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Erste Erfahrungen nach Reiseerleichterungen (4.6.–31.7.)

17. August 1972
Information Nr. 770/72 über erste Erfahrungen seit dem Inkrafttreten der Vereinbarung zwischen der Regierung der DDR und dem Westberliner Senat über Erleichterungen und Verbesserungen im Reise- und Besucherverkehr sowie dem Abkommen zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der BRD über den Transit von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Westberlin (Zeitraum: 4. Juni bis 31. Juli 1972)

Die seit dem Inkrafttreten der vorgenannten Vereinbarung mit dem Westberliner Senat1 sowie des Transitabkommens2 mit der Regierung der BRD bisher gesammelten Erfahrungen bestätigen, dass die eingeleiteten Maßnahmen sich bewährt haben und voll wirksam sind.

Durch das enge und kameradschaftliche Zusammenwirken zwischen den Schutz- und Sicherheitsorganen und den anderen staatlichen Organen und Institutionen konnten alle im Zusammenhang mit dem Besucher- und Transitverkehr zu bewältigenden Aufgaben bisher erfolgreich gelöst und die öffentliche Ordnung und Sicherheit in der DDR jederzeit voll gewährleistet werden.

1. Entwicklung der Antragstellung auf Einreise Westberliner Bürger in die DDR

Seit Inkrafttreten der Reise- und Besuchervereinbarung am 4.6.1972 wurden bis 31.7.1972 für insgesamt 380 896 Westberliner Bürger einschließlich Kinder bis zu 16 Jahren Einreisen in die DDR beantragt, davon 160 367 (= 42 %) durch DDR-Bürger bei den Dienststellen des Pass- und Meldewesens bzw. den örtlichen Räten der Städte und Gemeinden, 218 669 (= 57,4 %) durch Westberliner Bürger in den Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten,3 1 860 (= 0,6 %) durch Westberliner Bürger für sofortige Einreisen aus dringenden familiären und humanitären Gründen.

(Anmerkung: Es wird darum gebeten zu beachten, dass letztmalig am 19.7.1972 in den DDR-Publikationsorganen4 Zahlen veröffentlicht wurden, die über den in dieser Information enthaltenen objektiven Zahlen liegen.)

Die Antragstellung von Westberliner Bürgern auf Einreise in die DDR weist eine ständig steigende Tendenz auf. Während im Juni 1972 163 714 Einreisen beantragt wurden, erhöhte sich die Zahl der Antragstellungen im Monat Juli 1972 auf 217 182. Das bedeutet eine Steigerung um 32 %.

In der Gesamtzahl der vom 4.6. bis 31.7.1972 gestellten Anträge (380 896) auf Einreisen Westberliner Bürger in die DDR sind 17 069 Anträge enthalten, die bereits im Juli für beabsichtigte Einreisen in den Monaten August/September bzw. Oktober gestellt wurden.

Im Ergebnis der Bearbeitung der Anträge wurden vom 4.6.1972 bis zum. 31.7.1972 für insgesamt 365 904 Westberliner Bürger einschließlich Kinder bis zu 16 Jahren Einreisen in die DDR genehmigt, davon im Monat Juni 151 653 und im Monat Juli 214 251.

Insgesamt 1 573 (= 0,4 %) der beantragten Einreisen wurden aufgrund des Vorliegens von Ablehnungsgründen nicht genehmigt.

Die nachstehende Aufgliederung der genehmigten Einreisen Westberliner Bürger in die DDR nach territorialen Schwerpunkten ergibt folgende Übersicht:

Bezirk

Gesamt

davon Monat Juni

davon Monat Juli

prozentualer Anteil genehmigter Einreise[n] insgesamt

Hauptstadt Berlin

265 378

123 150

142 228

72,5 %

Potsdam

36 915

9 295

27 620

10,1 %

Frankfurt/Oder

12 598

3 788

8 810

3,4 %

Cottbus

7 742

2 210

5 532

2,1 %

Halle

6 074

2 044

4 030

1,7 %

Dresden

6 131

1 893

4 238

1,7 %

Hinsichtlich der Aufenthaltsdauer konzentrieren sich 71,6 % aller genehmigten Einreisen auf einen eintägigen touristischen Aufenthalt in der DDR, 21,4 % auf einen Aufenthalt von zwei bis zehn Tagen und 7 % auf einen Aufenthalt in der DDR von mehr als zehn Tagen.

