Erwartete Einreisen Westberliner nach Berlin
27. März 1972
Information Nr. 290/72 über die im Zusammenhang mit der Geste des guten Willens zu erwartenden Einreisen Westberliner Bürger in die Hauptstadt der DDR und einige damit verbundene Probleme der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit
Nach dem bisherigen Stand des Antrags- und Genehmigungsverfahrens zur Einreise Westberliner Bürger in die DDR1 in der Zeit vom 29.3. bis 5.4.1972 wurden bisher für insgesamt 301 994 Westberliner Bürger (einschließlich Kinder unter 16 Jahren) Einreisen in die Hauptstadt der DDR beantragt. Darunter befinden sich 19 249 Anträge für eine Einreise mit Kfz in die Hauptstadt.
Aus der bisherigen Gesamtübersicht über die beabsichtigten Einreisen ist ersichtlich, dass fast zwei Drittel der insgesamt in die DDR einreisenden Westberliner Bürger in die Hauptstadt Berlin einzureisen beabsichtigen.
Die Berechtigungen für die Einreise Westberliner Bürger in die Hauptstadt Berlin wurden zu ca. 60 % durch Bürger der Hauptstadt der DDR bei den VPI für einen ein- bis dreitägigen Aufenthalt in der Hauptstadt und zu ca. 40 % durch Westberliner Bürger in den Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten2 in Westberlin für einen eintägigen Aufenthalt in der Hauptstadt beantragt.
79 % der insgesamt beantragten Berechtigungen zur Einreise in die Hauptstadt konzentrieren sich auf den Zeitraum vom 31.3. (Karfreitag) bis 3.4.1972 (Ostermontag).
Für die einzelnen Tage der ersten Einreiseperiode (29.3. bis 5.4.1972) wurden bisher in folgendem Umfange Einreisen Westberliner Bürger in die Hauptstadt beantragt:
[Datum] | Personen | Kfz |
---|---|---|
29.3.1972 | 10 270 | 581 |
30.3.1972 | 11 793 | 724 |
31.3.1972 | 78 656 | 5 659 |
1.4.1972 | 59 958 | 3 629 |
2.4.1972 | 70 311 | 4 461 |
3.4.1972 | 33 202 | 2 151 |
4.4.1972 | 22 853 | 1 118 |
5.4.1972 | 14 951 | 926 |
Unter Berücksichtigung der Möglichkeiten eines ein- bis dreitägigen Aufenthaltes Westberliner Bürger ergibt sich, dass sich an den einzelnen Tagen der ersten Einreiseperiode in folgendem Umfange Westberliner Bürger (einschließlich Kinder) in der Hauptstadt aufhalten werden:
29.3.1972 | 10 270 Personen |
30.3.1972 | 14 801 Personen |
31.3.1972 | 84 822 Personen |
1.4.1972 | 89 360 Personen |
2.4.1972 | 116 522 Personen |
3.4.1972 | 57 056 Personen |
4.4.1972 | 32 386 Personen |
5.4.1972 | 21 599 Personen |
Demnach werden sich effektiv am 31.3., 1.4. und 2.4.1972 fast 300 000 Westberliner in der Hauptstadt der DDR aufhalten; das sind ca. 68 % der im ersten Besuchszeitraum in die Hauptstadt einreisenden Westberliner.
Nach unseren Erkenntnissen ist besonders an den Schwerpunkttagen 31.3. bis 3.4.1972 durch die zusätzlich zu den Westberlinern zur Einreise kommenden Bürgern, aus der BRD, dem nichtsozialistischen und dem sozialistischen Ausland – insbesondere im Zuge des visafreien Reiseverkehrs mit der VR Polen und der ČSSR3 – am
31.3.1972 mit einem Aufenthalt von | ca. 120 000 Personen, |
1.4.1972 mit einem Aufenthalt von | ca. 130 000 Personen, |
2.4.1972 mit einem Aufenthalt von | ca. 140 000 Personen, |
3.4.1972 mit einem Aufenthalt von | ca. 85 000 Personen |
in der Hauptstadt der DDR zu rechnen.
In diesen Zahlen sind die in die Hauptstadt einreisenden DDR-Bürger noch nicht berücksichtigt, sodass sich die insgesamt aufhältlichen Personen noch weiter erhöhen.
Weitere zu beachtende Probleme ergeben sich daraus, dass ca. 80 bis 85 % der insgesamt als Fußgänger und unter Benutzung von Kfz zur Einreise in die DDR kommenden Westberliner zunächst über die Grenzübergangsstellen in die Hauptstadt der DDR einreisen werden, um von hier aus die Nah- und Fernverkehrsmittel bzw. die entsprechenden Verkehrswege in die Bezirke für die Weiterreise zu benutzen.
