Großbrand auf U-Bahnlinie A der Berliner Verkehrsbetriebe
6. Oktober 1972
Information Nr. 912/72 über den Großbrand auf der U-Bahnlinie A der Berliner Verkehrsbetriebe am 4. Oktober 1972
Im Rahmen der Untersuchungshandlungen zur Aufklärung der Ursachen des Großbrandes im nördlich gelegenen Teil des Bahnhofes Alexanderplatz auf der Linie A, der in den frühen Morgenstunden des 4.10.1972 entstanden war, wurden folgende Einzelheiten festgestellt:
Gegen 3.50 Uhr fuhr ein Bauzug der BVB mit insgesamt 16 Personen von Pankow kommend in Richtung Alexanderplatz. Nach Aussagen des Triebwagenführers [Name 1] bemerkte dieser kurz vor dem Bahnhof Alexanderplatz im U-Bahntunnel Rauchschwaden. Unmittelbar vor Einfahrt auf den Bahnsteig A des Bahnhofes Alexanderplatz sah er, dass aus einem Wagen eines auf Gleis 3 (Abstellgleis) stehenden U-Bahn-Viererzuges starke Rauchentwicklung erfolgte.
[Name 1] fuhr den Bauzug bis zum Bahnsteig A und eilte mit anderen Kollegen zu diesem Zug zurück. Nach Besteigen des zweiten Wagens, aus dem der Rauch drang, stellte er unter der Sitzbank für Schwerbeschädigte Flammen von ca. 50 cm Höhe fest. Mithilfe von Feuerlöschern aus einem daneben abgestellten U-Bahn-Achtwagenzug nahmen die BVB-Angehörigen die Brandbekämpfung auf. Nachdem sie keine Flammenbildung mehr sahen, verließen sie den Zug. Sie veranlassten über den Dispatcher [Name 2] die Benachrichtigung der Feuerwehr und die Abschaltung des Fahrstromes in diesem Abschnitt.
Da sich zu diesem Zeitpunkt noch alle 16 BVB-Angehörigen in unmittelbarer Nähe des Brandortes befanden, konnten sie ein erneutes Aufflammen im Wagen 2 und ein Übergreifen des Brandes auf die Innenverkleidung des Wagens bemerken. Während sie erfolglos versuchten, erneut den Brand mittels Handfeuerlöscher zu bekämpfen, traf die Feuerwehr ein.
Die Angehörigen der Feuerwehr veranlassten, dass die BVB-Angehörigen sofort den Zug und den Tunnel räumen, da sich der Brand zusehends auf den Wagenzug und weitere dort abgestellte Züge ausdehnte. Durch die sich schnell ausbreitende starke Hitze- und Rauchentwicklung wurde die Brandbekämpfung erheblich erschwert.
Die Tatsache der Flammenbildung im Wagen 2, Sitzplatz für Schwerbeschädigte, wurde zum Anlass genommen, zu Vergleichszwecken den gleichen Wagentyp (Typ A 1 U) auf dem U-Bahnunterhaltungsbetrieb Berlin-Friedrichsfelde zu besichtigen. Die Besichtigung ergab, dass unter der bezeichneten Sitzbank Widerstände für die Innenbeleuchtung des Wagens installiert sind. Sie haben die Aufgabe, die mit ca. 220 V anliegende Gleichspannung auf 110 V abzubauen.
Während der Besichtigung war die Wagenbeleuchtung eingeschaltet. Nach Abheben der Sitzfläche sowie Öffnen der von innen mit Asbestverkleidung versehenen Holzdecke konnte bereits eine gewisse Wärmeentwicklung der Widerstände festgestellt werden.
Eine genaue Untersuchung beider Widerstände ergab, dass linksseitig eine der beiden Befestigungsschrauben fehlte und somit der Widerstand einseitig herabhing. Die Isolation der Stromzuführungskabel beider Widerstände war in hohem Maße spröde, was auf ständig große Wärmeentwicklung schließen lässt. Das führte bereits an einzelnen Stellen des Kabels zur teilweisen Abbröckelung des Isolationsmaterials.
Die Untersuchung der Asbestverkleidung, welche zur Verhinderung der Wärmeableitung im Kasten unter der Sitzbank angebracht ist, zeigte, dass diese ebenfalls unmittelbar am Deckel beschädigt war.
Im Zuge der Aufklärung des Brandes im U-Bahnhof Alexanderplatz wurde deshalb sofort durch das MfS veranlasst, dass der gesamte Wagenpark der Berliner Verkehrsbetriebe, Kombinatsbetrieb U-Bahn, einer technischen Überprüfung im Hinblick der getroffenen Feststellungen unterzogen wird, um Brandgefahren vorzubeugen.
Die Untersuchungen werden durch alle beteiligten Sicherheits- und staatlichen Organe konzentriert weitergeführt.