Herbstsynode der Evangelischen Landeskirche Anhalt
16. November 1972
Information Nr. 1047/72 über die Herbstsynode der Evangelischen Landeskirche Anhalt
Die Evangelische Landeskirche Anhalt führte in der Zeit vom 2. bis 5.11.1972 in Dessau ihre Herbstsynode durch.
Als Gäste nahmen teil:
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der Generalsekretär der reformierten Kirchen in der ČSSR Otter,1 Prag;
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der Theologe Gulyás Kornél,2 VR Ungarn (K. leistet zurzeit ein Zusatzstudium in Wittenberg ab);
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Oberkonsistorialrat Meckel,3 Berlin, als Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR;4
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Superintendent Mücksch,5 Ermsleben, als Vertreter der Kirchenprovinz Sachsen.
Den Tätigkeitsbericht des Landeskirchenrates gab Kirchenpräsident Natho,6 der sich in seinen Ausführungen mehrfach auf die gegenwärtige politische Lage in der Welt bezog und zum Teil positive Stellungnahmen zu bestimmten Fragen abgab. Er brachte in seinem Bericht u. a. zum Ausdruck, dass der Einsatz des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR für das Zustandekommen einer Europäischen Sicherheitskonferenz,7 das Engagement für die Hungernden und Entrechteten, für die rassisch Verfolgten und Unterdrückten nicht etwa eine »kirchliche Randerscheinung«, sondern Ausdruck des Glaubens sei. Es müsse Frieden gestiftet werden für die ganze Welt, nicht für oder gegen einen Teil dieser Welt.
Er ging weiter auf den Krieg der USA in Vietnam8 ein und sagte, dass er während seiner Amerika-Reise gesehen, gehört und erlebt habe, mit welcher leidenschaftlichen Hingabe Christen und Kirchen für die Beendigung des Krieges in Vietnam eintreten. Er forderte dazu auf, dass sich Christen auch durch ihr persönliches Opfer einsetzen und ihre Anteilnahme bekunden sollen.
Er begrüßte die beginnende Normalisierung der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD auf der Grundlage der abgeschlossenen Verträge9 und brachte zum Ausdruck,
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dass der Kirche nicht an Formeln und bestimmten Formulierungen liegen sollte, sondern daran, dass Vertrauen und Sicherheit wachsen und die Erkenntnis zur Lebenswirklichkeit wird,
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dass zur Erhaltung des Friedens die Anerkennung des Anderen und das Recht gehören, Gewissheit durch Verträge zu erlangen,
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dass Gegebenheiten so respektiert werden, dass der Frieden niemals in Gefahr gebracht wird.
Natho äußerte sich weiter über die Stellung des Christen im sozialistischen Staat. In diesem Zusammenhang betonte er, die Kirchen in der DDR müssten in der Ökumene den Nachweis erbringen, dass sie bei völliger Trennung vom Staat und seinen alle Lebensbereiche durchdringenden Organisationsformen nicht nur Sekte werden, sondern lebendige Kirchen seien im Dasein auch für das Ganze der Gesellschaft.
In der Diskussion standen aktuelle politische Fragen im Mittelpunkt.
Von Pfarrer Franke,10 Zerbst, wurde kritisiert, es habe sich bei den Ausführungen von Kirchenpräsident Natho nicht um einen Tätigkeits-, sondern um einen Situationsbericht gehandelt.
Der überwiegende Teil der Synodalen vertrat die Meinung, dieser Bericht sei weit über eine einfache Information und über einen Tätigkeitsbericht des Landeskirchenrates hinausgegangen.
Diese Information ist nicht für die öffentliche Auswertung geeignet.