Die eintägigen touristischen Einreisen Westberliner Bürger konzentrieren sich schwerpunktmäßig auf die Hauptstadt Berlin sowie die Bezirke Potsdam und Frankfurt/Oder.

Im Monat Juli ist der prozentuale Anteil des zwei- bis zehntägigen bzw. über zehn Tage dauernden Aufenthaltes im Vergleich zum Monat Juni um durchschnittlich sieben gestiegen, was offensichtlich im Zusammenhang mit dem Urlaubsaufenthalt zahlreicher Westberliner Bürger in der DDR zu sehen ist.

Die Tätigkeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin verlief bisher im Wesentlichen zügig und reibungslos. Seit Inkrafttreten der Reise- und Besuchervereinbarung am 4.6.1972 wurden von den zuständigen Organen der DDR umfassende Maßnahmen zur Verkürzung der Bearbeitungsfristen, besonders für die in den Westberliner Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten gestellten Anträge auf Einreise in die DDR realisiert.

Seit dem 19.6.1972 erfolgt die Bearbeitung der in den Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten durch Westberliner Bürger gestellten Anträge auf eintägige Einreisen im Zeitraum von durchschnittlich 48 Stunden.

Das seit dem 4.6.1972 eingeführte verkürzte Bearbeitungs- und Genehmigungsverfahren (durchschnittlich 24-stündige Bearbeitungszeit) wurde bei der Bearbeitung von ca. 3 100 Anträgen auf Einreise in die DDR angewandt.

51 Anträge wurden auf der Grundlage des seit dem 10.7.1972 eingeführten vierstündigen Bearbeitungs- und Genehmigungsverfahrens bearbeitet.

Daraus ergibt sich, dass von den Möglichkeiten der Antragstellung durch Westberliner Bürger, bei denen ein vierstündiges Bearbeitungs- und Genehmigungsverfahren angewandt wird, bisher nur in sehr geringem Umfang Gebrauch gemacht wurde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Gründe der Westberliner Antragsteller bei Inanspruchnahme eines vierstündigen Bearbeitungs- und Genehmigungsverfahrens im Wesentlichen denen entsprechen, die bei Soforteinreisen aus dringenden familiären und humanitären Gründen in Betracht gezogen werden.

Diese Feststellungen lassen erkennen, dass die übergroße Mehrzahl der Westberliner Antragsteller die von den zuständigen Organen der DDR praktizierten verkürzten Bearbeitungsfristen (durchschnittlich 48 bzw. 24 Stunden) als völlig ausreichend anerkennen.

2. Ergebnisse der Abfertigung und Abwicklung des Reise- und Besucherverkehrs Westberliner Bürger in der DDR

Seit Inkrafttreten der Vereinbarungen über Erleichterungen und Verbesserungen im Reise- und Besucherverkehr wurden bis einschließlich 31.7.1972 insgesamt 300 802 Westberliner Bürger einschließlich Kinder bis zu 16 Jahren und 40 283 Kraftfahrzeuge zur Einreise in die DDR abgefertigt.

Davon waren im Monat Juni 1972 94 350 Personen und 13 723 Kfz und im Monat Juli 1972 206 452 Personen und 26 560 Kfz in die DDR eingereist.

(Anmerkung: Objektive Zahlen, die nicht mit den in der Presse veröffentlichten Zahlen übereinstimmen.)

Seit dem Inkrafttreten der Reise- und Besuchervereinbarungen wurden damit 86 % der erteilten Genehmigungen für Einreisen Westberliner Bürger in die DDR genutzt.

Die im Berichtszeitraum festzustellende ansteigende Tendenz der Einreisen widerspiegelt sich besonders im Wochenendverkehr.

Während an den Werktagen durchschnittlich 3 000, freitags bis 6 000 Westberliner Bürger über die Grenzübergangsstellen in die DDR einreisten, erfolgten an den Wochenenden (Sonnabend/Sonntag) täglich zwischen 11 000 bis 20 000 Einreisen. Schwerpunkteinreisetag im Wochenendverkehr ist der Sonnabend.