An den Schwerpunkttagen der ersten Einreiseperiode (31.3. bis 2.4.1972) ist mit folgenden Reiseströmen Westberliner Bürger über die Grenzübergangsstellen in die der DDR zu rechnen:
GÜST | 31.3.1972 Personen (Fußgänger) | 31.3.1972 Kfz | 1.4.1972 Personen (Fußgänger) | 1.4.1972 Kfz |
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Bhf. Friedrichstraße | 52 000 | – | 40 000 | – |
Bornholmer Straße | 12 000 | 2 000 | 9 000 | 1 000 |
Chausseestraße | 6 000 | 1 100 | 4 000 | 800 |
Invalidenstraße | 5 000 | 1 800 | 4 000 | 1 000 |
Oberbaumbrücke | 10 000 | – | 7 500 | – |
Sonnenallee | 7 200 | 1 900 | 6 000 | 1 000 |
GÜST | 2.4.1972 Personen (Fußgänger) | 2. 4.1972 Kfz | 3.4.1972 Personen (Fußgänger) | 3.4.1972 Kfz |
---|---|---|---|---|
Bhf. Friedrichstraße | 33 000 | – | 16 000 | – |
Bornholmer Straße | 6 500 | 1 000 | 3 000 | 400 |
Chausseestraße | 3 100 | 800 | 2 000 | 200 |
Invalidenstraße | 3 000 | 1 000 | 1 500 | 350 |
Oberbaumbrücke | 6 000 | – | 3 500 | – |
Sonnenallee | 5 000 | 1000 | 2 000 | 400 |
Zu ähnlichen Konzentrationen wird es im Zusammenhang mit der Rückreise Westberliner Bürger aus den Bezirken über die Hauptstadt Berlin nach Westberlin, besonders an den Schwerpunkttagen 1.4. bis 3.4.1972, kommen.
Erste Auswertungen der altersmäßigen Zusammensetzung der als Antragsteller für die Einreise Westberliner Bürger in Erscheinung getretenen Bürger der Hauptstadt ergaben, dass schwerpunktmäßig Einreiseanträge durch Personen im Alter von über 60 Jahren (ca. 43 % der Antragsteller der Hauptstadt) gestellt wurden. Der Anteil der Antragsteller im Alter von 41 bis 60 Jahren liegt bei 34 % und in der Altersgruppe 26 bis 40 Jahre bei 18 %.
Die soziale Struktur der Antragsteller aus der Hauptstadt lässt erkennen, dass Bürger im Rentenalter mit ca. 36 % den absoluten Schwerpunkt darstellen. Bei den übrigen Antragstellern handelt es sich überwiegend um Werktätige aus folgenden Berufsgruppen:
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leitende Angestellte aus der volkseigenen Industrie ca. 7,3 %
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leitende Angestellte aus Kombinaten ca. 8,5 %
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Angestellte aus dem Bereich Forschung und Entwicklung ca. 2,5 %
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leitende Angestellte von Universitäten, Hoch- und Fachschulen sowie Kliniken ca. 3,1 %
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Mitarbeiter von Rundfunk, Fernsehen und Massenmedien ca. 2,1 %
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Mitarbeiter aus dem Staatsapparat ca. 4,5 %
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Beschäftigte in Handel und Versorgung ca. 7,5 %
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Arbeiter ca. 8,0 %
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Hausfrauen ca. 8,0 %
Der bisherige Anteil antragstellender Studenten liegt bei 0,5 bis 0,8 %.
Erste Hinweise aus der Analysierung der altersmäßigen und sozialen Zusammensetzung der einreisenden Westberliner ergeben:
Ca. 8,5 % aller Einreisenden sind Kinder und Jugendliche bis zu 25 Jahren. (Diese Alterskategorie macht in der Gesamtaltersstruktur der Westberliner Bevölkerung ca. 25 % aus, d. h. Einreisen von Kindern und Jugendlichen liegen erheblich darunter.)
Ca. 25,5 % sind Personen im Alter von 26 bis 40 Jahren und ca. 29 % befinden sich im Alter zwischen 41 und 60 Jahren, während ca. 37 % über 60 Jahre alt sind. (Das bedeutet, dass mit fast zwei Dritteln der Hauptanteil Personen im Alter ab 41 Jahren sind. Dieser Anteil liegt wesentlich höher als in der Gesamtstruktur in Westberlin, wo er ca. 55 % ausmacht.)
