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Haltung von Kulturschaffenden zur Kulturpolitik in der DDR

23. Juni 1972
Information Nr. 585/72 über die Haltung von Kulturschaffenden der DDR zu Problemen der Kulturpolitik in der DDR

[Faksimile von Blatt 43]

Mit der vorliegenden Information, die überwiegend auf dem MfS intern bekannt gewordenen Hinweisen basiert, wird auf einige sich unter Kulturschaffenden abzeichnende Tendenzen im Zusammenhang mit der Kulturpolitik der Partei seit dem VIII. Parteitag,1 insbesondere aber in der letzten Zeit, verwiesen.

Die Information soll keine umfassende Einschätzung der Situation unter den genannten Kreisen darstellen. Sie verfolgt den Zweck, auf subjektivistische Auslegungen bzw. Missdeutungen der Kulturpolitik der Partei, auf bestimmte Unsicherheiten und negative Erscheinungen hinzuweisen, die unseres Erachtens für eine umfassende Analyse und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen für die politische und staatliche Leitungstätigkeit auf dem Gebiet der Kultur von Bedeutung sind.

Die dem MfS intern bekannt gewordenen Hinweise lassen erkennen, dass unter Kulturschaffenden, aber auch Kulturfunktionären, zum Teil die subjektivistische Auffassung vertreten wird, die bisher verfolgte Politik der Partei auf dem Gebiet der Kultur sei überholt und die Partei werde den Kulturschaffenden gegenüber künftig mehr »ideologische Toleranz« zeigen.

Dabei werden besonders in Kreisen jener Kulturschaffenden, mit denen sich die Partei wegen falscher Auffassungen in der Vergangenheit häufig auseinandersetzen musste, vor allem die Ausführungen führender Genossen2 auf dem VIII. Parteitag und danach in diesem Sinne ausgelegt. Es wird von »einer Korrektur« der bisherigen Kulturpolitik der Partei im Sinne einer »Liberalisierung«, von einer »Neuorientierung« in Richtung auf eine »Entkrampfung« und »ideologische Toleranz« gesprochen.

Veröffentlichungen in kulturpolitischer Hinsicht sowie Ausführungen leitender Funktionäre würden die Schlussfolgerung zulassen, dass eine gewisse »Orientierungssuche« in der weiter einzuschlagenden Richtung unserer Kulturpolitik nicht abgeschlossen sei und es deshalb angebracht wäre, sich zunächst in der politisch-ideologischen Auseinandersetzung zurückzuhalten und abzuwarten, welche konkreten Festlegungen in Richtung Kulturpolitik weiter erfolgen würden.

Andererseits wird die Aufforderung zum wissenschaftlichen Meinungsstreit als ein Anlass zur offenen Kritik an der bisherigen Kulturpolitik der DDR angesehen.

In diesen Auffassungen widerspiegelt sich nach Meinung leitender Kulturfunktionäre das Wirken der politisch-ideologischen Diversion3 auf die Kulturschaffenden in der DDR und vor allem das noch immer unter breiten Teilen dieser Kräfte vorherrschende Unverständnis über den Klassencharakter von Kunst und Kultur und die Prinzipien der Parteilichkeit und Volksverbundenheit sowie die daraus erwachsenden Unklarheiten über die Rolle und Funktion des Künstlers in der sozialistischen Gesellschaft überhaupt.

Es zeigen sich vor allem folgende Erscheinungen und Tendenzen, in denen feindliche, negative und subjektivistische Auffassungen und auch erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die Kulturpolitik der Partei eine Rolle spielen:

  • 1.

    Versuche, die Kontinuität der Kulturpolitik der Partei in Zweifel zu ziehen und eine »Fehlerdiskussion« auszulösen;

  • 2.

    Versuche der Negierung der führenden Rolle der Partei der Arbeiterklasse und der Überbetonung der Rolle der Kulturschaffenden;

  • 3.

    Auslegungen der Forderung des VIII. Parteitages, »keinen zurücklassen«,4 in der Richtung, negative Kräfte unter den Kulturschaffenden ohne prinzipielle Klärung ihrer ideologischen Positionen zur Mitarbeit heranzuziehen;

  • 4.

    Versuche bisher der Kulturpolitik ablehnend gegenüberstehender Kulturschaffender, wieder gesellschaftlich aktiv in Erscheinung zu treten, bzw. Versuche, solche Kräfte aufzuwerten;

  • 5.

    unsichere Reaktionen und Entscheidungen staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen, die falsche Auffassungen begünstigen und widersprüchliche Handlungen fördern.

Die erwähnten Versuche, die Kontinuität der Kulturpolitik der Partei in Zweifel zu ziehen und – ausgehend von subjektiven Auffassungen dieser Kreise zu den Ausführungen führender Genossen zur Kulturpolitik der Partei – eine »Fehlerdiskussion« unter Kulturschaffenden und Kulturfunktionären hervorzurufen, sind in letzter Zeit unter großen Teilen von Kulturschaffenden, besonders aber unter Schriftstellern und Filmschaffenden, festzustellen.

In diesem Zusammenhang wurde z. B. auf eine erweiterte Präsidiumstagung des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR5 hingewiesen, auf der der Vizepräsident G. Scheumann6 gefolgert habe, mit dem VIII. Parteitag habe sich die neue Parteiführung dazu entschlossen, die Kulturschaffenden in »die Freiheit ihrer eigenen Verantwortung« zu entlassen und damit faktisch die Verantwortung für die Kulturentwicklung in der DDR in die Hände der Verbände der Kulturschaffenden zu legen.

Nach Meinung verantwortlicher Teilnehmer an dieser Tagung stelle das nicht die individuelle Ansicht Scheumanns dar, sondern die Auffassung mehrerer Gruppen von Kulturschaffenden, die mit der Absicht vorgetragen worden sei, zu testen, wie weit die Grenzen nach dem VIII. Parteitag gezogen werden können, weil ihrer Ansicht nach die gegenwärtige Kulturpolitik ein »widersprüchliches äußeres Bild« biete.

Von diesen Gruppen wurden die Verhandlungen der DDR mit der BRD7 als »Liberalisierung« gedeutet, von der auch eine »ideologische Liberalisierung« zu erwarten sei.

Im Bereich der Filmschaffenden, speziell des Spielfilmstudios der DEFA, wurden ferner besonders die Feststellungen vom Vertrauen der Partei zu den Künstlern im Sinne einer Korrektur der bisherigen Kulturpolitik in der DDR und der »Überwindung der Kontrolle und Bevormundung« durch die Partei und die staatliche Leitung interpretiert.

Diese Tendenz finde im DEFA-Studio für Spielfilme gegenwärtig ihren praktischen Ausdruck in den Versuchen, die in der Vergangenheit abgelehnten Filmstoffe und Filme wieder zur Diskussion zu stellen.

Wie weit verbreitet die Zweifel an der Kontinuität der Kulturpolitik der Partei unter diesen Kreisen von Kulturschaffenden sind, wird nach Ansicht verantwortlicher Kulturfunktionäre auch daran sichtbar, dass selbst solche progressiven Kräfte wie z. B. W. Kohlhaase8 u. a. die Frage zur Diskussion gestellt haben, »ob bei grundsätzlicher Einigkeit über die sozialistische Grundposition der Rahmen des öffentlich Diskutierbaren nicht weiter gezogen werden kann als bisher«.

Solche Fragestellung könnte vor allem jenen Kräften Auftrieb geben, die die Ausführungen auf der 4. Tagung des ZK der SED9 im Sinne ideologischer Koexistenz auffassen und die Meinung vertreten, damit seien »alle Tabus aufgehoben«.

Wie inoffiziell bekannt wurde, soll besonders bei Literaturschaffenden der DDR die Meinung bestehen, dass nach dem VIII. Parteitag der SED wieder einmal »politisches Tauwetter« eingesetzt habe. Die Partei würde versuchen, durch »Abbau des vorgeschriebenen Schematismus und Dogmatismus« die ziemlich »festgefahrenen Wege und Sackgassen in der neuen sozialistischen Literatur der DDR« zu überwinden.

Diese Bemühungen würden auf Zweifel der verschiedensten Gruppen und Gruppierungen innerhalb der Literaturschaffenden stoßen, da man in dieser Frage der Partei »wenig Vertrauen« entgegenbringe und befürchte, dass das »politische Tauwetter« sehr schnell wieder in eine Krise umschlagen könne, wie es schon mehrmals geschehen sei, und dann wieder vielen Schriftstellern und Literaturschaffenden »den Ruf kosten« könne.

Am lautesten seien die Stimmen gegen die Bemühungen der Partei um einen neuen Aufschwung der sozialistischen Gegenwartsliteratur aus den Reihen des PEN-Clubs10 der DDR, der sich nicht umsonst als »innere Emigration« der Literaturschaffenden der DDR verstehe. Diese Kreise würden dem »politischen Tauwetter« nicht trauen und gegenwärtig versuchen, nach außen in alten, ausgefahrenen Gleisen zu wirken, während in kleineren Kreisen »Unveröffentlichtes« oder »Fragmente« zur Lesung gebracht würden, um deren Wirkung zu testen. Im Pen-Club der DDR habe sich nach diesen internen Hinweisen um einen Kern bekannter Literaturgrößen wie Heym,11 Seeger,12 Claudius,13 Fühmann14 und andere vor allem die junge Generation der Schriftsteller versammelt, darunter auch solche, die bisher überhaupt noch nicht oder nur schwach zur Geltung gekommen sind. Da jedoch die großen Namen auf alle ausstrahlen, habe sich um den Pen-Club der Glanz der Exklusivität gebildet. Mitglied des Pen-Clubs zu sein heiße, hervorgehoben zu sein aus der Masse der Schriftsteller.

Dem MfS sind Hinweise bekannt geworden, wonach sich solche Kulturschaffenden, die eine »Liberalisierung« unserer Kulturpolitik erhoffen und erstreben, enger zusammenschließen und gegenseitig in ihrem Auftreten abstimmen.

Schriftsteller, deren Produktionen in der DDR wenig oder nicht veröffentlicht werden, führen in letzter Zeit verstärkt Lesungen aus unveröffentlichten Werken durch, um ihre negative und feindliche Einstellung zu verbreiten und größere Personenkreise anzusprechen.

Zum Teil werden für diese Lesungen solche Einrichtungen wie der Kulturbund oder Universitäten ausgenutzt.

In solchen vorgetragenen Manuskripten wird zum Teil in unverhüllter Form oder durch Gleichnisse und Zweideutigkeiten, unter Verwendung historischer Personen und Vorgänge, in Form von Fabeln und mittels anderer Verschleierungstaktiken die objektive Realität der sozialistischen Entwicklung in der DDR vom feindlichen Standpunkt aus betrachtet. Damit beabsichtigen diese Kräfte, vor allem studentische Personenkreise und Intellektuelle zu bewegen, sich mit ihren Machwerken weiter zu beschäftigen und darüber Diskussionskreise zu bilden.

Der durch seine revisionistischen Theorien bekannte Lyriker Endler15 erklärte z. B. in einer Diskussion im internen Kreise Gleichgesinnter, die Lyriker würden ihre Werke, die er als »wahre Literatur« bezeichnete, nicht mehr den Verlagen anbieten. Sie würden sie entweder selbst abschreiben oder im Abzugsverfahren vervielfältigen (bis zu 50 Exemplare und mehr) und dann an »Gleichgesinnte« verbreiten. Diese Art wäre das wirkliche »Verständigungsmittel« unter den Lyrikern. Die Vervielfältigungen würden nicht an Andersdenkende verteilt, da dann wieder mit »Unterdrückungsmaßnahmen« staatlicher Stellen zu rechnen sei.

Die Tendenz der Negierung der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei und der Überbetonung der Rolle der Kulturschaffenden spiegelt sich besonders in den unter Schriftstellern, Filmschaffenden und bildenden Künstlern nach dem VIII. Parteitag wieder verstärkt geführten Diskussionen über die Rolle und Funktion des Künstlers im Prozess des sozialistischen Aufbaus wider.

Neben zahlreichen Diskussionen in allen Bereichen des Kulturschaffens, in denen gefordert wird, künftig auch öfter mit Künstlern gesellschaftliche Fragen zu beraten, gibt es vorliegenden Hinweisen zufolge nicht wenige Auffassungen, die auf eine besondere Rolle und Funktion des Künstlers in der Gesellschaft hinauslaufen.

Als charakteristisch für solche Auffassungen unter Filmschaffenden verweisen verantwortliche Kräfte bei der DEFA auf die im Spielfilmstudio u. a. von Prof. Maetzig16 und den Dramaturgen Ebeling17 und Gräf18 vertretene Meinung, dass die Künstler das »Gewissen der Nation« seien.

Daraus würde sich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht für den Künstler ableiten, in Prozesse einzugreifen und bei ihrer Realisierung mitzuwirken, für die die Theorie bisher noch keine echte Alternative angeboten habe.

Die Rolle der Künstler müsste sich aus diesem Grunde von der Rolle der Politiker dadurch unterscheiden, dass die Künstler die »vorhandenen Widersprüche in der Entwicklung« offen darlegen und »im Gegensatz zu den Politikern ehrlich die Probleme aufgreifen und Lösungswege aufzeigen«.

Auf einer Präsidiumssitzung des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden Anfang November 1971 habe Andrew Thorndike19 die Filmschaffenden aufgefordert, das Vertrauen, das ihnen die Partei entgegenbringe, geltend zu machen. Wie er nach vorliegenden Hinweisen ausführte, verstehe er darunter ein größeres Maß an Mitbestimmung der Künstler in künstlerischen Fragen, mehr noch, einen Führungsanspruch. Nur die Künstler seien dazu befähigt, Kunstwerke ihrer Kollegen objektiv einzuschätzen.

Diese Gedanken Thorndikes fanden die Unterstützung weiterer Filmschaffender und führten zu der Auffassung, darüber einen »offenen Meinungsstreit« zu führen.

Die Forderungen des VIII. Parteitages nach größerer Volksverbundenheit, größerer Vielfalt und Breite der sozialistischen Kultur, nach Wirklichkeitsnähe und hoher künstlerischer Meisterschaft werden von einigen Schriftstellern und Kulturschaffenden so ausgelegt, als könnten jetzt überlebte bürgerliche und kleinbürgerliche ideologische und künstlerische Auffassungen in unsere literarische und kulturelle Entwicklung mit einfließen.

