Erste Erkenntnisse nach Reiseerleichterungen
13. Juni 1972
Information Nr. 566/72 über erste Ergebnisse und Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Vereinbarung zwischen der Regierung der DDR und dem Senat über Erleichterungen und Verbesserungen des Reise- und Besucherverkehrs sowie dem Abkommen zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der BRD über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin (West)
1. Entwicklung der Antragstellung auf Einreise Westberliner Bürger in die DDR
Seit Inkrafttreten der Reise- und Besuchervereinbarung1 wurden bis einschließlich 11.6.1972 insgesamt 28 243 Einreisen Westberliner Bürger in die DDR beantragt, davon 7 846 durch DDR-Bürger bei den Dienststellen des Pass- und Meldewesens und den örtlichen Räten der Städte und Gemeinden, 19 303 durch Westberliner Bürger in den Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten,2 1 094 durch Westberliner Bürger für sofortige Einreisen aus dringenden familiären und humanitären Gründen.
Im Ergebnis der Bearbeitung der gestellten Anträge wurden bis zum 11.6.1972 für insgesamt 28 167 Westberliner Bürger, einschließlich Kinder bis zu 16 Jahren, Einreisen in die DDR genehmigt; davon bisher für den Monat Juni Einreisen für 25 175 Westberliner Bürger.
Aus der bisherigen Entwicklung der Antragstellung auf Einreisen Westberliner Bürger in die DDR ist zu erkennen, dass von den bisher insgesamt für [den] Monat Juni genehmigten Einreisen
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20 611 Einreisen (= 81,5 %) auf einen eintägigen touristischen Aufenthalt in der DDR
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4 204 Einreisen (= 17 %) auf einen Aufenthalt von zwei bis zehn Tagen und
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360 Einreisen (= 1,5 %) auf einen Aufenthalt von über zehn Tagen in der DDR
entfallen.
Im Zeitraum vom 4. bis 11.6.1972 wurden 76 beantragte Einreisen aufgrund des Vorliegens von Ablehnungsgründen nicht genehmigt.
Ausgehend von den bisher für Monat Juni genehmigten 25 175 Einreisen Westberliner Bürger in die DDR ergeben sich für die absehbaren Reise- und Verkehrsströme und in der Belastung der Grenzübergangsstellen bei der Abfertigung der einreisenden Westberliner Bürger zur Weiterfahrt bzw. Weiterreise in die Bezirke der DDR keine Schwerpunkte.
Mit der seit Inkrafttreten der Reise- und Besuchervereinbarung bisher höchsten Einreise ist am 17. Juni 1972 zu rechnen. Für diesen Tag wurden bis einschließlich 11.6.1972 für 5 434 Westberliner Bürger Einreisen in die DDR genehmigt.
Territoriale Schwerpunkte der bisher für [den] Monat Juni genehmigten Einreisen Westberliner Bürger bilden
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die Hauptstadt der DDR mit 22 935 Personen
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Bezirk Potsdam mit 654 Personen
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Bezirk Frankfurt (Oder) mit 211 Personen.
Das entspricht 94 % aller für [den] Monat Juni genehmigten Einreisen in die DDR.
Für die Zeit vom 1. Juli bis 11. September 1972 wurden bisher für insgesamt lediglich 2 992 Westberliner Bürger Einreisen in die DDR genehmigt.
2. Erste Ergebnisse der Abfertigung und Abwicklung des Reise- und Besucherverkehrs Westberliner Bürger in die DDR
Im Zeitraum vom 4.6. bis 11.6.1972 reisten 5 973 Westberliner Bürger, einschließlich Kinder bis zu 16 Jahren, und 1 025 Kraftfahrzeuge in die DDR ein.
Damit haben 87 % der Westberliner Bürger, die für diese Zeit eine Einreisegenehmigung in die DDR erhalten hatten, von der Besuchsmöglichkeit in der DDR Gebrauch gemacht.
Die Abfertigung der Westberliner Bürger in den Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten verläuft kontinuierlich und ohne größere Wartezeiten.
Lediglich am ersten Öffnungstag (4.6.1972) nach Inkrafttreten der Vereinbarung war ein außerordentlich starker Besucherandrang zu verzeichnen, der sich aus der falschen Auslegung der Vereinbarung über angebliche Soforteinreisen in die DDR ergab.
In der Folgezeit sank der Prozentsatz der Anträge auf Soforteinreisen ständig. Die Hinweise der DDR-Mitarbeiter auf die in der Vereinbarung enthaltene Bearbeitungszeit wurden ohne Diskussion zur Kenntnis genommen und größtenteils Einreisen für spätere Zeiträume beantragt.
Eine Reihe Westberliner Bürger, deren Einreiseanträge durch die zuständigen Organe der DDR abgelehnt wurden, stellten Fragen nach den konkreten Ablehnungsgründen.
Die Antragstellung durch DDR-Bürger bei den dafür vorgesehenen Organen der Deutschen Volkspolizei und den Räten der Städte und Gemeinden verlief bisher reibungslos.
3. Entwicklung des Transitverkehrs von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin (West)
Seit dem Inkrafttreten des Transitabkommens3 am 4. Juni 1972, 00.01 Uhr, wurden an den Grenzübergangsstellen der DDR bis einschließlich 11.6.1972 insgesamt 232 945 Personen und 81 182 Kraftfahrzeuge im Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin abgefertigt.
