beschädigt, dass sie ausgewechselt werden mussten.)
Nach einem weiteren kurzen Aufenthalt im Arbeitsraum brachte der [Name] im Keller des Gebäudes Nr. 4 auf Maschinenteilen liegende Pappreste ebenfalls durch Streichhölzer zur Entzündung.
Anschließend beobachtete [Name] mit seinen Arbeitskollegen die Löscharbeiten.
Über die Motive für seine Handlungsweise befragt, erklärte [Name], dass er sich unter dem Einfluss des getrunkenen Alkohols seiner persönlichen Verärgerungen verstärkt bewusst geworden sei und sich aus diesem Grunde zu den Brandstiftungen entschlossen habe.
Seine persönlichen Verärgerungen bestanden im Wesentlichen im Folgenden:
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Unzufriedenheit über Einstufung in die Lohngruppe 5 und
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Ärger über mehrfach an ihm geübte Kritik wegen ungenügender Arbeitsleistungen sowie über seinen oftmaligen Einsatz zu Aushilfsarbeiten in anderen Abteilungen.
Weiter fand er die mit ihm am 8. August 1972 geführte kollektive Aussprache wegen seiner schlechten Arbeitsmoral und unerlaubter Überschreitung seines Urlaubs und den in diesem Zusammenhang erhaltenen Verweis, der mit einer 30%igen Kürzung seiner Jahresendprämie verbunden ist, als ungerecht.
Hinweise auf eine organisierte gegnerische Aktion – insbesondere auch im Hinblick auf den 13. August1 – konnten bisher nicht erarbeitet werden.
Gegen [Name] wurde am 10. August 1972 ein Ermittlungsverfahren mit Haft gemäß § 185 (1) StGB2 – vorsätzliche Brandstiftung – eingeleitet.
Die Untersuchungen werden fortgesetzt mit dem Ziel zu prüfen, inwieweit [Name] für weitere Straftaten im VEB NARVA Berlin und in seinem Wohngebiet infrage kommt bzw. welche weiteren Gründe, Ursachen und Motive der Handlungsweise des [Name] zugrunde lagen. Des Weiteren ist vorgesehen, in diesem Zusammenhang im VEB NARVA vorhandene begünstigende Umstände und Bedingungen auf dem Gebiet der Sicherheit und Ordnung allseitig aufzuklären und mithilfe der verantwortlichen Organe zu beseitigen.