Obwohl von solchen Personen zumeist in der Öffentlichkeit formal den Beschlüssen des VIII. Parteitages zugestimmt wird, wird in internen Diskussionen versucht, der Aufgabenstellung des VIII. Parteitages den Klasseninhalt zu nehmen und Fehlerdiskussionen zu entwickeln, die bis zur unterschwelligen Forderung nach Revision des 11. Plenums (1965)20 reichen.

Von verantwortlichen Kulturschaffenden und Kulturfunktionären wird darauf hingewiesen, dass sich Kräfte, die bisher der Kulturpolitik der Partei ablehnend gegenüberstanden, nach dem VIII. Parteitag verstärkt bemüht hätten, unter Verschleierung ihrer wirklichen ideologischen Positionen den staatlichen und gesellschaftlichen Leitungsorganen gegenüber ihre »politische Zuverlässigkeit« nachzuweisen bzw. Gleichgesinnte durch Vorschläge für Funktionsbesetzungen oder Auszeichnungen aufzuwerten.

Nachdem ihre »Bemühungen« bisher zu keinem durchschlagenden Erfolg geführt hätten, verhielten sie sich in jüngster Zeit abwartend, wobei sie verstärkt »Hoffnungen« an das erwartete Plenum zu Fragen der Kultur knüpften.

Wie intern bekannt wurde, soll z. B. der Schriftsteller Rolf Schneider21 den Leiter der Abteilung Theater des Ministeriums für Kultur, Genossen Willi Schrader,22 zweimal um Aussprachen ersucht haben. Anfang Dezember 1971 wollte er sich über die Situation in der Kulturpolitik der DDR unterrichten, »um sich angeblich einrichten zu können, falls er von anderen Kollegen danach gefragt werde«. Dabei stellte er die Frage, ob denn »noch immer eine so sture Linie an der Tagesordnung« sei oder »ob er schon mit einer flexibleren Politik rechnen« könne.

Beim zweiten Gespräch Anfang Januar 1972 soll sich Schneider sehr angetan von dem Gespräch des Genossen Prof. Hager23 mit Schriftstellern gezeigt, andererseits aber auch betont haben, »noch immer scharfes Misstrauen« zu hegen, weil er nicht glaube, dass die Partei und Staatsfunktionäre plötzlich anders geworden seien und nicht mehr die »sture Politik« fortsetzen würden. In beiden Aussprachen soll Schneider besonders betont haben, sich im Grunde immer mit der Politik und den Grundprinzipien unseres Staates in Übereinstimmung befunden zu haben, auch wenn es ihm schwer gemacht worden sei.

Besondere Aktivitäten in dieser Richtung soll auch Stephan Hermlin24 entwickelt haben, der sich in starkem Maße auf »persönliche Gespräche« mit führenden Genossen unserer Partei berufe. So sei ihm eine Prüfung zugesichert worden, warum der Lassalle-Roman25 von Stefan Heym bisher in der DDR nicht erschienen sei.

An der Akademie der Künste wird intern die Meinung vertreten, dass Genosse Abusch26 aus der Regierung verdrängt worden sei und nur noch den Ausweg habe, über die Literatur wieder zu Einfluss zu gelangen. Das werde ihm jedoch kaum gelingen, da Stephan Hermlin wieder »der kommende Stern« sei.

Einen Zusammenhang mit diesen Bemühungen bisher negativ in Erscheinung getretener Kräfte sehen verantwortliche Kulturfunktionäre auch in den gegenwärtigen Bestrebungen, solche Kräfte durch Berufung in Funktionen, durch Ausstellungen an künstlerischen Ausbildungsstätten, durch Vorschläge für Auszeichnungen usw. wieder gesellschaftlich aufzuwerten und ihnen damit wieder stärkere Massenwirksamkeit zu verschaffen.

So wird unter einigen Literaturschaffenden »argumentiert«, die Schriftsteller Hermlin und Stern27 der Deutschen Akademie der Künste hätten den Vorschlag unterbreitet, den Schriftsteller Heym zum Mitglied der Akademie zu berufen.

Dem Präsidium des DSV soll gleichfalls von Hermlin und Stern der Vorschlag unterbreitet worden sein, dem Schriftsteller Kunert28 1972 den »Johannes-R.-Becher-Preis«29 zuzuerkennen.

Auch der Vorschlag des Ministeriums für Kultur, den Lyriker Braun30 für den »Heinrich-Greif-Preis«31 vorzuschlagen, obwohl das bis zum VIII. Parteitag ständig abgelehnt wurde, sowie Rolf Schneider für die Inszenierung »Einzug ins Schloss«32 auszuzeichnen, werden als Versuche eingeschätzt, beide aufzuwerten.

Von leitenden Funktionären des DSV wird darauf verwiesen, dass es mit diesen Schriftstellern, besonders mit Heym und Kunert, in der Vergangenheit wiederholt Auseinandersetzungen gab und ihr schriftstellerisches Schaffen nicht zur Bereicherung der Literatur der DDR beigetragen habe.

Nach Auffassung des Sekretärs des DSV, Genossen Henniger,33 wollen sich die Genannten damit nur gegenseitig aufwerten.

Durch eine Zustimmung zu diesen Vorschlägen könnten seiner Meinung nach »Tatsachen und Positionen geschaffen werden, die diesen Leuten wieder die Initiative in die Hand« geben.

Andererseits wurden dem MfS in letzter Zeit auch Versuche einiger Künstler bekannt, sich für die Begutachtung ihrer der sozialistischen Kunstauffassung widersprechenden Werke die Unterstützung profilierter Persönlichkeiten zu sichern. Auf der letzten Musikbiennale in Berlin soll z. B. die Aufführung eines modernistischen Werkes des Komponisten Dittrich34 dadurch durchgesetzt worden sein, dass Paul Dessau35 androhte, bei Ablehnung dieses Werkes seine eigenen Kompositionen zurückzuziehen.

Bei der Zeitschrift des DSV, »Neue Deutsche Literatur«,36 ist zu verzeichnen, dass in den letzten Wochen verschiedene Schriftsteller, vor allem Lyriker, die jahrelang nicht mehr mit der NDL in Verbindung standen (insbesondere seit der 11. ZK-Tagung 1965) Manuskripte zur Veröffentlichung einreichten. Hierzu gehören u. a. Heinz Kahlau,37 Rainer Kirsch,38 Heinz Czechowski.39 Der Charakter verschiedener Manuskripte weist darauf hin, dass es sich in einigen Fällen um Tests handelt, was veröffentlicht wird. Jeder dieser drei Lyriker sandte etwa acht bis 15 Manuskripte ein. Die meisten Manuskripte waren in der Regel Arbeiten, die jahrelang in Schreibtischen gelagert waren. Unter den der NDL angebotenen Manuskripten auch der anderen Personen, z. B. des Schriftstellers Knauth,40 befinden sich solche mit zweifelhafter Aussage, wie Knauths »Die Nachtigall«,41 ein Stück, das im alten China spielt und Parabelcharakter trägt.

Nach einer Äußerung Czechowskis gegenüber Achim Roscher42 wird diese »Einsendepolitik« bewusst betrieben, um die Reaktionen der NDL festzustellen.

Der Lyriker Rainer Kirsch soll z. B. zum Ausdruck gebracht haben, jetzt sei »der Zeitpunkt gekommen«, der NDL wieder Gedichte anzubieten, nachdem bisher immer nur eine bestimmte Gruppe von DDR-Lyrikern das Wort geführt habe.

Einige Künstler und Schriftsteller, deren negative politische Grundhaltung dem MfS bekannt ist, versuchen, Werke mit feindlichen Aussagen in Verlagen und Redaktionen zur Veröffentlichung anzubieten, um zu testen, inwieweit sie mit ihren Werken Resonanz finden.

In anderen Fällen wurde bekannt, dass negativ eingestellte Kulturschaffende in Gesprächen mit ihren Bekannten, aber auch Mitarbeitern von Verlagen und Verbänden, provozierend auftreten und ungerechtfertigte Forderungen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihrer Arbeiten in der BRD stellen.

Von Kulturschaffenden der DDR wird die kulturpolitische Entwicklung in den sozialistischen Ländern, besonders in der UdSSR, den VR Polen, Ungarn und der ČSSR sehr aufmerksam verfolgt.

Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei besonders die Einstellung und Haltung offizieller staatlicher Organe in den sozialistischen Ländern gegenüber den Kulturschaffenden.

So wird u. a. in Kreisen der bildenden Künstler in den Bezirken Berlin und Frankfurt/Oder, des Spielfilmstudios in Potsdam/Babelsberg sowie unter Schriftstellern hervorgehoben, dass den Kulturschaffenden in der VR Polen und VR Ungarn mehr »künstlerische Freiheiten« eingeräumt würden und auch die Verbreitung gewisser westlicher Kunstauffassungen und -richtungen gestattet werde.

Der Bildhauer René Graetz43 sowie einige bildende Künstler des Bezirkes Karl-Marx-Stadt44 leiten daraus die Schlussfolgerung ab, dass es notwendig sei, sich bei der Durchsetzung bestimmter Forderungen gegenüber den Kulturinstituten und -funktionären in der DDR auf die »großzügigeren Möglichkeiten« in den genannten sozialistischen Ländern zu berufen und zu orientieren.

Verschiedentlich spielt die Überlegung eine Rolle, dass im Zusammenhang mit den Neuregelungen im Reiseverkehr DDR – VR Polen und DDR – ČSSR45 bessere Möglichkeiten der Verbindungen, der Kontakte und des Einflusses vorhanden seien, ohne dass bisher eine direkte Auswertung der neuen Reisemöglichkeiten in die VR Polen und in die ČSSR für organisierte Zusammenkünfte oder verstärkte Kontakte seitens solcher Personenkreise festgestellt werden konnte.

Von bildenden Künstlern des Bezirkes Frankfurt (Oder) wird spekuliert, dass bestimmte westlich beeinflusste polnische Kunstrichtungen (z. B. in der bildenden Kunst) auch in der DDR Eingang finden, da von zentralen Stellen der DDR kaum etwas abgelehnt werden könne, was aus Freundesland kommt.

Durch Vertreter des Spielfilmstudios in Babelsberg, die enge Kontakte zu Filmschaffenden in der VR Polen unterhalten, wurde bekannt, dass polnische Filmkünstler angeblich sehr aufmerksam die von jungen DDR-Regisseuren produzierten Filme ohne politische Aussagen verfolgen, um festzustellen, ob sich hier gewisse »neue Tendenzen« im Filmschaffen der DDR durchsetzen.

Der Direktor des Staatstheaters Schwerin, Jurgons,46 zugleich Vorsitzender des Verbandes der Theaterschaffenden des Bezirkes Schwerin, kritisierte die unzureichenden Möglichkeiten in der DDR, die »progressive Literatur des Ostens« kennenzulernen. Er forderte u. a. die Veröffentlichung der Werke Solschenizyns47 und die Durchführung von Diskussionen über diese Werke.

Der Lyriker Rainer Kirsch äußerte intern, dass es in der Sowjetunion unter der jungen Schriftstellergeneration »hoffnungsvolle Ansätze eines Umdenkens« gebe, vor allem hinsichtlich ihrer Bestrebungen, sich »vom Parteidogma zu lösen« und »größere Freiheiten« für ihre Tätigkeit zu erringen.

In einigen Fällen wurden Forderungen von Filmregisseuren bekannt, verschiedene sowjetische Filme in der DDR zur Aufführung zu bringen, die wegen angeblich unklarer bzw. negativer Aussagen hinsichtlich der Darstellung gesellschaftlicher Verhältnisse in der Sowjetunion von der DDR nicht aufgekauft worden seien.

Die Aufführung derartiger Filme wird mit der Notwendigkeit begründet, mehr Informationen über die internationale Entwicklung in der Filmbranche zu erhalten.

Im Spielfilmstudio Babelsberg wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass einige der betreffenden Filme angeblich in nächster Zeit im westdeutschen Fernsehen gesendet werden sollen.

Verschiedene Fernsehautoren, darunter die Autoren Baumert,48 Böhm49 und Pederzani,50 wandten sich gegen das hohe Strafmaß der sowjetischen Justizorgane gegen den wegen antisowjetischer Tätigkeit verurteilten sowjetischen Schriftsteller Bukowski.51 Die Strafe wird als Methode zur Einschüchterung anderer »Oppositioneller« betrachtet, mit der man jedoch »das Gegenteil« erreiche.

Bisher konnten nur in Einzelfällen Anzeichen eines koordinierten Vorgehens negativer Kräfte unter den Kulturschaffenden der DDR mit Gleichgesinnten in den sozialistischen Ländern festgestellt werden.

So wurde intern bekannt, dass die Schriftstellerin Probst52 (Halle) enge Kontakte zu der ungarischen Schriftstellerin Szabó53 unterhält, die dazu benutzt werden, Informationen zu bestimmten Verhaltensweisen von Schriftstellern ihrer Heimatländer auszutauschen und sich durch gegenseitige Hinweise zu informieren, wie die Einflussnahme auf gesellschaftliche Bereiche ausgedehnt werden kann, ohne bestehende gesetzliche Bestimmungen verletzen zu müssen.

Die Szabó soll, ebenso wie die Probst, Verbindungen zum Vorsitzenden des westdeutschen PEN-Zentrums, H. Böll,54 unterhalten und von diesem als Informationsquelle über Entwicklungstendenzen im Schriftstellerverband der VR Ungarn genutzt werden.

Die Szabó verfügt über eine Sondergenehmigung der ungarischen Regierung, die ihr den Besuch aller kapitalistischen Staaten, einschließlich Westberlins, ermöglicht. Mit Unterstützung der Szabó sollen verschiedene Bücher der Probst im deutschsprachigen Raum des kapitalistischen Auslandes vertrieben werden.