Dazu folgende Übersicht des Wochenendverkehrs im Monat Juli 1972:

Erfolgte Einreisen am:

Anzahl der Personen

Anzahl der Kfz

Sonnabend, 1.7.1972

15 112

2 039

Sonntag, 2.7.1972

11 337

1 654

Sonnabend, 8.7.1972

19 525

2 595

Sonntag, 9.7.1972

10 767

1 544

Sonnabend, 15.7.1972

21 528

2 727

Sonntag, 16.7.1972

11 626

1 745

Sonnabend, 22.7.1972

19 549

2 403

Sonntag, 23.7.1972

11 065

1 780

Sonnabend, 29.7.1972

20 710

2 886

Sonntag, 30.7.1972

10 382

1 542

Die größte Frequenz der Abfertigung des Ein- und Ausreiseverkehrs Westberliner Bürger war über die Grenzübergangsstellen Bahnhof Friedrichstraße, Bornholmer Straße, Rudower Chaussee, Drewitz und Staaken zu verzeichnen.

Die Abfertigung und Abwicklung des Ein- und Ausreiseverkehrs Westberliner Bürger verlief an allen Grenzübergangsstellen zwischen der DDR und Westberlin zügig und ohne wesentliche Vorkommnisse.

Von den Möglichkeiten einer Touristenreise unter Inanspruchnahme von Reisebüroleistungen haben im Zeitraum vom 4.6. bis 31.7.1972 nur 553 Westberliner Bürger Gebrauch gemacht. Davon beteiligten sich 89 Personen an Stadtrundfahrten in der Hauptstadt der DDR, 444 Personen an insgesamt 18 Tagesfahrten bzw. Rundfahrten (Potsdam, Dresden, Spreewald, Harz), 20 Westberliner Bürger reisten als Einzeltouristen mit Inanspruchnahme von Reisebüroleistungen in die DDR ein.

Die relativ geringe Auslastung der durch Westberliner Reiseunternehmen angebotenen Tagesfahrten bzw. mehrtägigen Rundreisen, besonders nach Dresden und in den Harz, ist ursächlich bedingt durch die von Westberliner Seite veranschlagten hohen Kosten. Aus diesem Grunde sind auch mehrere geplante Fahrten storniert worden.

Dauerreglung5

Zahlreiche Westberliner Bürger äußerten sich während ihres Aufenthaltes in der DDR anerkennend über die reibungslose und rasche Bearbeitung der Einreiseanträge und über die korrekte Behandlung durch die Kontrollkräfte der DDR an den Grenzübergangsstellen.

Im Zusammenhang mit den Einreisen Westberliner Bürger in die DDR seit Inkrafttreten der Vereinbarung über den Reise- und Besucherverkehr wurde den Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR u. a. Folgendes bekannt:

  • Zahlreiche Westberliner Bürger wurden besonders in den Randgebieten der Hauptstadt der DDR sowie im Bezirk Potsdam und Frankfurt/Oder bei den örtlichen Staatsorganen vorstellig, um Erkundigungen über ihre ehemaligen Grundstücke einzuholen.

  • In einigen Fällen äußerten sie die Absicht, diese Häuser künftig wieder als Wochenendgrundstücke zu nutzen. Vereinzelt erhoben Westberliner Bürger mündlich bzw. schriftlich Forderungen nach Ausstellung von Bescheinigungen über den Einheitswert der Grundstücke. Letzteres wurde mit der Spekulation verknüpft, dass der Westberliner Senat in weiteren Verhandlungen mit der DDR die Zahlung einer Entschädigungssumme an die ehemaligen Besitzer derartiger Grundstücke durch die DDR erreichen wolle.

  • Derartige mündliche oder schriftliche Anfragen bzw. Forderungen wurden von den zuständigen örtlichen Organen abschlägig beantwortet.

  • Es ist jedoch festzustellen, dass die dabei angewandte Verfahrensweise nicht immer einheitlich ist.

  • Weiter wurde bekannt, dass wiederholt Bürger der DDR in der Absicht, mit ihren Westberliner Besuchern in im Bezirk Potsdam gelegenen Betriebsferienheimen gemeinsam den Urlaub zu verbringen, sich schriftlich an die zuständigen örtlichen Organe des Bezirkes mit der Bitte wandten, Einreisegenehmigungen für ihre Westberliner Verwandten bzw. Bekannten zu erwirken.