Das spiegelt sich auch im relativ hohen Anteil von Rentnern an der Einreise (28 %) wider, während Arbeiter mit 25 % und Hausfrauen mit 18 % die nächststärksten Gruppen sind. Besonders zu beachten ist, dass ca. 20 % der einreisenden Westberliner früher ihren Wohnsitz in der DDR hatten.
Durch die zuständigen staatlichen Organe der Hauptstadt der DDR wurden bereits umfangreiche Maßnahmen zur Gewährleistung der Abwicklung des Reise- und Besucherverkehrs und zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit eingeleitet.
Nachfolgend wird nochmals auf einzelne Probleme aufmerksam gemacht, von deren Lösung sehr wesentlich die Durchführung aller mit der Geste des guten Willens verbundenen Aufgaben abhängt und wozu den dafür verantwortlichen Organen und Einrichtungen die notwendige Unterstützung gewährt werden sollte:
1. Zu Fragen der zügigen und reibungslosen Abwicklung der zu erwartenden Reiseströme in die Hauptstadt der DDR
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Sicherung der Eindeutigkeit und Übersichtlichkeit der Verkehrsleiteinrichtungen auf den Hauptmagistralen des zu erwartenden Ein- und Ausreiseverkehrs und in den hauptsächlichen Bewegungsräumen (Stadtzentrum, touristische, kulturelle und gastronomische Einrichtungen, Einzugsbereiche an den Grenzübergangsstellen) und Gewährleistung eines zügigen Ablaufs im Straßenverkehr.
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Zu diesem Zweck ist u. a. zu sichern,
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dass ausreichend Abfertigungs- und Regulierungskräfte der an der Abwicklung des Verkehrs beteiligten Organe und Betriebe zum Einsatz kommen und ein enges Zusammenwirken mit den Einsatzkräften der DVP und anderen Organen erfolgt,
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dass verstärkt Verkehrsunfall-Aufnahmekommandos, Abschleppdienste (Kranwagen), Erste Hilfe-Einrichtungen in ständiger Einsatzbereitschaft gehalten und an besonderen Schwerpunkten des Verkehrsgeschehens stationiert werden,
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dass eine übersichtliche, besonders der zügigen Abwicklung des Verkehrs von und zu den Grenzübergangsstellen Rechnung tragende, Straßenbeschilderung und Fahrbahnmarkierung erfolgt,
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dass die Funktionstüchtigkeit der Signalanlagen im Straßenverkehr gewährleistet ist und gegebenenfalls auf die veränderten Bedingungen der Fahrzeugbewegung eingestellt wird,
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dass die Verkehrsflächen auf den Hauptmagistralen und in den hauptsächlichen Bewegungsräumen von parkenden Fahrzeugen freigehalten werden (Parkverbote in den Zufahrtsstraßen zu den Grenzübergangsstellen und Errichtung geeigneter Ausweichparkplätze für Anlieger und Schaffung zusätzlicher Parkmöglichkeiten an den Konzentrationsschwerpunkten einschließlich Ausflugs- und Erholungszentren),
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dass Verkehrseinschränkungen und -umleitungen in den vorgenannten Bereichen weitgehend vermieden werden (keine Inangriffnahme von geplanten Straßenbauarbeiten bzw. rechtzeitiger Abschluss derartiger Bauarbeiten in den entsprechenden Bereichen).
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Sicherung der Transportkapazitäten in der Hauptstadt der DDR durch
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eine ausreichende Dichte der Berliner Nahverkehrsmittel (U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn, KOM) in den voraussichtlich am stärksten belasteten Richtungen (besonders ab allen Grenzübergangsstellen und in die Randgebiete von Berlin),
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Verstärkung des Taxieinsatzes.
2. Zur Gewährleistung der Versorgung und Betreuung
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Im Zusammenhang mit dem zu erwartenden Reisestrom in die Hauptstadt der DDR im Osterzeitraum ist eine ausreichende gastronomische Betreuung und stabile Versorgung, insbesondere mit Nahrungs- und Genussmitteln, zu sichern.
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Erweiterung der Tankmöglichkeiten, vor allem an den Schwerpunkttagen der Ein- und Ausreise (außer den Intertankstellen4 sollten zeitweilig weitere Tankstellen zur Sicherung auch des von den Fahrzeugbesitzern der DDR u. a. verursachten Bedarfs geöffnet sein).
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Schaffung aller notwendigen Voraussetzungen zur gesundheitlichen und hygienischen Betreuung der Besucher, einschließlich Gewährleistung der Sauberkeit auf den Straßen, Bahnhöfen, in öffentlichen Einrichtungen, Verkehrsmitteln und Gaststätten.