Der ungarische Schriftsteller Prof. Hajnal55 soll auf den Generalsekretär des PEN-Zentrums der DDR, Werner Ilberg,56 eingewirkt haben, sich beim ZK der SED für den Lyriker Reiner Kunze57 einzusetzen. Prof. Hajnal soll mit Kunze befreundet sein und dessen negative Ansichten zur Kulturpolitik der SED teilen.

Reiner Kunze unterhielt während der konterrevolutionären Ereignisse in der ČSSR Verbindungen zu rechtsopportunistischen Intellektuellenkreisen in der ČSSR.

Im Folgenden wird eine Darstellung weiterer Tendenzen und Erscheinungen in den einzelnen Teilbereichen der Kultur, die beachtenswert erscheinen, gegeben:

Einige Hinweise zu Diskussionen unter Schriftstellern und Auseinandersetzungen innerhalb des Schriftstellerverbandes:

Im Verlauf der letzten Monate zeigten sich in den Diskussionen der Schriftsteller im Wesentlichen zwei grundlegende Tendenzen. Eine Gruppe von Schriftstellern, die unmittelbar nach dem VIII. Parteitag der SED mit eigenen Konzeptionen hervortrat, versuchte, aus den Darlegungen des VIII. Parteitages Schlussfolgerungen in Richtung einer revisionistischen Haltung zu ziehen. Es wurde der Versuch gemacht, die prinzipiellen Grundlagen der marxistisch-leninistischen Kulturpolitik anzugreifen und eine »Kulturpolitik ohne Ufer« zu propagieren bzw. zu praktizieren. Diese Gruppe wurde repräsentiert durch das Mitglied des Präsidiums des DSV, Kurt Stern. Dabei ist anzunehmen, dass dieser auch im Wesentlichen Ansichten und Auffassungen von Stephan Hermlin und Heinz Kahlau u. a. vertrat. Nachdem im Januar und Februar durch das Auftreten von Kurt Stern im Präsidium des DSV der Höhepunkt des Vortragens solcher Positionen erreicht war, zeigte sich in den nachfolgenden Monaten ein deutliches Zurücktreten von diesen öffentlich vorgetragenen Positionen. Offensichtlich nimmt der genannte Kreis von Schriftstellern nunmehr eine abwartende Haltung ein, bis die Materialien des nächsten Plenums vorliegen.

Des Weiteren soll der Zweck verfolgt werden, der Plenartagung des ZK keine namentliche Veranlassung zu geben, irgendwelche Bezugnahmen auf Schriftstellerpositionen vorzunehmen.

Eine andere Gruppe von Schriftstellern (Endler, Mickel,58 Kirsch) hat mit dem in der Zeitschrift »Sinn und Form«59 veröffentlichten Artikel60 von Adolf Endler programmatisch ihre Position dargelegt. Sie treten im Augenblick nicht spektakulär auf, sondern setzen offensichtlich darauf, dass ihre Konzeptionen eine langfristige Wirkung haben. Diese Gruppe wendet dabei gleichzeitig die Methode an, verschiedene Publikationsorgane anzusprechen, z. B. die Zeitschrift »Neue Deutsche Literatur«, um zu erkunden, welche weiteren Artikel und literarischen Arbeiten auf der Grundlage ihrer Konzeption in der nächsten Zeit veröffentlicht werden könnten.

Dazu liegt ein Brief des Hallenser Schriftstellers Rainer Kirsch an die Redaktion NDL vor, indem es sinngemäß heißt:

»Obwohl mich die Antwort von Helmut Preißler61 nicht sehr ermutigt hat, gebe ich jedoch die Hoffnung nicht auf, dass sich günstige Möglichkeiten entwickeln, bestimmte Arbeiten zu veröffentlichen«. Dieser Bemerkung war ein Manuskript beigefügt, das eine Porträtskizze des Leiters des Institutes für Schweißtechnik Prof. Dr. Gilde62 in Halle enthält.

(Es handelt sich um ein etwa 50 Seiten umfassendes Manuskript. Das Manuskript ist auf Ormig63 abgezogen worden, was offensichtlich auf eine weitere Verbreitung hindeutet. Das Manuskript ist dem Inhalt nach in dieser Weise nicht zu veröffentlichen.)

Zur Haltung von Mitgliedern des Berliner Schriftstellerverbandes sowie einzelnen Schriftstellern und Kulturfunktionären zur Kulturpolitik in der DDR

Es ist einzuschätzen, dass die Mitglieder des Berliner Schriftstellerverbandes ernsthaft bemüht sind, die Forderungen des VIII. Parteitages umzusetzen.

Eine Reihe progressiver Schriftsteller setzte sich in den letzten Wochen mit den Äußerungen und Forderungen, die das Präsidiumsmitglied des DSV, Kurt Stern, verschiedentlich vorgetragen hatte, auseinander. (Stern hatte besonders auch vor der Versammlung des Berliner Schriftstellerverbandes zum Ausdruck gebracht, nach dem VIII. Parteitag sei eine neue Atmosphäre angebrochen, es sei die »Stunde der Wahrheit« gekommen, und jeder Schriftsteller sei nur noch seinem Gewissen verantwortlich. Stern hatte durchblicken lassen, dass die vor dem VIII. Parteitag verfasste Literatur diesen Kriterien nicht entsprechen würde.)

So trat auf einer im März 1972 durchgeführten Mitgliederversammlung des Berliner Verbandes u. a. Hermann Kant64 durch eine klare und scharfe parteiliche Polemik in Erscheinung. Dabei erteilte er der Formulierung Sterns, jetzt sei die »Stunde der Wahrheit« gekommen, eine klare Abfuhr. In der weiteren Auseinandersetzung identifizierte sich eine große Anzahl der Schriftsteller mit den Auffassungen Kants.

Nach Auffassungen von Schriftstellern (u. a. Görlich) widerspiegele sich in der Auseinandersetzung zwischen Stern und Kant aber auch das Bemühen, die Beschlüsse und Materialien des Parteitages umzusetzen. Stern vertrete dabei die Meinung, der Parteitag habe eine »vollkommen neue Wendung in jeder Hinsicht« gebracht und man müsse daher »vollkommen neue Einstellungen in allen Lebensgebieten« erreichen, während Kant versuche, die Kontinuität der Partei- und Kulturpolitik begreiflich zu machen.

Kant wurde in seinen Ausführungen sehr positiv von Günter de Bruyn65 unterstützt.

Die Diskussionen über die Entwicklung unserer Literatur und die Auswertung des VIII. Parteitages spielten auch während der Tagung des Schriftstellerverbandes im April,66 an der 60 Mitglieder des Verbandes und verschiedene Gäste teilnahmen, eine große Rolle. Besonders wurde zum Thema: »Die Gestaltung der Arbeiterklasse und des Arbeiters in der neusten Literatur« diskutiert. In dieser Diskussion bezog besonders Karl-Heinz Jacobs67 (mit dem es in den vergangenen Jahren zeitweilig Schwierigkeiten in der Verständigung über ideologische Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit dem 11. Plenum, gab) eine klare Stellung zu unserer Literaturpolitik und zur Gesamtpolitik der DDR. Er wurde dabei von Joachim Nowotny68 unterstützt.

Eine längere Diskussion, die nicht bis zu Ende geführt werden konnte, entwickelte sich zur Frage »Wer gehört zur Arbeiterklasse?«, die besonders durch eine Diskussion von Otto Gotsche69 ausgelöst wurde.

Genosse Gotsche habe nach Meinung einiger Schriftsteller dazu geneigt, die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse als eine Art Vererbung darzustellen. (Auch in persönlichen Gesprächen stelle Otto Gotsche die Forderung, nach dem 5. Plenum70 sollten unsere Gesellschaftswissenschaftler eindeutige Definitionen zur Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse erarbeiten.) Otto Gotsche stieß dabei auf Widerspruch bei Inge von Wangenheim,71 Hermann Kant, Gerhard Henniger und Dr. Neubert,72 die vor allem auf die objektiven Kriterien hinwiesen, die ein Mitglied unserer Gesellschaft zum Angehörigen der Arbeiterklasse machen.

Die weiter erzielte Übereinstimmung während der Vorstandssitzung im April, wonach die literarisch-künstlerisch gelungene Gestaltung der Arbeiterklasse als ein wichtiger Auftrag unserer Literatur herausgestellt wurde, bezeichnete u. a. der mit Stephan Heym befreundete Schriftsteller Henryk Keisch73 als positiv.

Neben vielen klaren Bekenntnissen zu unserer Kulturpolitik werden auch Vorbehalte und Hoffnungen auf eine »Liberalisierung«, »Neuorientierung« oder »Korrektur« geäußert.

Zustimmend zur Kulturpolitik äußerte sich mehrfach der Schriftsteller Harald Hauser.74 Er begrüßte die »Linie«, den Kontakt zu der Bevölkerung, der Arbeiterklasse und den Intellektuellen wieder enger zu gestalten.

Der Leiter des Verlages »Neues Leben«, Genosse Bentzin,75 ehemaliger Minister für Kultur, äußerte zur gegenwärtigen Kulturpolitik Bedenken. Er sehe die Gefahr, dass es zu einer Konfrontation zwischen Autoren und staatlichen Einrichtungen kommen werde. So wäre vom DSV die Forderung erhoben worden, bekanntzugeben, welche Gutachten und welche Verfasser ausschlaggebend seien für die Veröffentlichung eines Buches. Nach seiner Auffassung sei das ein Angriff auf das gesamte Genehmigungsverfahren in der DDR. Auf der Leipziger Messe habe er, Bentzin, mit Hermann Kant über das Problem gesprochen und Genosse Kant überzeugt, dass der DSV-Vorstand solche Diskussionen zuerst mit der Parteiführung führen müsse, ehe sie hinausgetragen werden.

Weiter eingehend auf sachbezogene, in Verlagen auftretende Probleme verwies Genosse Bentzin auf echte Mängel in der Gutachtertätigkeit. Die Autoren würden sich zu Recht über zu lange Wartezeiten bis zur Bekanntgabe eines Gutachtens beklagen. Zum Beispiel habe der Schriftsteller Kleineidam76 aus Dresden über ein halbes Jahr auf eine Reaktion auf ein von ihm eingereichtes Theaterstück warten müssen. Danach habe er einen abschlägigen Bescheid erhalten. Es gäbe Fälle, dass Autoren bis zu einem Jahr und länger auf eine Antwort warten müssen. Diese langen Wartezeiten seien nicht vertretbar und würden Verärgerungen auslösen.

Genosse Bentzin war der Auffassung, dass eine in der sowjetischen Verlagspraxis angewandte Form auch in der DDR möglich wäre: In der UdSSR sei jeweils ein Vertreter des Staatsapparates in den Arbeitsablauf eingebaut, der das entscheidende Urteil über die Insatzgabe eines Manuskriptes erteile. Das würde dem Chefredakteur-Prinzip unserer Presse entsprechen und könne auch im Buchwesen angewandt werden. Nach seiner Auffassung würden diese Fragen auch auf der bevorstehenden ZK-Tagung77 eine Rolle spielen, was er aus der Zusammensetzung der Staats- und Regierungsdelegation, die Moskau besucht habe,78 ableite.

Aus Verlagskreisen wird bekannt, dass gegenwärtig Auseinandersetzungen um den Schriftsteller Alfred Böttcher79 und das Anliegen seines Kinderbuches »Die Affensache«80 eine Rolle spielen. Da das Haeckel-Institut81 in Jena und der Kinderbuch-Verlag aufgrund völlig gegenteiliger Auffassungen über das fachliche und politische Anliegen dieses Buches zu keinem einheitlichen Standpunkt gelangen, würden Monate vergehen, bevor überhaupt das Manuskript in Druck gehen könnte.

Im Zusammenhang mit Diskussionen über die Kulturpolitik wurde von verschiedenen Lektoren – z. B. vom Lektor Caspar/Aufbau-Verlag82 – Unsicherheit hinsichtlich der Beurteilung literarischer Arbeiten gezeigt. Es seien in letzter Zeit Werke erschienen, die bis vor kurzem heftiger Kritik ausgesetzt gewesen seien, z. B. Bernhard Seegers »Vater Batti singt wieder«.83 Ein anderes Beispiel, das genannt wird, ist die Aufführung von Volker Brauns »Kippern«84 in Magdeburg und Leipzig. (Der Inhalt der »Kipper« wurde auch von Bühnenarbeitern des Magdeburger Theaters kritisiert.)

In mehreren Gesprächen äußerte der Fernsehautor und Leiter der Zeitschrift »Aquarien und Terrarien«,85 Pederzani, über die Kulturpolitik der Partei, er sei der Auffassung, dass der VIII. Parteitag zwar nicht der Deklaration nach, aber wohl in seinen Auswirkungen »intelligenzfeindlich« sei. Wenn es so weitergehe – und alles deute darauf hin –, dann sei über kurz oder lang die Intelligenz der »letzte Dreck im Staate«. Er und seine Frau mokierten sich über Details des sozialpolitischen Programms unserer Partei. Es werde nicht der für die Gesellschaft wichtige Intellekt, sondern die »Zeugungskraft« prämiiert. Ihnen graue schon davor, dass ihnen vielleicht in ihrem schönen Hochhaus Gören aus Arbeiterfamilien schreiend und tobend begegnen würden.

Die gegenwärtige Haltung des Schriftstellers Erik Neutsch86 sei als zweifelhaft zu bezeichnen. Neutsch beziehe eine Position, in der er bei jeder Gelegenheit die Kulturpolitik unserer Partei beanstande. Die Kulturpolitik öffne nach seiner Auffassung zu viele Ventile für »revisionistische« Kräfte und gebe diesen Gelegenheit, sich zu sammeln. Dabei unterzog Neutsch das »Impressum« von Hermann Kant einer scharfen Kritik und bezeichnete alle diejenigen, die sich für dieses Buch einsetzen, als »revisionistische Kräfte«.