  • Den betreffenden DDR-Bürgern wurde mitgeteilt, dass derartige Wünsche nicht berücksichtigt werden können.

3. Entwicklung des Transitverkehrs von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin (West)

Seit Inkrafttreten des Abkommens über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin (West) am 4.6.1972 wurden bis einschließlich 31.7.1972 2 098 435 Personen (1 766 578*) und 727 485 Kraftfahrzeuge (539 535*) im Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin abgefertigt, davon im Monat Juni 801 213 Personen (680 907*) und 288 023 Kfz (220 433*) sowie [im] Monat Juli 1 297 222 Personen (1 085 671*) und 439 462 Kfz (319 102*).

[* Fußnote im Original: »In Klammern Vergleichszeitraum des Jahres 1971«]

Daraus ergibt sich für Monat Juli 1972 gegenüber dem Vormonat (Juni 1972) eine Steigerungsquote im Personenverkehr um 62 % und im Fahrzeugverkehr um 52,6 %.

Der Gesamtumfang des Transitverkehrs zwischen der BRD und Westberlin erhöhte sich seit Inkrafttreten des Transitabkommens vom 4.6.1972 bis 31.7.1972 gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres bei den am Transitverkehr beteiligten Personen um 18,7 % und bei Kraftfahrzeugen um 34,8 %.

Damit setzt sich die bereits seit Jahresbeginn steigende Tendenz der Beteiligung von Bürgern der BRD und Westberlins am Transitverkehr weiter fort. Das findet seinen Ausdruck vor allem im Transitverkehr mit Pkw und Autobussen, wo mit Beginn der Urlaubssaison und besonders ab Mitte Juli aufgrund der Schulferien – bedingt durch die erleichterte und vereinfachte Abfertigung und die Visagebührenfreiheit für Bürger der BRD und Westberlins – verstärkt von den günstigen Transitmöglichkeiten Gebrauch gemacht wird.

An dem Transitverkehr waren beteiligt:

1 198 870 Bürger Westberlins

(= 57,1% aller Transitreisenden)

696 152 Bürger der BRD

(= 33,2 % aller Transitreisenden)

160 252 Bürger aus nichtsozialistischen Staaten

(= 7,6 % aller Transitreisenden)

43 161 Bürger sozialistischer Staaten

(= 2,1 % aller Transitreisenden)

Die mit Abstand größten Verkehrsströme im Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin entstanden jeweils an den Wochenenden.

Dazu folgende Übersicht (Monat Juli 1972):

Sonnabend/Sonntag

Personen

Kfz

1./2.7.1972

97 243

32 358

8./9.7.1972

103 591

34 835

15./16.7.1972

105 645

35 633

22./23.1972

98 289

33 248

29./30.1972

130 964

38 551

Damit konzentrierten sich ca. 48 % aller im Juli 1972 im Transitverkehr gereisten Personen und ca. 40 % aller Kraftfahrzeuge auf die vorgenannten Wochenenden.

Rund 18 % der Transportmittel im Straßengüterverkehr wurden im Berichtszeitraum nach Artikel 6 des Transitabkommens (Zollverschluss)6 abgefertigt.

Die Abfertigung und Abwicklung des Transitverkehrs an den Grenzübergangsstellen der DDR und auf den Transitstrecken erfolgte zügig und im Wesentlichen reibungslos.

4. Feststellungen über Missbrauchshandlungen entsprechend Artikel 167 und anderweitige Verstöße gegen das Transitabkommen durch westdeutsche und Westberliner Transitreisende

Durch das Ministerium für Staatssicherheit wurden im engen Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR seit dem Inkrafttreten des Transitabkommens am 4.6.1972 umfangreiche Feststellungen über Missbrauchshandlungen im Sinne des Artikels 16 und andere Verstöße gegen das Transitabkommen getroffen.

Dabei handelt es sich im Zeitraum des Inkrafttretens am 4.6.1972 bis zum 31.7.1972 um folgende Verletzungen des Transitabkommens:

Verbreitung oder Aufnahme von Materialien (Artikel 16a)

Insgesamt wurden acht Fälle bekannt.