Unter den in diesem Transitverkehr abgefertigten Personen befanden sich
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129 756 Bürger Westberlins = (56 % aller Transitreisenden)
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85 287 Bürger der BRD (= 37 %), sowie
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17 902 Transitreisende (= 7 %) aus sozialistischen und nichtsozialistischen Staaten.
Der Gesamtumfang des Transitverkehrs zwischen der BRD und Westberlin entsprach an den Wochentagen vom 5. bis 8.6.72 in etwa dem Umfang des vergleichbaren Zeitraumes im Vorjahr; während im Wochenendverkehr vom 9. bis 11.6.1972 gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres eine Steigerung um 30 % zu verzeichnen war.
Die bisherige Abfertigung und Abwicklung des Transitverkehrs an den Grenzübergangsstellen der DDR und auf den Transitstrecken erfolgte zügig und im Wesentlichen reibungslos.
In der Abfertigung des Transitverkehrs von zivilen Gütern zwischen der BRD und Westberlin konnte das in Artikel 6 des Transitabkommens festgelegte vereinfachte Verfahren4 für die Abfertigung zollverschlusssicher eingerichteter Transportmittel bisher nur im geringen Umfang angewandt werden, da seitens der zuständigen Organe der BRD die dafür festgelegten Voraussetzungen noch nicht in vollem Umfang geschaffen wurden.
Seit Inkrafttreten des Transitabkommens wurden 12,3 % aller Straßengüterfahrzeuge und 6,9 % aller Binnenschiffe gemäß Artikel 6 des Transitabkommens abgefertigt.
Wiederholt musste festgestellt werden, dass zollverschlusssicher eingerichtete Transportmittel von den Zolldienststellen der BRD
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trotz vorliegender Anträge zurzeit keine Verschlussanerkenntnisse erhalten;
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trotz Vorliegen von Verschlussanerkenntnissen und Stellung des erforderlichen Antrages keine Verschlüsse angelegt erhalten.
Damit wird den beteiligten Unternehmen die Inanspruchnahme der Vergünstigungen des Artikels 6 des Abkommens noch vorenthalten.
In anderen Fällen widersprechen die von den Zolldienststellen der BRD praktizierten Verfahrensweisen den Festlegungen des Transitabkommens und sind geeignet, den Missbrauch des Transitverkehrs zu begünstigen.
Das bezieht sich beispielsweise auf solche Feststellungen,
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dass an Transportmitteln, die eine Verschlussanerkenntnis haben, aber nicht verschlusssicher eingerichtet sind, durch die BRD-Zollstellen Verschlüsse angelegt und im Warenbegleitschein eingetragen werden;
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dass an verschlusssicher eingerichteten Transportmitteln, für die Verschlussanerkenntnisse vorliegen, von den BRD-Zollstellen Verschlüsse angelegt und eingetragen werden, obwohl die Verschlusssicherheit nicht gewährleistet ist;
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dass an verschlusssicher eingerichteten Transportmitteln für die Verschlussanerkenntnisse vorliegen, von den BRD-Zollstellen Verschlüsse angelegt, aber andere Verschlüsse im Warenbegleitschein eingetragen werden;
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dass die BRD-Zollstellen an Transportmitten Verschlüsse anlegen, obwohl für diese kein oder ein zeitlich ungültiges Verschlussanerkenntnis vorliegt.
Seitens der DDR wurde in solchen Fällen den Transportführern die Möglichkeit eingeräumt, im Interesse der reibungslosen Abfertigung und Abwicklung des Transitverkehrs zu entscheiden, ob sie zur Regulierung der Mängel in die BRD zurückfahren oder sich der Kontrolle nach Artikel 20 des Abkommens unterziehen wollen.
Bei fehlenden Verschlussanerkenntnissen wurden die Transportmittel – wenn deren verschlusssichere Einrichtung gegeben war – in entgegenkommenderweise nach Artikel 6 des Abkommens behandelt.
Seit Inkrafttreten des Transitabkommens wurden bereits eine Reihe von Feststellungen über Missbrauchshandlungen entsprechend Artikel 165 und anderweitige Verstöße gegen das Transitabkommen festgestellt, wie z. B.
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die Auf- und Mitnahme von DDR-Bürgern in Kraftfahrzeugen von Transitreisenden,
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das Verlassen der vorgesehenen Transitwege und
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die Begehung von Ordnungswidrigkeiten durch Verletzung der Straßenverkehrsvorschriften der DDR,
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das unberechtigte Halten und Parken von durchgehenden Autobussen auf dafür nicht vorgesehenen Rastplätzen.
Im Ergebnis der vorgenommenen Prüfungshandlungen wurden die betreffenden Transitreisenden größtenteils belehrt und in einigen Fällen – wie z. B. schuldhaft verursachter schwerer Verkehrsunfälle – Sanktionen in Form der Erhebung von Ordnungsgeld ausgesprochen.
Wiederholt wurde bei derartigen Missbrauchshandlungen festgestellt, dass die am Transit beteiligten Bürger der BRD und Westberlins durch die zuständigen Organe der BRD und Westberlins noch nicht im erforderlichen Umfang von den Festlegungen im Transitabkommen und den daraus resultierenden Verpflichtungen informiert wurden.
In der Zeit vom 4. bis 11. Juni 1972 wurden durch die Kontrollorgane an den Grenzübergangsstellen der DDR insgesamt
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81 Erlaubnisse zur Mitführung von Funksendeanlagen und Funksprechgeräten sowie
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drei Erlaubnisse zur Durchfuhr von Waffen und Munition erteilt.