Er betonte in anderen Gesprächen, dass er Entscheidungen auf kulturpolitischem Gebiet in der DDR nicht verstehe. Er wandte sich dagegen, dass man Stephan Hermlin und Hermann Kant großzügig Reisen in das Ausland gewähre. Man müsse fragen, wo diese Schriftsteller in der Literatur und im Verband stehen und wie sie bisher die DDR im Ausland vertreten hätten, wer die Verantwortung übernehme, dass diese Schriftsteller im Ausland »ordentlich auftreten«. Nach Äußerungen des Genossen Henniger, Sekretär des DSV, identifiziere sich mit Neutsch in gewisser Hinsicht auch Bernhard Seeger. Neutsch habe sich in Äußerungen verschiedentlich auf Gespräche mit Bernhard Seeger bezogen. Die Haltung Neutschs sei zum Teil darauf zurückzuführen, dass er sich um die Veröffentlichung eines Manuskriptes bemühe, das bisher zurückgestellt wurde.

Der Schriftsteller Bartsch,87 dessen ideologische Haltung als schwankend einzuschätzen ist – er arbeitet zurzeit an einem Auftragsroman88 über Friedrich Engels89 – brachte zum Ausdruck, er könne nicht über positive Probleme schreiben, weil dann keine Kunst dabei herauskomme. Die Dramatik eines Romans liege im Widerspruch, und deshalb müsse der Schriftsteller von einem negierenden Standpunkt an die Gestaltung gesellschaftlicher Probleme herangehen. Er beklagte sich darüber, dass seine Kunst von verantwortlichen Funktionären in unserem Staate nicht verstanden werde.

Der Schriftsteller Claus Hammel90 äußerte Befürchtungen, dass er durch die gegenwärtige »Linie« in der Kulturpolitik »in die Ecke gestellt werde«. Hammel – wie auch der Schriftsteller Günter Rücker, der eine ähnliche Auffassung vertrat – brachte solche Meinungen auch in Anwesenheit Westberliner Bürger, die sich besuchsweise in der Hauptstadt der DDR aufhielten, zum Ausdruck.

Im Schriftstellerverband sind gegenwärtig die Diskussionen und Auseinandersetzungen um Hermann Kants Buch »Das Impressum« noch nicht beendet. Die Meinungen über Aussage und Anliegen des von Kant dargestellten Stoffes sind sehr differenziert.

Als scharfer Kontrahent des Buches trat mehrfach Erich Neutsch in Erscheinung. Seiner Meinung nach sei das Buch »geprägt vom Spaß und Ärger, aber beides nicht im produktiven Sinne«; es gäbe keine echten Entwicklungspunkte der Figuren und keine echten Umschwünge. Da auch der Stil »makaber« sei, wäre es schade, dass dieses Buch so und noch dazu von Kant geschrieben worden sei.

Neutsch wird in seiner Auffassung u. a. von Werner Ilberg (PEN-Zentrum der DDR) unterstützt, der z. B. äußerte, er habe ein »zwiespältiges Gefühl« beim Lesen dieses Buches und sei erfreut, dass auch der »Sonntag«91 solche Wahrnehmungen widerspiegele, obwohl die Rezension in bestimmten Passagen als »überspitzt« angesehen werden müsse. (Die Rezension im »Sonntag« über »Das Impressum« wurde von den Schriftstellern stark beachtet.92 Von vielen wird die Anlage der Rezension als zu einseitig pauschal verurteilt. Keisch und Stern treten dabei mit Auffassungen in Erscheinung, die Veröffentlichung der Rezension sei ein »Testfall«, wie weit die Aufforderung des VIII. Parteitages ernst genommen werde und sich konträr gegenüberstehende Meinungen auch in der Öffentlichkeit behaupten könnten.)

Nachhaltig für Kant setzte sich Eva Strittmatter93 u. a. mit der Behauptung ein, Kant habe eines der wichtigsten Bücher der letzten zehn Jahre veröffentlicht.

Auch Peter Edel94 vertrat mehrfach die Meinung, in diesem Buch seien viele Geschichten von großem persönlichem und emotionalem Reichtum enthalten.

Hermann Kant äußert sich zur Literaturdiskussion über sein Buch sehr befriedigend. Er hob mehrfach hervor, dass der VIII. Parteitag unter den Schriftstellern eine Reihe Diskussionen im positiven Sinne ausgelöst habe. Viele Schriftsteller würden ihre Meinung äußern, obwohl sie vor dem VIII. Parteitag äußerst zurückhaltend gewesen wären.

Gegenwärtig versucht der Lyriker Adolf Endler besonders unter einer Gruppe junger Kulturschaffender mit einer revisionistischen Konzeption wirksam zu werden, die auf eine Trennung von Partei und Kunst sowie auf eine Rehabilitierung von Personen, die wegen ihrer staatsfeindlichen Tätigkeit in den vergangenen Jahren inhaftiert waren, ausgerichtet ist. Endler trat mit seinen »Ansichten« durch einen Artikel in der Zeitschrift »Sinn und Form«, Heft 11/71, an die Öffentlichkeit.95

Unter einem bestimmten Teil von Kulturschaffenden fand Endler damit auch Resonanz. Von ihnen wurde der Artikel als »Teil eines echten Meinungsstreits«, »Förderung der Lyrik« oder »Aktivierung der Literaturwissenschaft und Literaturkritik« bezeichnet.

Von diesem Personenkreis wird mit Spannung ein von Endler gesprächsweise angekündigter neuer Artikel in der Zeitschrift »Sinn und Form« erwartet, der eine Antwort auf eine Veröffentlichung des Schriftstellers Weisbach96 (Erwiderung auf den Artikel Endlers in 11/71) darstellen soll.

Endler stützt sich besonders auf junge Lyriker, mit denen er regelmäßig zusammentrifft und über Fragen der Lyrik und Kulturpolitik der DDR diskutiert.

Zu der um ihn gescharten Gruppe gehören u. a. Volker Braun, Heinz Müller,97 Czechowski, Rainer Kirsch, Sarah Kirsch,98 Karl Mickel, Thomas Brasch99 und Andreas Reimann,100 Kito Lorenc,101 Tkaczyk102 sowie Endlers Ehefrau Elke Erb.103

Endler verfolgt gegenwärtig weiter aufmerksam die Resonanz von Kulturschaffenden auf seinen Artikel in »Sinn und Form«. Er betont gegenüber seinen Bekannten und den Angehörigen der erwähnten Gruppe, dass er seinen Artikel nach wie vor als »beste Provokation, die es in der Literaturgeschichte der DDR gab, die am folgenreichsten für den Aufbruch des Eises« gewesen sei, betrachte. Er rühmt sich damit, dass »alle Schriftsteller der DDR« für seinen Artikel seien, und es sei bezeichnend, dass sich alle Literaturwissenschaftler dagegen wenden würden.

Endler hebt in Äußerungen hervor, er habe viele zustimmende Zuschriften zu seinem Artikel erhalten. Stephan Hermlin habe ihm z. B. geschrieben: »Ihre Rezension in ›Sinn und Form‹ war eine Erholung, nachdem die Quantität des Blödsinns auf das Erstaunlichste gestiegen war. Im Moment scheint es so, als hätten nicht nur die Verbreiter peremptorischen (endgültig) Quarks das Wort. Freilich wird es schwierig sein, Leuten, die gewohnt waren, widerspruchslos zu monologisieren, beizubringen, dass auch noch andere Meinungen existieren.«

Christa Wolf104 habe Endler zu seinem Mut gratuliert und ihn aufgefordert, er möge »ausharren«, auch wenn der Erfolg nicht gleich eintrete.

In anderen individuellen Gesprächen vertrat Endler die Meinung, es sei zu einer »Kräfteverschiebung« innerhalb der Literaturproduzenten gekommen. Von Lyrikern und Schriftstellern würden solche Schriftsteller, die sich »bloßgestellt« hätten – wie Heym und Biermann105gemieden, um keine Verdachtsmomente gegen die eigene Person aufkommen zu lassen. Diese »jüngere und mittlere Generation« – damit meint er offensichtlich die mit ihm sympathisierenden Lyriker – könne ohne »Verdachtsmomente« und infolge einer besseren sozialen Sicherstellung ungeniert operieren, sie könne eine »Front« aufbauen. In den meisten Fällen würden sich die jüngeren Lyriker nach Meinung von Endler bewusst aus der Öffentlichkeit zurückziehen und in Berufen arbeiten, die Anonymität gewährleisten. In dieser »inneren Emigration« würden sie Gedichte schreiben, die man als »kritisch gegen den Sozialismus« bezeichnen könne.

In anderen internen Gesprächen stellt Endler eine These vom Verstummen bedeutender Lyriker der DDR gegen Ende der 1950er-Jahre auf. Das Verstummen wäre zurückzuführen auf Erschrecken und Entsetzen über die Folgen des Personenkults in der SU, auf Unzufriedenheit und Abscheu davor, dass die Probleme des Personenkults in der DDR nicht geklärt und diskutiert worden seien und auf Enttäuschung darüber, dass sich der Sozialismus nicht als die neue Gesellschaftsordnung herausgestellt habe, die man sich erhofft hatte. Diese Fragen wären von den Lyrikern der 1950er-Jahre besonders sensibel empfunden worden und seien Anlass gewesen, dass sich in ihren Arbeiten als Grundtenor Düsterkeit und Traurigkeit herausgebildet hätten. Diese Aussage werde jedoch von der Öffentlichkeit nicht akzeptiert, und dadurch seien auch diese Lyriker dazu übergegangen, nur für den eigenen Bedarf und für die Verständigung untereinander zu schreiben.

Dem MfS wurde bekannt, dass sich die Präsidentin des DSV, Genossin Anna Seghers,106 während des Empfangs der vom DSV zu Ehren des 1. Sekretärs des sowjetischen Schriftstellerverbandes107 im Palais Unter den Linden gegeben wurde, in einem Gespräch mit den Mitarbeitern der sowjetischen Botschaft Tschikin108 und Scharow109 in russischer Sprache äußerte: »Hört mal, was macht Ihr denn nur mit dem Solschenizyn, lasst ihm doch endlich seinen Nobelpreis, den er ja doch bekommen hat«. (Wiedergabe sinngemäß)

Die sowjetischen Vertreter versuchten, auf Anna Seghers beruhigend einzuwirken, diese wiederholte aber ihre Aufforderungen noch etwa zwei- bis dreimal. (Während des Gespräches hielt sich das Mitglied des Präsidiums des DSV Kurt Stern ständig in der Nähe der sowjetischen Gesprächsteilnehmer und Anna Seghers auf. Es entstand der Eindruck, dass Stern das Gespräch unbedingt mithören wollte.)

Nachdem A. Seghers noch etwa 15 Minuten an der Tafel des Empfangs gesessen hatte, verließ sie den Raum. Infolge des Taktgefühls der sowjetischen Teilnehmer entwickelte sich das Gespräch dennoch in freundschaftlicher Weise, jedoch zeigte Anna Seghers Spuren der Erregung.

Dem MfS wurde intern weiter bekannt, dass der Schriftsteller Stefan Heym beabsichtigte, im Zusammenhang mit dem geplanten Erscheinen seines Romans »König David«110 im westdeutschen Kindler-Verlag Ende Mai 1972 ein Pressegespräch mit westlichen Journalisten durchzuführen. Heym sagte das Gespräch kurzfristig ab und motivierte seine Absage damit, dass er für die zweite Juni-Hälfte eine Plenartagung des ZK der SED zu Kulturfragen erwarte und er nach einer Beratung mit Freunden, die »besser informiert seien als er«, die Möglichkeit in Betracht ziehen müsse, dass dieses Pressegespräch »von gewissen Typen« auf der ZK-Tagung »missbraucht« werden könne. Man könne unter Umständen eine Menge Porzellan zerschlagen, das gerade mühselig gekittet werde, infolge dessen sollte dieses Pressegespräch erst nach der ZK-Tagung stattfinden.

Nach zuverlässigen Informationen zeigen einige Bekannte des Schriftstellers Heym in der gegenwärtigen Situation Verhaltensweisen, die eine gewisse Distanzierung von Heym erkennen lassen. Hierbei handelt es sich u. a. um den Schriftsteller Dr. Peter Hacks,111 den Pfarrer Dr. Walter Beltz112 und den Rechtsanwalt Dr. Karl Kohn.113 Die Ursache für dieses Abrücken sei u. a., dass diese Personen für das enge Zusammenrücken Heyms mit Havemann114 und Biermann nur wenig Sympathien aufbringen. So äußerte der Rechtsanwalt Kohn über eine Zusammenkunft bei Heym, bei der Biermann und Havemann anwesend waren, über die Lieder Biermanns, man hätte es sich überlegen müssen, ob es nicht richtiger gewesen wäre, Biermann einfach hinauszuwerfen, statt sich alles anzuhören. Hacks führte aus, er wolle mit diesen »Revisionisten«, die sich um Heym sammelten und die sich bei Böll, der Heym aufgesucht hatte, »ausgeheult« hätten, nichts mehr zu tun haben. Hacks sowie auch Kohn weichen Versuchen aus, die Heym unternimmt, um mit ihnen zusammenzutreffen.

(Das Verhalten von Dr. Kohn entspricht, wie aus weiteren internen Hinweisen bekannt wurde, nur taktischen Gesichtspunkten, ändert jedoch nichts an seiner politischen Identifizierung mit Heym, Havemann und Biermann.)

Intern wurde dem MfS bekannt, dass Biermann am 26.4.1972 von drei Abgeordneten des niederländischen Parlaments in seiner Wohnung aufgesucht wurde, die auf Einladung des Nationalrates der Nationalen Front115 die DDR besucht hatten. In ihrer Unterhaltung mit Biermann hätten diese Personen ihre Bewunderung über die Errungenschaften der DDR zum Ausdruck gebracht und Biermann aufgefordert, sich dazu zu äußern. Biermann trat dabei in verleumderischer Weise gegen die Republik und ihre gesellschaftliche Entwicklung auf und stellte der progressiven Haltung der holländischen Bürger Thesen entgegen wie:

  • In der DDR herrsche keine Arbeiterdemokratie, es gebe nur die Diktatur einer Clique von Berufsrevolutionären, keine Diktatur des Proletariats.

  • Die Produktionsmittel lägen nicht in den Händen des Volkes, sie seien nicht Volkseigentum, sondern Staatseigentum.

  • In der DDR herrsche das schärfste Akkord-Lohn-System.

  • Es gäbe keine Presse- und Meinungsfreiheit in der DDR.