Es handelt sich dabei überwiegend um die Übergabe von Materialien an DDR-Bürger durch Transitreisende auf Parkplätzen bzw. in Raststätten. (Geschenkartikel, Zahlungsmittel, in Einzelfällen pornografische Literatur und Zeitungen/Zeitschriften der BRD/WB.)

Aufnahme von DDR-Bürgern auf allen Transitwegen (Artikel 16b)

Insgesamt wurden 67 Fälle bekannt.

Bei den durch Transitreisende aufgenommenen DDR-Bürgern handelt es sich vorrangig um Schüler und Studenten, die »per Anhalter« durch die DDR reisen bzw. von ihrem Studienort aus in die Heimatorte zu fahren beabsichtigten.

DDR-Bürger erklärten wiederholt bei Befragungen durch die DVP, keine Kenntnis davon zu haben, dass Transitreisende keine DDR-Bürger aufnehmen dürfen und sie sich deshalb keiner falschen Verhaltensweise bewusst gewesen seien.

Verlassen der vorgesehenen Transitwege, ohne durch besondere Umstände oder durch Erlaubnis dazu veranlasst zu sein (Artikel 16c)

Insgesamt wurden 16 Fälle bekannt.

Gründe für das Verlassen der Transitstrecken sind überwiegend:

  • der Besuch von Verwandten oder Bekannten in der DDR,

  • der Besuch von in der Nähe der Transitstrecke gelegenen Erholungsgebieten und Sehenswürdigkeiten,

  • das Aufsuchen von Gaststätten,

  • das angebliche Übersehen der Hinweisschilder auf der Transitstrecke.

Bei der Befragung durch die DVP äußerten mehrere Transitreisende, keine Kenntnis vom Verbot des Verlassens der Transitstrecken zu besitzen.

Andere Straftaten (Artikel 16d)

Durch die zuständigen Organe des MfS wurden in fünf Fällen versuchte Personenschleusungen mit insgesamt zwölf Personen, darunter sechs polnische und sechs DDR-Bürger, verhindert.

Die Schleusungen sollten mittels Verstecks in Kraftfahrzeugen nach der BRD bzw. nach Westberlin erfolgen.

In drei Fällen ist erwiesen, dass derartige Personenschleusungen durch Westberliner Menschenhändlerorganisationen organisiert worden waren.

Gegen die an den versuchten Personenschleusungen Beteiligten wurden Ermittlungsverfahren mit Haft entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen der DDR eingeleitet.

Der Bundesminister des Innern der BRD und der Senator für Inneres in Westberlin wurden vom Generalstaatsanwalt der DDR entsprechend den Festlegungen im Transitabkommen informiert.

In zwei weiteren Fällen beabsichtigten zwei in Schweden wohnhafte staatenlose Bürger insgesamt vier Personen (polnische Bürger) unter Missbrauch von Fremdenpässen – auf der Grundlage des Ähnlichkeitsprinzips – nach Westberlin auszuschleusen.8

Die an der versuchten Ausschleusung beteiligten staatenlosen Bürger (Zigeuner) wurden ohne gerichtliches Hauptverfahren in ihre Aufenthaltsländer ausgewiesen.

Die zur Schleusung vorgesehenen polnischen Bürger wurden an die zuständigen polnischen Organe übergeben.

Halten und Parken durchgehender Autobusse auf nicht dafür vorgesehenen Parkplätzen, ohne dass dazu außergewöhnliche Ereignisse vorlagen (Artikel 10)9

Insgesamt wurden 87 Fälle bekannt.

Das unerlaubte Parken durchgehender Autobusse erfolgte überwiegend auf Rastplätzen mit in der Nähe befindlichen Raststätten. Schwerpunkte bilden die Rastplätze

  • Hermsdorfer Kreuz, Bezirk Gera,

  • Michendorf, Bezirk Potsdam,

  • Börde, Bezirk Magdeburg.

Die Reiseleiter bzw. Fahrer der unerlaubt parkenden Autobusse begründeten den Aufenthalt auf diesen Rastplätzen mit der Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Serviceleistungen und Esseneinnahme durch die Insassen der Autobusse.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die im Transitabkommen festgelegten Rastplätze für durchgehende Autobusse nicht den an sie gestellten Anforderungen entsprechen. Der Ausbau dieser Rastplätze wird deshalb als dringend erforderlich erachtet.