  • Allen ausländischen Delegationen werde die Realität der DDR durch manipulierte Reise- und Besichtigungsprogramme verschwiegen.

  • In der DDR werde der Prozess der gesellschaftlichen Entwicklung zur sozialistischen Demokratie durch periodisch wiederkehrende Liberalisierungswellen aufgehalten.

Die wichtigste Voraussetzung zur Veränderung der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR wäre, die Diktatur der »Clique von Berufsrevolutionären« in die Diktatur des Proletariats umzuwandeln. Biermann fragte abschließend die Abgeordneten, warum sie für die Anerkennung der DDR arbeiten. Sie sollten auch von ihrer Pflicht Gebrauch machen, in ihrer Öffentlichkeit die gesellschaftlichen Zustände in der DDR zu kritisieren.

Die Auseinandersetzung um die Frage der »Tabus auf dem Gebiet von Kunst und Literatur« nehmen nach wie vor einen bedeutenden Platz ein.

In Äußerungen von Schriftstellern und Kulturschaffenden taucht wiederholt die Meinung auf, die Diskussion um die Frage des Tabus wäre die Aufforderung, Stoffe zu liefern, die in der Vergangenheit aus politischen Unsicherheiten »in die Schublade gearbeitet« wurden und erlaube »Freizügigkeit«.

Das Mitglied des ZK der SED und Präsidiumsmitglied des Schriftstellerverbandes Helmut Sakowski116 brachte in einem privaten Gespräch zu diesem Problem zum Ausdruck, diese Diskussion beunruhige ihn, da hierdurch zur Wahl der Konfliktstrukturen wieder neue Normative gesetzt würden, die sich am Ende als neues Tabu auswirken könnten. Sakowski bemerkte weiter im Kreise vieler Dramatiker, insbesondere solcher, die mit dem Fernsehen der DDR zusammenarbeiten, und bei Mitgliedern der Akademie der Künste gebe es hierzu Fragen und Unsicherheiten. Zu diesem Problem hätten auch Ausführungen des Leiters der Abteilung Kultur im ZK der SED, Genosse Hoffmann,117 keine Klarheit gebracht. Genosse Hoffmann sei teilweise so verstanden worden, als erwarte die Parteiführung eine Hinwendung der Schriftsteller zur Konfliktlosigkeit, als sei die Frage der Tabus das Kernproblem für die künftige Literatur- und Kunstentwicklung. Zur ästhetischen literarischen Problematik von »gut und besser« müsse es nach den Äußerungen Sakowskis noch weitere Klarstellungen geben, um nicht der künstlerischen Entwicklung ernsten Abbruch zu tun.

Ähnliche Äußerungen wurden vom Genossen Fritz Selbmann118 bekannt, der zum Ausdruck brachte, auf dem Gebiete der Konflikttheorie seien Positionen zurückgenommen worden, die bereits vor und mit dem VIII. Parteitag als gesichert erschienen. Er fürchte, dass der alten, falschen Theorie von der Konfliktlosigkeit neuer Auftrieb gegeben werden könne.

Der Präsident des PEN-Zentrums der DDR, Prof. Heinz Kamnitzer,119 brachte zur Frage der Tabus und zur gegenwärtigen Kulturpolitik der DDR intern zum Ausdruck, es sei die Zeit gekommen, in der man sogenannte Schreibverbote aufheben könne. Dabei nannte er Namen wie Rainer Kunze und Stefan Heym, denen stärkere Publikationsmöglichkeiten eingeräumt werden sollten. Kamnitzer argumentierte, es sollte allein den Nazis überlassen werden, zur Methode des Schreibverbotes zu greifen. Nach seiner Auffassung wäre Heym ohne weiteres bereit, z. B. über seine Position gegenüber den USA und dem amerikanischen Imperialismus zu schreiben, eventuell auch in Form von Artikeln oder Reportagen. Kamnitzer selbst bemängelt in der DDR das Fehlen einer größeren Zeitschrift für Weltliteratur und bemerkte dazu, die Situation verlange eine breitere Informierung über die literaturpolitischen und ideologischen Vorgänge in der DDR und der übrigen Welt.

Auseinandersetzungen gibt es gegenwärtig auch mit modernistischen und formalistischen Tendenzen im Bereich der Musik, insbesondere im Bezirk Dresden. Der Dresdener Komponist Genosse Prof. Karl-Rudi Griesbach,120 der 1950 wegen der negativen kulturpolitischen Entwicklung in der BRD in die DDR übersiedelte und hier die Tochter des Komponisten Prof. Ottmar Gerster121 heiratete, äußerte, die kulturpolitische Entwicklung auf dem Gebiete der Musik sei in Dresden nicht mehr zu vertreten. Die Tendenzen, die vor 20 Jahren in Westdeutschland aufgetreten seien und deretwegen er von dort weggegangen sei, begännen sich jetzt auch bei uns zu zeigen. Man missbrauche die Auffassung, dass es für die Kunst keine Tabus gebe, in reichlichem Maße gegen die Entwicklung der sozialistischen Kultur. Man habe zwar an der Hochschule für Musik in Dresden die Studenten »noch in der Hand«, was nutze es aber, wenn die Dirigenten im Interesse eines bestimmten Dresdener Musikpublikums erklären würden, nur solche Kompositionen von jungen Komponisten aufzuführen, die »wirklich modern« seien.

In Dresden verstehe man auf dem Gebiete der Musik unter modern z. B., dass die Geige nicht nur ein Streichinstrument sei und benutze sie zum Kratzen und zum Klopfen. Statt Harmonie gebe es Disharmonie, statt musikalischer Aussage Effekt. Der Erfolg sei, dass Konzerte in Dresden, die keine sogenannte »moderne« Musik aufwiesen, ausgepfiffen würden.

Der Komponist Müller-Medek,122 dessen Kompositionen vorwiegend im kapitalistischen Ausland aufgeführt werden, äußerte zur Kulturpolitik, er sei der festen Überzeugung, dass seine Werke, die bisher wegen ihres modernistischen Charakters in der DDR nicht allzu sehr erwünscht gewesen seien, eines Tages auch hier zur Aufführung gelangen würden, und wenn das nicht geschehe, dann würden sie eben in einem anderen Land aufgeführt. Er mache sich darüber keine Sorgen. Müller-Medek ist gegenwärtig in seiner künstlerischen Tätigkeit sehr produktiv.

(Er gehört zum Kreis der aktiven Teilnehmer der »Mitternachtsmesse«123 an der Komischen Oper wie auch die Komponisten Siegfried Matthus124 und Heinz Dittrich.)

Einige Hinweise zu Diskussionen aus den Bereichen Rundfunk, Fernsehen, Theater:

In der Abteilung Hörspiel des Staatlichen Komitees für Rundfunk ist besonders in den letzten vier Monaten festzustellen, dass verschiedene Dramaturgen, wie z. B. Siegfried Pfaff125 und Peter Goslicki,126 bei der Gestaltung von Hörspielen literarisch-ästhetische Mittel überbetonen. Hierdurch wird der politische Inhalt dieser Stücke zurückgedrängt bzw. verwässert.

(Pfaff gehört in der Hörspielabteilung zu den wortführenden Spitzendramaturgen.)

Pfaff zweifelte mehrfach Entscheidungen der Leiter der Staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen an und forderte eine stärkere differenzierte Darstellung der Realität.

Der Leiter der Abteilung Hörspiel, Genosse Dr. Peter Gugisch,127 identifizierte sich mit den Ansichten der Dramaturgen Pfaff und Goslicki.

Gegenwärtig gibt es in Kreisen der Mitarbeiter des Rundfunks Diskussionen, Gugisch habe »keinen Schneid« mehr, sich gegenüber dem Staatlichen Komitee für Rundfunk und der Hauptabteilung mit seiner »oppositionellen Haltung« durchzusetzen und seine Meinung zu vertreten; er wende eine neue Taktik an, die Taktik der offiziellen Bejahung und der inoffiziellen Diskriminierung leitender Mitarbeiter. Er verbreite, er werde ständig »von oben unter Druck gesetzt«.

Bei Mitarbeitern dieses Bereiches gibt es Auffassungen, die Leitung der Hauptabteilung habe nur »aus Angst« vor dem bevorstehenden Plenum begonnen, Auseinandersetzungen mit politisch fehlerhaften Auffassungen zu führen.

Im ersten Halbjahr 1972 wurden bisher ca. 50 000 Mark in Hörspiele investiert, die aufgrund politisch-ideologischer Mängel und anderer Schwächen nicht gesendet werden konnten.

Dem MfS wurden Äußerungen des stellvertretenden Leiters der Abteilung Kultur bei »Radio DDR«, Werner Preuss,128 bekannt. Als er auf eine mangelnde ideologische Aussage der von ihm betreuten Sendungen hingewiesen worden war, hätte er sich anfangs damit herausgeredet, er wolle lieber »keine heißen Eisen« anfassen. Später schob er alles, was Tendenzen der Entideologisierung betraf, auf seinen freien Mitarbeiter Klaus Sommer,129 der im Wesentlichen dafür gesorgt habe, dass Sendungen nicht mehr mit Kommentaren und ideologischen Erläuterungen versehen würden.

Nachdem bei der Neuprofilierung der Sendungen von »DT 64«130 von der Intendanz festgelegt worden war, dass eine Drei-Minuten-Sendung für Nachrichten einzuplanen ist, stieß diese Maßnahme besonders beim Redaktionsleiter Kühn131 auf Widerstand. Er lehnte eine politische Nachrichtensendung im Rahmen dieses Jugendprogramms strikt ab, mit der Begründung, »harte Politik« passe nicht in diese Sendung. (»DT 64« wird von verschiedenen Redakteuren als eine unpolitische und reine Musiksendung für die Jugend betrachtet.)

Im Bereich Dramatische Kunst des Fernsehens herrscht nach internen Hinweisen die Meinung vor, dass die Arbeit jetzt »freier« vonstattengehe »als zu Ulbrichts132 Zeiten«. Man könne experimentieren und neue Wege erforschen. Die Parteiführung brauche »nicht offen« zu den Beschlüssen der 11. ZK-Tagung Stellung zu nehmen. Es »genüge« schon, wenn man dem einen oder dem anderen Autor, die damals betroffen wurden, mitteile, dass ihre »Rehabilitierung« dokumentiert sei.

Einige Fernsehautoren sprachen Vermutungen aus, dass sich aus der gegenwärtigen Kulturpolitik der DDR vermutlich eine Revision des 11. Plenums und eine »Rehabilitierung« der kritisierten und unveröffentlichten Filme und Fernsehstücke ergeben werde.

In der Abteilung Dramatische Kunst des Fernsehens der DDR bestehen gegenwärtig Schwierigkeiten bei der Inszenierung von Gegenwartsstücken, die sowieso nur in ungenügender Anzahl vorhanden seien.

Die Interpretation und politische Auslegung solcher Stücke erfolgen durch die Verantwortlichen außerordentlich differenziert.

Es sei eine bestimmte Scheu vor Entscheidungen festzustellen, deren Ursache in der »Angst« zu suchen sei, später im Kreuzfeuer der politischen Kritik zu stehen. Einige Mitarbeiter äußerten sich in Diskussionen gegen bestimmte »Kontrollen« und »Einsprüche«, die immer wieder von übergeordneten Stellen – wahrnehmbar für einen größeren Kreis von Mitarbeitern des Fernsehens – geltend gemacht würden.

Der festangestellte Autor des DDR-Fernsehens Klaus Jörn,133 tätig für den Bereich Dramatische Kunst (nach dem 11. Plenum 1965 aufgrund fehlerhafter Leitungstätigkeit im Fernsehen abgelöst), bemängelte, dass Autoren, Dramaturgen oder Regisseure an Publikumsorgane, Verlage oder den Rundfunk nur dann Interviews geben dürfen, wenn sie von der Leitung des jeweiligen Bereiches befürwortet würden. Er halte diese »Kontrollen« der Leitung für überflüssig, da diese Mitarbeiter genügend Bewusstsein hätten, um den »Zeitungsleuten« politisch richtige Antworten zu geben. Man müsse im Allgemeinen den Mitarbeitern mehr Vertrauen schenken, wie z. B. dem Autor und Regisseur Bellag,134 der von der Zeitung FF135 interviewt wurde, ohne dass die Leitung des Bereiches Dramatische Kunst vorher davon informiert war. Bellag vertritt zur Situation in der Dramatischen Kunst im Fernsehen der DDR die Auffassung, man arbeite nur mit Starautoren, wie Sakowski, Egel136 und Wogatzki,137 während andere Autoren nicht zum Zuge kämen. B. wurde Pfingsten 1972 von dem Westberliner Kabarettisten Wolfgang Neuss138 besucht, der früher zum Umgangskreis Biermanns gehörte. Hinsichtlich der weiteren ZK-Tagungen erwarte Jörn, dass die Parteiführung Festlegungen treffen werde, damit unsere Bürger aus »Verklemmungen« und »Verspießerungen« herauskämen. Ein Ausdruck für derartige »Verklemmungen« sei, dass bei der zweiten Sendung »Ein Kessel Buntes«139 eine Reihe von DDR-Bürgern bei Auftritten ausländischer Interpreten, wie Ricky Shayne,140 sich nicht im Klaren gewesen seien, ob sie Beifall klatschen dürften oder nicht. Die »Verklemmungen« seien vor allem auch bei einigen staatlichen Leitern festzustellen, die sich stets an gegebene Orientierungen »von oben« halten.

Die Dramaturgin des DDR-Fernsehens Änne Keller141 brachte Unzufriedenheit über die Nichtauszeichnung ihres Filmes »Rottenknechte«142 zum Ausdruck und bezeichnete das als »Undank«. Gegenüber aktuellen Problemen, wie der Geste des guten Willens143 sowie der Verurteilung der amerikanischen Aggression in Südostasien,144 zeigte sie sich in letzter Zeit aufgeschlossener.

Im Bereich Kinder, Jugend und Sport des DDR-Fernsehens zeigten sich ideologische Mängel, die dazu führten, dass die am 6.5.1972 vorgesehene Fernsehsendung »Disco-Treff«145 nicht gesendet werden konnte. Im Mittelpunkt der Sendung stand eine Kapelle aus Berlin mit dem Namen »Joco-Dev-Septett«.146 Der Leiter und Hauptakteur würde wie ein »Jesus-Jünger«147 aussehen und sei in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt. Durch Genosse Adameck148 wurden die Produzenten kritisiert, mit derartig verwahrlost aussehenden Kapellen überhaupt Sendungen zu produzieren. Durch den APO-Sekretär, Genosse Kohlsdorf149 wurde die Kritik mit der Bemerkung abgeschwächt, jetzt sähen alle so aus, und man müsse sich damit abfinden.

Große Aufmerksamkeit unter Kulturschaffenden fand die Aufführung des Films »Die Sonnensucher«150 im Fernsehfunk der DDR. Vielfach wurden daran Erwartungen geknüpft, dass auch andere Filme, die in der Vergangenheit gedreht wurden, aber aus den verschiedensten Gründen für eine Veröffentlichung nicht freigegeben werden konnten, nun zur Aufführung gelangen. Diese Meinung vertrat z. B. der Schauspieler Manfred Krug.151 Er hoffe, dass hierzu der Film »Spur der Steine«152 gehöre. Letzten Endes sei ihm das aber gleichgültig, denn er habe »sein Geld für die Arbeit an diesem Film erhalten«.

Der Regisseur Jürgen Böttcher,153 DEFA-Studio für Kurzfilme, der für seinen Film »Song International«154 anlässlich der 14. Internationalen Dokumentar- und Kurzfilmwoche in Leipzig155 eine »Goldene Taube«156 erhielt, brachte zum Ausdruck, er wolle sich darum bemühen, dass seine 1960 geschaffenen Filme »Barfuß und ohne Hut«157 sowie »Drei von vielen«158 zur Aufführung gelangen. Er wäre auch bereit, kleinere Veränderungen an diesen Filmen im Interesse einer Aufführung vorzunehmen. Er äußerte, gleichzeitig mit der »neuen außenpolitischen Linie der DDR« zeige sich auch eine »neue Kulturpolitik«, die »liberaler« durchgeführt würde, als es unter der Führung Walter Ulbrichts möglich gewesen sei. Genosse Walter Ulbricht hätte vermutlich der Geste des guten Willens ebenfalls nicht zugestimmt, weil es sich hierbei um eine gewisse Preisgabe politischer Prinzipien handele.

(Über Böttcher ist bekannt, dass er plant, im Atelier des freiberuflichen Fotografen [Name, Vorname] ein Treffen mit Fotoamateuren durchzuführen, auf dem Kurzfilme gezeigt werden.)

Der Schriftsteller und Dramaturg Gerhard Bengsch159 äußerte im Zusammenhang mit der Aufführung des Films »Sonnensucher« in einem persönlichen Gespräch, nach zwölf Jahren zeige sich, dass die künstlerische Sprache dieses Films in vieler Hinsicht veraltet sei. Auch die einzelnen Gestalten des Filmes seien nicht genügend anhand der Fabel ausgearbeitet. Die Wirkung des Filmes sei nicht besonders positiv; er sei zum größten Teil künstlerisch und auch im Aussagegehalt verschlüsselt. Eine ähnliche kritische Stellungnahme über den Film »Sonnensucher« gab der Schriftsteller Paul Herbert Freyer160 in einem persönlichen Gespräch ab. Der Mitarbeiter der Zeitschrift »Neue deutsche Literatur«, Achim Roscher, brachte zum Ausdruck, die jetzige Aufführung des Filmes »Sonnensucher« sei nach seiner Auffassung eine »unnötige Konzession«. Manche Leute würden glauben, dass jetzt auch viele andere damals nicht aufgeführte Filme zur Sprache kämen. In dieser Richtung äußerte sich auch die Bildhauerin Ingeborg Riehl-Hunzinger.161 Das ehemalige Mitglied des ZK, Anton Ackermann,162 äußerte nach der Sendung »Sonnensucher« gegenüber Rundfunkmitarbeitern: »Ich werde verrückt, den Film zeigen sie jetzt, nachdem ich damals über die Klinge springen musste.« Er habe schon damals die Meinung vertreten, man solle diesen Film zeigen und fasse das jetzt als eine indirekte Rehabilitierung auf.

Umfangreiche Diskussionen traten im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Situation in der Unterhaltungskunst auf. Im Mittelpunkt der Kritiken stand besonders die erste Fernsehsendung von »Ein Kessel Buntes«; in gewissem Umfang auch die zweite Sendung, speziell der Auftritt von Ricky Shayne. Von Mitarbeitern des Rundfunks wurde zum Ausdruck gebracht, es handle sich dabei um einen krampfhaften Versuch, westliche Methoden der Show nachzuahmen, und dazu noch in schlechter Art und Weise. Zum anderen seien überhöhte Honorare für aufgetretene westliche Künstler, wie z. B. »Manuela«163 und Danyel Gérard,164 die je 9 000 Westmark und 3 000 Mark der DDR für einen Auftritt erhalten hätten, diskriminierend für DDR-Künstler. Es gab häufig Kritik am Inhalt eines von Gérard vorgetragenen französischen Liedes,165 worin er zum Ausdruck brachte, er sei in den USA gewesen, in Japan und jetzt hinter der »Mauer«, und überall habe er Leute getroffen, die gleich seien, nichts weiter wünschten, als ihr Glück und in Ruhe gelassen zu werden.166

Eine ähnliche Kritik an dieser Sendung wurde auch von der Schriftstellerin Gisela Steineckert167 vor Berliner Schriftstellern vorgetragen.

Der Schauspieler Erwin Geschonneck168 führte aus, in den Programmen des Fernsehens sei jetzt sehr oft eine Anlehnung an spätbürgerliche Kunst- und Kulturpraktiken festzustellen. Eine Reihe unserer Unterhaltungsprogramme könne ohne jede Korrektur im Westfernsehen gezeigt werden, so unpolitisch und illusionär seien sie. Übertrieben oft würden in Unterhaltungsprogrammen Lieder in englischer Sprache gebracht, wobei es sich meist um Lieder kleinbürgerlichen Inhalts handle, die wenig Beziehung zu unseren Klasseninteressen haben.

Auch im Bereich der darstellenden Kunst, unter Schauspielern und Bühnenkünstlern, zeigen sich in Diskussionen Tendenzen, die die »Notwendigkeit einer Revision« der Einschätzungen der Partei, insbesondere der Feststellungen der 11. ZK-Tagung, betonen.

Am Deutschen Theater Berlin z. B. vertraten die Regisseure Dreesen169 und Sagert170 die Auffassung, unsere Kulturpolitik könne es sich gegenwärtig nicht mehr leisten, »kleinkariert« zu sein. Sie prophezeiten eine größere »Freizügigkeit« und warfen gleichfalls die Frage auf, wann das 11. Plenum »endlich korrigiert« werde.

In letzter Zeit wurden Hinweise zur weiteren Entwicklung der Auseinandersetzung zwischen Vertretern des Präsidiums des Theaterverbandes der DDR und dem Sekretär der Bezirksleitung der SED, Genosse Dr. Roland Bauer,171 bekannt. (Diese Auseinandersetzungen waren durch die Kritik des Präsidiumsmitgliedes des Theaterverbandes Dr. Nössig172 an den Inszenierungen einiger Berliner Theater zustande gekommen.)

Der Präsident des Theaterverbandes der DDR, Wolfgang Heinz,173 äußerte sich mehrfach erregt über Ausführungen des Genossen Bauer am 28.3.1972 vor Berliner Parteisekretären. Nach Meinung des Genossen Heinz würden die Äußerungen des Genossen Bauer den Ausführungen des Genossen Hager in der Akademie der Künste widersprechen und dem Ansehen des Theaterverbandes der DDR schaden. Dr. Bauer habe im Mai 1972 dem Theaterverband in einem Gespräch mit dessen Präsidenten, Wolfgang Heinz, den Vorwurf gemacht, dass Dr. Nössig bei seiner Kritik im Auftrage einer »Gruppe« im Theaterverband gehandelt habe. Nössig hatte sich aber bei seiner Kritik an eine Festlegung des Parteiaktivs des Verbandes gehalten, in der festgelegt worden war, dass die Präsidiumsmitglieder Dr. Nössig, Mäde,174 Prof. Kayser175 und Prof. Rohmer176 zu den fragwürdigen Inszenierungen Stellung nehmen sollten. Die Auseinandersetzungen sollen jetzt durch die Kulturabteilung des ZK der SED unterbunden worden sein. Von einigen Kulturschaffenden wird die Ansicht vertreten, dass Genosse Bauer die ganze Angelegenheit auf der bevorstehenden Plenartagung des ZK der SED zu Kulturfragen erneut zur Sprache bringen werde.

Der Parteisekretär des Henschel-Verlages äußerte die Ansicht, man müsse sich fragen, ob es noch richtig sei, wenn sich die Zeitschrift »Theater der Zeit«177 noch auf den Theaterverband stütze und sich an ihm orientiere, oder ob es nicht besser für die Zeitschrift sei, sich auf solche Leute zu orientieren, die »zurzeit den längeren Arm haben«. Dabei nannte er Personen wie Ruth Berghaus178 und Benno Besson.179 Gerade das seien aber Leute, die vom Genossen Nössig aufgrund mangelhafter ideologischer Konzeptionen einiger Inszenierungen an ihren Theatern kritisiert worden wären.

Kritische Äußerungen wurden an der Deutschen Staatsoper festgestellt. Kammersänger Martin Ritzmann,180 Mitglied der SED, äußerte, er habe die letzte Parteiversammlung der GO der SED an der Staatsoper vorzeitig verlassen. Er habe es einfach nicht mehr ausgehalten, sich das leere Gerede des Intendanten, Genosse Prof. Pischner,181 und seiner Stellvertreter anzuhören. Das kenne er schon auswendig und habe für ihn jeden Wert verloren, weil die Reden Pischners nichts als Versprechungen und Alibis enthielten. Pischner stelle seine persönlichen Vorteile über alles und bemäntele dies geschickt mit politisch sehr wohlgesetzten Worten. Das Gegenteil spreche jedoch aus dem Verhalten seiner Ehefrau und seiner Tochter, die sich ausschließlich nach dem Westen orientierten. Insbesondere sprach Ritzmann von zahlreichen Westkontakten, die die Familie Pischner unterhält, und der besonderen Förderung des Münchner Komponisten Bialas182 durch Pischner. Ritzmann habe nur wenig Interesse, kritisch aufzutreten; er verwies auf das Beispiel des ersten Konzertmeisters der Staatsoper, Prof. Morbitzer,183 der viel über die politische Atmosphäre in der Familie Pischner wisse und in dieser Angelegenheit Pischner mehrfach kritisiert habe. Morbitzer sei deshalb von seiner Funktion als Vorsitzender des Künstlerisch-ökonomischen Rates von Pischner abgelöst worden. Morbitzer habe dem Intendanten in seiner Funktion als Vorsitzender dieses Rates und in dessen Auftrag mehrfach Briefe wegen zu stark betonter Förderung westlicher Künstler geschrieben, ohne jedoch darauf eine Antwort erhalten zu haben.

Erneut treten im Zusammenhang mit dem ungesetzlichen Verlassen der DDR durch einzelne Kulturschaffende, wie z. B. den ehemaligen Bühnenbildner Achim Freyer184 von der Volksbühne Berlin bzw. den Meistertänzer Claus Schulz,185 Diskussionen über Reisemöglichkeiten in das westliche Ausland auf.

Der zum Bekanntenkreis Biermanns gehörende freischaffende Maler und Grafiker sowie Bühnenbildner der Volksbühne Berlin Ronald Paris186 führte aus, er »bewundere« Freyer und dessen Entschluss, noch einige Zeit in Italien zu bleiben, um das Land kennenzulernen. Paris meinte, es sei ungerecht, dass DDR-Bürger aus anderen Berufen häufig in das westliche Ausland reisen dürften, nur bei bildenden Künstlern sei so etwas nicht möglich.

Durch die Regisseure Wekwerth187 und Tenschert188 wurde zum Ausdruck gebracht, an den großen Berliner Theatern, wie dem Deutschen Theater und dem Berliner Ensemble, sei gegenwärtig eine Misere zu verzeichnen, wobei der Leitungsstil des Ministeriums für Kultur auf dem Theatergebiet maßgeblich dazu beitrage. Weder der für das Theater verantwortliche stellvertretende Minister Genosse Dr. Rackwitz189 noch der Leiter der Abteilung Theater im Ministerium für Kultur, Genosse Schrader, würden von den Künstlern ernst genommen, da sie nur vom Schreibtisch aus arbeiten würden.

Am Deutschen Theater gibt es nach der Ablösung des Intendanten Hanns Anselm Perten190 verschiedentlich Äußerungen des Bedauerns über diese Maßnahme durch Mitarbeiter des Theaters. Ursache hierfür seien Ansichten, sie hätten es bei Perten erreicht, am Theater nach eigenem Ermessen schalten und walten zu können. Sie fürchten, dass der neue Intendant sie in ihren »Freiheiten« beschränken könne, die sie sich gegen Perten erkämpft hätten. Die Schauspieler Hilmar Thate191 und Friedo Solter192 erklärten, sie hätten volles Vertrauen zum Nachfolger Pertens, Gerhard Wolfram193 aus Halle. Bedenken hätten sie aber gegen Schönemann,194 der mit Wolfram komme und der nach ihrer Meinung nicht die künstlerische Qualität habe, um sofort als 1. Regisseur am Deutschen Theater anerkannt zu werden. Sie seien der Auffassung, Schönemann werde sehr schnell von den anderen Regisseuren und Schauspielern des Deutschen Theaters »kaltgestellt«. In dieser Beziehung hätten die Kräfte am Deutschen Theater jahrelange Erfahrungen, und Schönemann wäre nicht der erste Regisseur, der an ihnen scheitern würde.