Begangene Ordnungswidrigkeiten durch Verletzung von Straßenverkehrsvorschriften (Artikel 16e)

Seit Inkrafttreten der Vereinbarung bzw. des Transitabkommens ist bei Transitreisenden ein ständiges Ansteigen von Ordnungswidrigkeiten durch Verletzung der Straßenverkehrsvorschriften der DDR festzustellen.

So sind in der Zeit vom 4.6. bis 31.7.1972 durch Westberliner und westdeutsche Transitreisende insgesamt 93 Verkehrsunfälle schuldhaft verursacht worden. Dabei wurden acht Bürger der BRD bzw. Westberlins getötet und 92 verletzt.

Wesentliche Ursachen dieser Verkehrsunfälle waren

  • überhöhte Geschwindigkeit,

  • Fahren unter Alkoholeinfluss,

  • Nichtbeachtung der Verkehrshinweise auf den Transitstrecken.

Im Zusammenhang mit begangenen Ordnungswidrigkeiten u. a. Verstößen gegen geltende Bestimmungen der DDR durch Transitreisende wurden durch die Organe der DVP in 1 876 Fällen Ordnungsstrafen verhängt, in 5 282 Fällen Ordnungsgeld erhoben und in 3 680 Fällen an Ort und Stelle Belehrungen vorgenommen.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass durch Westberliner Besucher, die im Rahmen der Reise- und Besuchervereinbarung einreisten, im Berichtszeitraum 26 Verkehrsunfälle in der DDR schuldhaft verursacht wurden.

Wegen begangener Ordnungswidrigkeiten durch Westberliner Besucher wurden insgesamt

  • in 53 Fällen Ordnungsstrafen ausgesprochen,

  • in 548 Fällen Ordnungsgeld erhoben und

  • in 295 Fällen erfolgten Belehrungen an Ort und Stelle.

In einigen Fällen wurden auf den Transit-Binnenwasserstraßen der DDR Verstöße gegen die Bestimmungen des Transitabkommens festgestellt.

Derartige Handlungen waren:

  • Durchführung von Zusammenkünften mit DDR-Bürgern,

  • Aufnahme von DDR-Bürgern auf Binnenschiffen,

  • unberechtigtes Anlegen an solchen Stellen, die im Transitabkommen nicht als Feierabend- oder Liegeplätze festgelegt wurden,

  • Überschreitung der Landgangzeit,

  • Verstöße gegen allgemeingültige Prinzipien des Verkehrs auf den Binnenwasserstraßen.

  • (Fahren unter Alkoholeinfluss, Befahren von Schleusenanlagen, ohne im Besitz von erforderlichen Befähigungszeugnissen zu sein.)

Die Abfertigung auf den Transitstrecken/Eisenbahn verlief seit Inkrafttreten des Transitabkommens im Wesentlichen reibungslos.

Die zahlreich aufgetretenen Zugverspätungen bei Reisezügen wurden überwiegend durch die Bundesbahn verursacht. (Pünktliche Übergabe der Reisezüge durch die Deutsche Reichsbahn an die Bundesbahn durchschnittlich 90 %, pünktliche Übernahme von der Bundesbahn durchschnittlich 40 %.)

Beachtenswert ist die relativ hohe Anzahl außerplanmäßiger Halte von Transitreise- und Güterzügen auf dem Territorium der DDR.

Allein im Zeitraum vom 4.6.1972 bis 30.6.1972 entfielen auf 852 im Transit verkehrende Züge 172 außerplanmäßige Halte. Die Gesamtzahl (4.6. bis 31.7.1972) betrug 362.

Die Ursachen derartiger außerplanmäßiger Halte sind hauptsächlich auf betriebstechnische Störungen zurückzuführen bzw. sind das Resultat der verspäteten Übergabe der Züge durch die Bundesbahn und die dadurch entstandenen Folgeverspätungen.