Im Bereich der bildenden Kunst ist u. a. gegenwärtig festzustellen, dass Vertreter der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wie z. B. Genosse Prof. Heuer195 u. a. Genossen dieser Hochschule, die Befürchtung aussprechen, die »unterschiedlichen Interpretationen« der Kulturpolitik unserer Partei nach dem Parteitag könnten dazu führen, dass eine Reihe bewährter Genossen, die bisher die Linie der Partei im Leben und im künstlerischen Schaffen vertreten haben, jetzt »an den Rand gedrängt und abgewertet« würden. Dabei bezog sich Prof. Heuer auf solche Künstler wie Womacka196 und Bondzin.197 An ihrer Stelle würden unter der Losung des VIII. Parteitages »Alle mitnehmen – keinen zurücklassen« solche Künstler in den Mittelpunkt gestellt wie Fritz Cremer,198 der in sich sehr kompliziert sei, oder Künstler, mit denen die Partei in der Vergangenheit viele Sorgen und Probleme hatte, wie René Graetz.

Andererseits zeigt sich, insbesondere im Bezirk Leipzig unter jüngeren bildenden Künstlern, der sehr verbreitete Standpunkt, man müsse »endgültig Schluss machen« mit dem »dominierenden Einfluss von Womacka und Bondzin«, wenn man es mit der Linie des VIII. Parteitages ernst meine. Womacka und Bondzin seien bisher die »Hofmaler der Partei« gewesen.

Durch die Maler Wodzicka199 aus Rostock und Karlheinz Wenzel200 aus Neubrandenburg wurden Meinungen vertreten, es sei fraglich, ob die Parteibeschlüsse zur Kulturpolitik wirklich bis zur Bezirksebene »vordringen« würden. Auch wenn das Wort der Künstler in Zukunft mehr Beachtung finden solle, zeige sich das noch nicht in Rostock. Bei der Auswahl der Werke des Bezirkes für die Kunstausstellung in Dresden201 wäre festzustellen gewesen, dass nicht die Meinung der Künstler ausschlaggebend war, sondern die der Jurymitglieder aus anderen Berufen, die in der Überzahl seien, wodurch »künstlerisch wertvolle Arbeiten« nicht ausgewählt worden seien.

Am 21.4.1972 fand im Ferienobjekt des Verbandes bildender Künstler der DDR in Wiepersdorf eine Tagung von Kunstwissenschaftlern, Mitgliedern der Sektion Kunstwissenschaft des Verbandes, statt.

Thema war die Einschätzung der Bezirkskunstausstellungen. Es wurde kein Referat gehalten, sondern anhand von Lichtbildern die wichtigsten Bezirksausstellungen vorgestellt. Lea Grundig202 war Gast der Tagung und eröffnete die Diskussion, bei der Fragen zur Debatte standen wie die Rolle der Leipziger Künstler. Lea Grundig forderte, dass die Kritik an allen Künstlern gleichmäßig geübt werden müsse, gleichgültig, um welche Funktion oder Stellung es sich handle.

Sonst würde der Forderung, mit allen Künstlern einfühlsamer und verständnisvoller zu arbeiten, nicht glaubwürdig entsprochen. Zu den Kontrahenten der Genossin Grundig gehörten hauptsächlich Kunstwissenschaftler, die am Institut für Kunstwissenschaften des ZK der SED arbeiten oder dort ausgebildet wurden, wie Dr. Klaus Weidner,203 Dr. Peters204 und Helmut Netzker.205 Sie bejahten zwar den Umgang mit Künstlern in einer anderen Art als bisher, verwahrten sich aber stark dagegen, dass man jetzt auch Leute wie Womacka kritisiere, da dies »zu weit« gehe. Toleranz sei in erster Linie auf Künstler wie Womacka anzuwenden. Künstler wie er hätten die von der Partei verlangten fortschrittlichen Themen bearbeitet. Von den Vertretern des Instituts für Kunstwissenschaften wurde angeführt, dass man den mittleren Kunstwissenschaftlern plötzlich nicht sagen könnte, dass da »Einiges nicht richtig eingeschätzt« worden sei. Die Genossen räumten zwar ein, dass die Entwicklung Womackas nicht so verlaufen sei, dass man sie heute als »positiv« betrachten könne, aber man könne andererseits die offizielle Einschätzung nicht zurücknehmen, dass Womacka der führende Maler sei. Auch eine Veränderung der offiziellen Haltung zu Malern wie Bodzin könne nicht vorgenommen werden. Gleichzeitig wurde aber betont, in Zukunft werde toleranter mit den Künstlern umgegangen werden, man werde mehr zu ihnen in die Ateliers gehen, um persönliche Gespräche zu führen, und berücksichtigen, dass in der Kunst sehr starke individuelle Komponenten wirken. Einige Jahre zuvor hätten die betreffenden Kunstwissenschaftler jedoch argumentiert, dass solche Künstler wie Cremer u. a. »abgeschrieben werden müssten«, da sie nicht malen, sondern nur »sudeln«, da sie dekadent seien und das verlangte Menschenbild [nicht] schaffen würden.

Verschiedene Berliner Künstler brachten zum Ausdruck, dass es nicht sehr glaubhaft für unsere kulturpolitische Linie sei, wenn die gleichen Personen heute ihre Wortführer seien, die vor einiger Zeit das Entgegengesetzte erklärt hätten. Es wurden besonders solche Namen genannt wie Dr. Klaus Weidner, Horst Weiss206 und Ullrich Kuhirt.207 Diese Genossen seien bei einer Reihe von Künstlern nicht sonderlich beliebt und genössen nur geringes moralisches Prestige.

In den Diskussionen bei der Zusammenkunft am 21.4.1972 wurden von den Vertretern des Instituts teilweise Formulierungen gebraucht, die den Eindruck erweckten, dass diese Genossen die gegenwärtige Linie der Kulturpolitik nur als eine Unterstützung der Tagespolitik betrachten. Dr. Klaus Weidner sagte z. B. zum Problem des »liebenswürdigeren Umgangs mit Künstlern«, dass »uns zurzeit Selbstkritik ganz gut zu Gesicht stehen« würde. Daraufhin wurde im Saal laut gehustet, worauf er weiter ausführte, »den möchte ich sehen, dem das vorher gut zu Gesicht gestanden hatte«. Eine Äußerung von Dr. Peters war: »Wir haben jetzt plötzlich gemerkt, dass der Womacka eine falsche Entwicklung genommen hat.« Dazu bemerkten Berliner Künstler, sie hätten bereits vor zehn Jahren diese Feststellung hinsichtlich Womackas getroffen, als seine Entwicklung noch offiziell gefördert worden sei; wenn das aber ein Künstler offen ausgesprochen hätte, wäre er von vornherein diskreditiert worden.

Der bildende Künstler Helmut Diehl208 führte u. a. aus, ein ihm namentlich bekannter junger Bürger habe in das Gästebuch der Kunstausstellung am Fernsehturm eingetragen, die Ausstellung stelle nicht die werktätigen Massen dar, sondern verkörpere den »Kunstbegriff der Funktionäre«. Es wären keine Werke zu sehen, die die Menschen in ihrem täglichen Mühen darstellen, z. B. wie sie vor den Geschäften anständen oder in überfüllten Straßenbahnen stehen müssten. Es war ersichtlich, dass sich Diehl mit diesen Auffassungen identifizierte.

Verschiedene Künstler und Kulturschaffende brachten zum Ausdruck, dass in der Kulturpolitik das Verhalten von verschiedenen Kulturfunktionären den Eindruck erwecke, dass man »tolerantere Haltungen« zu Fragen der Kulturpolitik wie einen Befehlsempfang handhabe und dass dahinter keine eigene Meinung stehe. Offensichtlich handle es sich nur um eine vorübergehende Erscheinung, und es könne eine ähnliche Reaktion folgen wie auf die Devise »Lasst alle Blumen blühen«.

Der Grafiker Armin Münch209 aus Rostock zeigt eine gewisse Depression, da sich nach seiner Auffassung bei ihm im Bezirk eine Tendenz widerspiegele, wonach die Künstler, die wie er realistisch arbeiten, thematisch zum »alten Eisen« gehörten und nicht mehr »aktuell« seien. Eine ähnliche Auffassung war beim Bildhauer Werner Stötzer,210 Berlin, festzustellen. St. zeigte sich stark deprimiert und äußerte, er habe keine Lust, weiterzuarbeiten. Obwohl er zu den begabten Bildhauern der DDR gehöre, würde in der letzten Zeit von ihm weder etwas aufgekauft noch ausgestellt. In der Kunstausstellung in Leipzig dagegen habe man eine Vielzahl abstrakter und wertloser Arbeiten verschiedenster Kunstformen ausgestellt. Durch ein offizielles Gutheißen dieser abstrakten Linie würden sich die Leipziger Künstler besonders gut finden. Das wirke für ihn schockierend. Er habe sich immer bemüht, trotz innerer Vorbehalte, entsprechend den Forderungen der Partei in der Kulturpolitik realistisch zu arbeiten.

Andere Künstler erklärten, es verstärke sich der Eindruck, dass es notwendig sei, in der nächsten Zeit echte theoretische Grundlagen zu schaffen, die unsere Kulturpolitik erhärten. Wir brauchten eine theoretische Festlegung, die unsere Haltung gegenüber der abstrakten Kunst bestimme. Angesichts der Bemühungen um den Realismus sei es notwendig, unseren Standpunkt zur abstrakten Kunst darzustellen. Das sei bedeutsam auch hinsichtlich der zunehmenden Verbindungen zu den anderen sozialistischen Ländern, wobei aufgrund der Ausstellungspraxis bekannt sei, dass Länder wie Ungarn und Polen vorwiegend abstrakte Arbeit fördern, dass andererseits aber auch positive Resonanzen gegenüber unseren Künstlern, die eine realistische Gestaltungsweise zeigen, bestehen.

Unter bildenden Künstlern (aber auch Theater- und Musikschaffenden) wird zum Teil in intern geführten Diskussionen der sozialistische Realismus als künstlerische Variante angesehen, die sich nur für die Darstellung überschaubarer gesellschaftlicher Prozesse eigne.

Für das Eindringen in die »Welt der Gefühle und der Phantasie« sei »der sozialistische Realismus ungeeignet«, weil er der Anwendung künstlerischer Mittel Grenzen setze. Der Künstler benötige dazu auch die Variante des »Modernen«. Nach Meinung dieser Kreise trägt die »Moderne« zwar das »Risiko der entarteten Kunst«211 in sich, doch sei dieses Risiko für die sozialistische Gesellschaft gering, da die Mehrheit der »Kunstkonsumenten« der »entarteten Kunst« kaum Beifall spenden werde. Ausgehend von diesen Auffassungen wird nach größerer Toleranz gegenüber modernen Varianten verlangt. (Vertreter solcher auch in anderen Bereichen anzutreffenden Auffassungen sind u. a. die bildenden Künstler Paris, Graetz, Vent,212 Kühn,213 Krepp,214 der Theaterregisseur Sagert und der Dozent für Komposition an der Musikhochschule »Hanns Eisler«, Heinz Dittrich.)

Diese Kreise sind auch der Auffassung, dass Kunst vergleichbar sei mit einigen Naturwissenschaften, in denen das Experiment die Voraussetzung für neue Erkenntnisse darstelle.

Unter diesen Gesichtspunkten gewinnt in letzter Zeit auch die These von der »juryfreien Ausstellung« wieder an Bedeutung. Die Entwicklung der Kulturpolitik in der DDR ließe hoffen, dass dieser Forderung der Künstler entsprochen wird und eine »Sicherung der freien Entfaltung der Talente« erfolgt. (Als Vertreter dieser These sind ebenfalls Ronald Paris, Rene Graetz sowie u. a. Rehfeld,215 Mau,216 Hanfried Schulz,217 Thieme,218 Josef Brück/alle Berliner Raum,219 Jastram/ Rostock,220 Prof. Niemeyer-Holstein/Insel Usedom221 bekannt geworden.)

Zu einigen Diskussionen unter Kulturschaffenden über die Tätigkeit staatlicher leitender Institutionen hinsichtlich der Leitung kultureller Prozesse sowie zu einigen Erscheinungen in diesen Institutionen

Dem MfS vorliegende Informationen enthalten zahlreiche von Kulturfunktionären und Kulturschaffenden geäußerte Hinweise und Kritiken zu Reaktionen und Entscheidungen staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen, die nach Meinung dieser Kreise die im Bericht geschilderten Auffassungen begünstigen.

Als Fakten, die bei Kulturfunktionären und Kulturschaffenden zu Missverständnissen beigetragen und Unsicherheiten hinsichtlich der Kulturpolitik der Partei hervorgerufen hätten, werden u. a. angeführt:

  • Die angeblich wieder geduldete oder in Aussicht gestellte Veröffentlichungstätigkeit solcher Kräfte wie z. B. Biermann, Heym und Havemann in der Westpresse bzw. von Kant, Schneider, Kunze durch die BRD-Verlage Rowohlt,222 Hamburg, und S. Fischer, Stuttgart; (Zum Teil klingt in den darüber von Kulturschaffenden geführten Diskussionen erneut die Ansicht durch, erst durch Veröffentlichung im Westen wirklich materiell und moralisch anerkannt zu sein.)

  • die Genehmigung der Westreise Stefan Heyms zur Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse und sein Hausieren mit dem »17.-Juni-Manuskript«223 bei westdeutschen Verlagen;

  • die »Unentschlossenheit« gegenüber Hermann Kants Buch »Das Impressum«;

  • die zugelassenen Veröffentlichungen des Lyrikers Endler, z. B. in »Sinn und Form«.

Auf dem Filmgebiet wurde die Debatte um den Gegenwartsfilm »Der Dritte«224 angeführt, der produziert und aufgeführt wurde, obwohl die Abteilung Frauen beim ZK und der DFD gegen den Film Einspruch erhoben haben sollen.

Im internen Kreis erklärte auch Prof. Kurella,225 »wegen eines Protestes gegen die Aufführung dieses Filmes von oben so angefaucht« worden zu sein »wie noch nie«. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, die »künftige Linie« bestehe darin, dass über ein Kunstwerk, gleich aus welchem Bereich es komme, vor dessen Veröffentlichung nicht mehr diskutiert werden könne und dürfe.

Diese Fakten vor allem würden von Kulturschaffenden, aber auch von einem Teil Kulturfunktionären im Sinne einer »Liberalisierung« der Kulturpolitik gedeutet.

Als dieser angeblichen »Liberalisierung« gegenläufige Fakten werteten diese Kreise u. a.

  • die Ablösung von Kurt Bork,226 der bisher für Theaterwesen im Ministerium für Kultur zuständig war und dem jetzt die Verantwortung für die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen im Ministerium für Kultur übertragen wurde, sowie

  • die erneute Unterstellung der Staatsoper, der Komischen Oper, des Brecht-Ensembles und des Deutschen Theaters unter das Ministerium für Kultur.

Das Ministerium für Kultur betreffend, wird darauf hingewiesen, dass die dort unter Funktionären vorhandene Unsicherheit über die Linie der Partei auf dem Gebiet der Kultur ihre Ursache vor allem in der Konzeptionslosigkeit der Leitung des Ministeriums für Kultur habe, die nur durch einen allgemeinen Wortschwall und Wiederholung von allgemeinen Äußerungen verdeckt werde. So soll es im Ministerium für Kultur keine ausgearbeitete Konzeption mit Schlussfolgerungen aus dem VIII. Parteitag für die sozialistische Kulturentwicklung in der DDR geben, sondern stattdessen nur Entscheidungen von Fall zu Fall bzw. Halbentscheidungen.

Von einigen leitenden Mitarbeitern kulturleitender Organe wurde geäußert, es gäbe auf ideologischem Gebiet kaum noch einen Sektor, der sich durch eine derartige Verworrenheit, Verantwortungsteilung und Fluktuation auszeichne. Die Leitung des MfK habe sich in den unterschiedlichsten Besetzungen bisher nie als fähig erwiesen, mit einer eigenen sozialistischen kulturpolitischen Konzeption zu arbeiten.

Unsicherheiten über die Linie der Kulturpolitik sollen sich z. B. vor der Parteiaktivtagung im Ministerium für Kultur bei verantwortlichen Mitarbeitern gezeigt haben. So habe z. B. der Leiter der Abteilung Musik, Genosse Brattke,227 eine Konzeption für die zukünftige Arbeit angefertigt, die durch den stellvertretenden Minister für Kultur Dr. Rackwitz dem Genossen Brattke gegenüber als »hervorragend und richtungsweisend« bezeichnet worden sei.

Andererseits habe jedoch Dr. Rackwitz die Aufnahme darin enthaltener Probleme in ein Referat für die Konferenz der Musikschulen der DDR mit der Begründung abgelehnt, man könne es sich im Moment noch nicht erlauben, so deutlich zu werden. Brattke erklärte hierzu vertraulich, er sei vom Genossen Rackwitz erst einmal vorgeschickt worden, um zu testen. Für den Fall, dass sich seine Vorstellungen als falsche Orientierung der Kulturpolitik herausstellten, könne man einen Abteilungsleiter eventuell noch decken, nicht aber einen stellvertretenden Minister, der nicht so weit »vorprellen« dürfe.

Nach Meinung verantwortlicher Kulturfunktionäre seien alle in der Amtszeit von Horst Brasch228 durchgesetzten Elemente einer straffen Leitung des Ministeriums für Kultur inzwischen wieder verloren gegangen.

Nicht selten werde diesen Hinweisen zufolge bereits geäußert, dass Genosse Klaus Gysi229 nur der Kontinuität wegen bisher seine Funktion behalten habe, nicht aber, weil er der richtige Mann sei. Er sei zwar von einer Vielzahl an Stellvertretern umgeben, jedoch würden sie kein Leitungskollektiv bilden, sondern nur gegenseitig auf Fehler der anderen warten.

In diesem Zusammenhang wird auch behauptet, dass Klaus Gysi in den leitenden Gremien des Staates und der Partei zu geringen Einfluss habe.

Als ein Faktor, der dem Ministerium für Kultur nicht mehr Möglichkeiten bieten soll, als nur die allgemeine Linie und auch die nur verzögert durchzusetzen, wird von verantwortlichen Funktionären der kulturleitenden Organe das 1957 erlassene Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht genannt.230 Aufgrund dieses Gesetzes, das die Verantwortung für die geistig-kulturelle Entwicklung der Territorien den Räten der Bezirke überträgt, könne das Ministerium für Kultur bestenfalls etwas empfehlen, habe jedoch faktisch nichts zu sagen. Dieser Umstand soll vor allem auf dem Gebiet des Theaterlebens zu sehr widersprüchlichen Entscheidungen, aber auch Inkonsequenzen führen.

Nachfolgend wird in diesem Zusammenhang auf einige Beispiele verwiesen:

Die Intendanten der Theater der DDR z. B. seien den Abteilungen Kultur der Räte der Bezirke bzw. den Bezirksleitungen unterstellt, würden aber gleichzeitig vom stellvertretenden Minister für Kultur (bisher Bork, jetzt Dr. Rackwitz) angeleitet.

Abhängig vom »eigenen politischen und künstlerischen Wert und Gewicht« würden die Intendanten diese Doppelunterstellung nutzen, um ihre eigene Politik zu versuchen, weil es keine einheitliche Anleitung oder Entscheidung gebe.

Die Theater würden nach bestätigtem Spielplan faktisch allein gelassen oder in anderen Fällen laufend von Vertretern des Ministeriums für Kultur besucht, dass in diesen Fällen von der Inszenierung bis zur Generalprobe seine Zustimmung gebe. Würden dann der Rat des Bezirkes und die Bezirksleitung diese Inszenierung bejahen, äußere sich das Ministerium für Kultur plötzlich ablehnend.

Eine andere Variante habe sich bei der Falstaff-Inszenierung231 in der Deutschen Staatsoper Berlin gezeigt, die einen großen Erfolg bei den Besuchern gehabt habe. Zur Premiere sei der stellvertretende Minister für Kultur Dr. Rackwitz anwesend gewesen.

Erst von diesem Moment an habe die Leitungstätigkeit des Ministeriums für Kultur eingesetzt, indem Dr. Rackwitz den anwesenden Kritiker der »Berliner Zeitung« zur Seite genommen und mit ihm eine kritische Ablehnung der Inszenierung festgelegt habe.

Ein weiteres Beispiel sei die am Deutschen Theater Berlin 1971 begonnene Diskussion über die »Faust«-Inszenierung.232 Diese Diskussion sei zwar mit großem Aufwand begonnen, jedoch auch im ND nicht zu Ende geführt worden.233

Dabei habe man zwar mit Prof. W. Heinz – dem damaligen Intendanten, aber nicht mit dem Regisseur Dreesen debattiert. Andererseits habe man Dreesen – schon in der Amtszeit von H.-A. Perten als Nachfolger von Prof. W. Heinz – den Auftrag übergeben, »Clavigo«234 von Goethe zu inszenieren, die Auseinandersetzungen darüber aber mit Perten geführt, mit dem Ergebnis, dass das Stück abgesetzt wurde.

An der Komischen Oper Berlin seien die Inkonsequenzen kaum noch aufzuzählen. Hier wird von verantwortlichen Funktionären besonders auf die Tatsache verwiesen, dass Prof. Felsenstein235 (österreichischer Staatsbürger) prinzipiell die Rechte für seine Inszenierungen an Ricordi,236 München, bzw. an den Verlag Weidenheim, London, mit dem Ziel vergeben habe, Valuta zu erhalten.

Die Inszenierung »Der Fiedler auf dem Dach«237 – ein Stück, das in der ursprünglichen Fassung von Scholem Alejchem238 gegen das zaristische Russland, gegen den Antisemitismus in der Ukraine und für die Gründung eines Staates Israel geschrieben wurde – sei selbst im Westen mit Recht als glatte Provokation gewertet worden, die sich eben nur Felsenstein leisten könne. Außerdem soll vorliegenden Hinweisen zufolge die Tatsache, dass Prof. Felsenstein einen Vertrag über seine Mitwirkung beim »Kulturprogramm der Olympischen Spiele 1972 in München« unterschrieben habe, sowie die »Don-Quichotte«-Inszenierung239 seines Meisterschülers Götz Friedrich240 erhebliche Diskussionen ausgelöst haben.

Auf dem Gebiet des Lichtspielwesens bzw. des Filmes habe der Ministerrat der DDR seit 1963 mehrere Beschlüsse gefasst, deren Ziel darin bestehen sollte, eine Rationalisierung und effektivere Arbeit des Lichtspielwesens zu erreichen.

In diesem Bereich seien ca. 7 000 Menschen beschäftigt, davon allein ca. 4 000 in der Verwaltungsorganisation. Nach Meinung kompetenter verantwortlicher Funktionäre seien alle diese Beschlüsse nicht durchgeführt worden, da die Räte der Bezirke Einspruch erhoben hätten.

Kritiken über fehlende Konzeptionen für die kulturpolitische Arbeit wurden auch aus Kreisen der Mitglieder der Akademie der Künste bekannt. Vorliegenden Hinweisen zufolge sei einzuschätzen, dass die Akademie »von der Hand in den Mund« lebe. Es sei keine einheitliche Linie auf literarischem Gebiet vorhanden und bisher auch nicht gelungen, die Verantwortlichen in der DDR an einen Tisch zu bringen. Für die Entwicklung auf literarischem Gebiet sei für die nächsten fünf Jahre keine Konzeption vorhanden. Außerdem gäbe es auch keine Pläne über die Zusammenarbeit mit anderen sozialistischen Ländern. Unterbreitete Vorschläge, die literarischen Strömungen in der Sowjetunion, der VR Polen, der ČSSR und der VR Ungern zu analysieren und daraus schlussfolgernd Vorschläge für eine enge Zusammenarbeit zu entwickeln, seien bisher rigoros abgelehnt worden.

Als ein Höhepunkt für 1972/73 gelte der Plan, den Schriftsteller Pablo Neruda241 in die DDR einzuladen. Als Neruda die VR Polen bereiste,242 sei jedoch niemand bereit gewesen, ihm dort eine Einladung zu überbringen bzw. dort Vorverhandlungen mit ihm zu führen. Es sei so lange gezögert worden, bis Neruda wieder abgereist war. Jetzt spekuliere man darauf, mit ihm in Paris, wo er sich zurzeit aufhält, zu verhandeln.

Diesem Verhalten liege die in den Leitungsgremien der Akademie vorherrschende Meinung zugrunde, dass nur gut sei, was einen großen Aufwand erfordere und über Umwege zu erreichen sei. Eine große Rolle soll dabei auch die »Jagd nach attraktiven Dienstreisen« spielen.

Als ungünstig wird in Kreisen der Akademiemitglieder auch empfunden, dass der Akademie nicht die Möglichkeit gegeben sei, den Pen-Club für ihre Arbeit auszunutzen, da sich dieser stark abseits halte und der Akademie in das Geschehen im Pen-Club kein Einblick gewährt sei.

Bei Mitarbeitern der »Weimarer Beiträge«243 löste das Verhalten des Lehrstuhls Kultur- und Kunstwissenschaften beim Institut für Gesellschaftswissenschaften im Fall des bereits erwähnten Artikels des Lyrikers Endler Unverständnis aus. Wie den vorliegenden Hinweisen zu entnehmen ist, war seitens der »Weimarer Beiträge« mit Genosse Dr. Jarmatz244 vereinbart worden, dass er eine Erwiderung auf den politisch fragwürdigen Artikel von Endler schreiben sollte. Eine gleiche Forderung soll auch von der Abteilung Wissenschaften des Instituts an den Lehrstuhl ergangen sein.

Genosse Jarmatz habe diesen Auftrag jedoch nicht selbst ausgeführt, sondern ihn an eine Aspirantin des zweiten Studienjahres weitergegeben, die ihn von einer Defensivposition aus verfasste. Aufgrund dieser unzureichenden Erwiderung wandten sich die »Weimarer Beiträge« an die derzeitigen Leiter dieses Lehrstuhls, die Genossen Prof. Keßler245 und Hejzlar.246

Diese sollen unter vier Augen erklärt haben, sie sähen derzeit keine andere Möglichkeit, als so zu schreiben. Sie wüssten nicht genau, wie man die Dinge einschätzen könne. Es sei doch so, dass zurzeit keine klare Linie vorhanden sei und ihnen geboten sei, auf keinen Fall jemanden scharf anzugreifen. Girnus247 als Herausgeber von »Sinn und Form« sei teilweise ein politischer Abenteurer, aber in der jetzigen Situation der richtige Mann, weil er durch seine Art die Leute, mit denen wir immer in heftigster Diskussion ständen, doch in gewisser Weise an sich gebunden und sprechbereit gemacht habe. Er habe den »Auslöser gemacht«, was ja nur willkommen wäre.

Sie hätten ganz bewusst diese unbekannte Genossin, die nicht mit dem Institut verbunden sei, ausgewählt und mit dem Schreiben einer »Lesermeinung« beauftragt, denn dieses Unverbindliche, meinte Keßler, müsse man jetzt so machen, um die Zeit zu überstehen, bis wieder eine Linie da sei.

Genosse Hejzlar führte aus, das »Verrückte der Linie« sei gegenwärtig, dass man keinem widersprechen dürfe, keinen angreifen dürfe, ganz gleich, welche Position er vertrete. Andererseits sei man aufgefordert, überall hart ideologisch zu polemisieren, d. h. in Diskussionen und Meinungsstreit zu kommen.

Diese Information wurde im Wesentlichen auf der Grundlage von internen Materialien gefertigt. Aufgrund der Quellengefährdung ist die vorliegende Information nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt. Die einzelnen Fakten können nicht öffentlich ausgewertet werden.

  1. Zum nächsten Dokument Entwicklung des Reise- und Transitverkehrs (19.6.–25.6.)

    26. Juni 1972
    Information Nr. 604/72 über die Abfertigung und Abwicklung des Reise- und Besucherverkehrs Westberliner Bürger in die DDR und des Transitverkehrs von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin (West) in der Zeit vom 19. bis 25. Juni 1972 – Dauerregelung –

  2. Zum vorherigen Dokument Entwicklung des Reise- und Transitverkehrs (12.6.–18.6.)

    19. Juni 1972
    2. Information Nr. 588/72 über die Abfertigung und Abwicklung des Reise- und Besucherverkehrs Westberliner Bürger in die DDR und des Transitverkehrs von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin (West) in der Zeit vom 12. bis 18. Juni 1972