Die Untersuchungen des MfS ergaben, dass die Begehung von Missbrauchshandlungen und anderer Verstöße auf allen Transitwegen und -strecken gegen die Bestimmungen des Transitabkommens DDR – BRD vielfach im engen Zusammenhang mit erfolgten Kontaktaufnahmen und geplanten Zusammenkünften zwischen Transitreisenden und Bürgern der DDR steht.

In letzter Zeit wurde wiederholt festgestellt, dass einige Transitreisende aus der BRD bzw. Westberlins, die wegen begangener Ordnungswidrigkeiten von Angehörigen der Sicherheitsorgane der DDR vorgenommenen Kontrollhandlungen und erhobenen Sanktionen nicht anerkennen.

Mit dem Argument, »Transitwege seien Bundesstraßen, auf denen die Volkspolizei nichts zu sagen habe«, und unter dem Vorwand, kein Geld bei sich zu haben, wird die Zahlung von Ordnungsstrafen verweigert.

In derartigen Fällen erfolgt durch die Kontrollkräfte der DVP die Ausstellung einer Ordnungsstrafverfügung.

Da gegenwärtig weder die allgemein üblichen Vorschriften der DDR bezüglich der öffentlichen Ordnung noch die Bestimmungen des Transitabkommens weitergehende Sanktionen in derartigen Fällen vorsehen, wird diesen Transitreisenden die Weiterfahrt gestattet.

Zwischen dem Ministerium des Innern und dem Ministerium der Finanzen wird gegenwärtig die Möglichkeit der Einzahlung des jeweiligen Geldbetrages auf einer Bank in der BRD bzw. in Westberlin zugunsten der DDR und der Überweisung der entsprechenden Beträge geprüft.

Bei mehrfach begangenen Ordnungswidrigkeiten sollte konsequent davon Gebrauch gemacht werden, die betreffenden Personen zeitweilig von der Benutzung der Transitstrecken und -wege auszuschließen.

Es ist notwendig, Vorfälle der geschilderten Art in den Beratungen der gemäß Artikel 19 des Transitabkommens bestehenden Kommission10 zu behandeln und die BRD-Seite aufzufordern, dafür Sorge zu tragen, dass die Transitreisenden die im Transitabkommen festgelegten Bestimmungen, die allgemein üblichen Vorschriften der DDR und die im Artikel 16 festgelegten Sanktionen zu respektieren haben.

Im Ergebnis der von den Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR durchgeführten Prüfungshandlungen wird sichtbar, dass durch die zuständigen Organe der BRD und des Westberliner Senats auch gegenwärtig noch nicht in vollem Umfang dafür Sorge getragen wird, die am Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin beteiligten Bürger sowie Einrichtungen und Unternehmen mit dem materiellen Inhalt des Transitabkommens und den daraus resultierenden Verpflichtungen vertraut zu machen.

Dadurch wurden und werden Missbrauchshandlungen und andere Verstöße gegen das Transitabkommen begünstigt.

Das bestätigt sich u. a. auch durch die von den Grenzzollämtern der DDR getroffenen Feststellungen über Verletzungen festgelegter Pflichten durch Zolldienststellen der BRD und Westberlins, besonders den Artikel 6 des Transitabkommens (Versehen von Transportmitteln mit Zollverschlüssen) betreffend.

Die Untersuchungen des MfS ergaben, dass die Begehung von Missbrauchshandlungen und anderer Verstöße auf allen Transitwegen und -strecken gegen die Bestimmungen des Transitabkommens DDR – BRD vielfach im engen Zusammenhang mit erfolgten Kontaktaufnahmen und geplanten Zusammenkünften zwischen Transitreisenden und Bürgern der DDR steht.11

In letzter Zeit wurde wiederholt festgestellt, dass einige Transitreisende aus der BRD bzw. Westberlins, die wegen begangener Ordnungswidrigkeiten von Angehörigen der Sicherheitsorgane der DDR vorgenommenen Kontrollhandlungen und erhobenen Sanktionen nicht anerkennen.

Mit dem Argument, »Transitwege seien Bundesstraßen, auf denen die Volkspolizei nichts zu sagen habe«, und unter dem Vorwand, kein Geld bei sich zu haben, wird die Zahlung von Ordnungsstrafen verweigert.

Die Kontrollkräfte werden aufgefordert, die Strafmandate in die BRD bzw. nach Westberlin zu schicken.

Im Ergebnis der von den Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR durchgeführten Prüfungshandlungen wird sichtbar, dass durch die zuständigen Organe der BRD und des Westberliner Senats auch gegenwärtig noch nicht in vollem Umfang dafür Sorge getragen wird, die am Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin beteiligten Bürger sowie Einrichtungen und Unternehmen mit dem materiellen Inhalt des Transitabkommens und den daraus resultierenden Verpflichtungen vertraut zu machen.

Dadurch wurden und werden Missbrauchshandlungen und andere Verstöße gegen das Transitabkommen begünstigt.

Das bestätigt sich u. a. auch durch die von den Grenzzollämtern der DDR getroffenen Feststellungen über Verletzungen festgelegter Pflichten durch Zolldienststellen der BRD und Westberlins, besonders den Artikel 6 des Transitabkommens (Versehen von Transportmitteln mit Zollverschlüssen)12 betreffend.

So wurden im Zeitraum vom 4.6. bis 31.7.1972 insgesamt 878 Feststellungen der Verletzung festgelegter Verpflichtungen seitens der BRD und Westberlins getroffen.

Es handelt sich dabei um folgende typische Verstöße:

  • Das Anbringen von Zollverschlüssen, die nicht den im Transitabkommen getroffenen Vereinbarungen entsprechen

  • Nichteintragen von Zollverschlüssen in die Warenbegleitscheine

  • Eintragung von Plombennummern in Warenbegleitscheine, die nicht mit den tatsächlich angebrachten Plombennummern übereinstimmen

  • Anlegung von Zollverschlüssen ohne Vorhandensein von Warenbegleitscheinen bzw. Anlegung von Zollverschlüssen und Eintragung in den Warenbegleitschein ohne Vorhandensein von Zollverschlussanerkenntnissen.

Im Berichtszeitraum ergaben sich im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Anordnung über die Durchführung eines verbindlichen Mindestumtausches von Zahlungsmitteln für in die DDR einreisende Westberliner Bürger und Bürger der BRD dahingehend Schwierigkeiten, dass die an den Grenzübergangsstellen bzw. auf den Grenzbahnhöfen eingerichteten Filialen der Industrie- und Handelsbank der DDR – mit Ausnahme einiger Schwerpunkt-Grenzübergangsstellen – nur kurzzeitig geöffnet bzw. aufgrund des Personalmangels unterbesetzt blieben, sodass die Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches13 nicht in allen Fällen gewährleistet werden konnte.

Entsprechenden Hinweisen des MfS zufolge wurden durch die Industrie- und Handelsbank der DDR die erforderlichen Maßnahmen zur Überwindung o. g. Schwierigkeiten eingeleitet.

Anlage zur Information Nr. 770/72

Anhang

In der Tagespresse der DDR vom 19.7.1972 wurden folgende Zahlenangaben zu Einreisen Westberliner Bürger in die DDR veröffentlicht:

Beantragte Einreisen in die DDR seit Inkrafttreten der Reise- und Besuchervereinbarung am 4.6.1972 bis 11.7.1972: 544 109.

Erfolgte Einreisen in der Zeit vom 4.6.1972 bis 16.7.1972: 263 049.

Westberliner Tageszeitungen berichteten am 5.8.1972 (»Die Welt«,14 »Morgenpost«)15 unter Bezugnahme auf Veröffentlichungen des Westberliner Senats, dass seit dem 4.6.1972 ca. 750 000 Anträge auf Einreise in die DDR gestellt wurden und ca. 400 000 Westberliner Bürger in die DDR einreisten.

(Die in der Westberliner Presse genannte Zahl der Einreisen beruht mit auf der von der DDR dem Westberliner Senat Anfang August mit Stand vom 21.7.1972 als Abrechnungsgrundlage für die Visagebühren übermittelten Zahl von 291 665.)

  1. Zum nächsten Dokument Situation auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld

    17. August 1972
    Information Nr. 779/72 über die derzeitige Situation auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld

  2. Zum vorherigen Dokument Probleme im Ministerium des Innern und seinen Organen

    16. August 1972
    Hinweise zu grundsätzlichen Problemen der Situation im Ministerium des Innern und einigen nachgeordneten Organen [K 2/4a]