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Journalistische Arbeit während Geste des guten Willens (2)

14. Juni 1972
Information Nr. 573/72 über die weitere Tätigkeit von Journalisten aus dem westlichen Ausland während der Geste des guten Willens (Pfingstzeitraum)

Auf der bereits in der Information Nr. 355/72 genannten Grundlage wurden auch für die zweite Besuchsperiode (17.5. bis 24.5.1972) Journalisten westlicher Presseorgane, Nachrichtenagenturen, Rundfunkanstalten sowie Fernseh- und Filmgesellschaften die Berichterstattung aus der und über die DDR ermöglicht und gestattet.1

Vom MfAA wurden für den Pfingstzeitraum insgesamt 278 journalistische Vorhaben genehmigt, von denen 160 realisiert wurden.

Sie gliedern sich auf in

  • drei Fernsehaufnahmegruppen,

  • fünf Filmgruppen,

  • vier Rundfunkstationen,

  • 19 Presseorgane und Nachrichtenagenturen.

Insgesamt wurden in der DDR 98 Journalisten aus der BRD, aus Westberlin und dem anderen nichtsozialistischen Ausland tätig, die während des Pfingstzeitraumes ein- oder mehrmals in die DDR einreisten.

Die festgelegten Sperrmaßnahmen blieben mit Ausnahme für den RIAS2 auch während der zweiten Besuchsperiode bestehen.

Eine Anzahl westdeutscher Journalisten (u. a. von der DPA, vom WDR sowie von den Presseorganen Telegraf,3 Der Abend, Stern) reiste als Touristen bzw. zum Zweck privater Besuche in die DDR oder in die Hauptstadt der DDR ein. Eine Berichterstattung dieser Journalisten in den westdeutschen Massenmedien konnte bisher nicht festgestellt werden.

Der Westjournalist Wenzel, Karl-Heinz,4 Westberlin, [Straße, Nr.], tätig für die Zeitschrift »Wissenschaft und Forschung«5 sowie verschiedene Rundfunkstationen der BRD (WDR, SFB und Bayrischer Rundfunk) versuchte, die Besucherregelungen für nicht genehmigte journalistische Arbeiten auszunutzen.

Wenzel reiste als Tourist in den Bezirk Leipzig ein und beabsichtigte, am 18.5.1972 die Klinik Dahlwitz, Kreis Wurzen zu besichtigen, wo er abgewiesen wurde.

Am 19.5.1972 trug er im MfAA seine Absicht vor, verschiedene Einrichtungen des Gesundheitswesens der DDR zu besuchen, was in Abstimmung des MfAA mit dem Generalsekretär der Medizinisch­Wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR abgelehnt wurde.

Wenzel hatte vom 8.5. bis 13.5.1972 am 1. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Kiefer- und Gesichtschirurgie in Dresden teilgenommen.6 Darüber berichtete er in der BRD negativ.

Weitere Einreiseversuche westlicher Journalisten zum Zwecke der Durchführung journalistischer Arbeiten ohne vorherige Anmeldung und Genehmigung wurden dem MfS nicht bekannt.

Zur Aufklärung und Kontrolle der in der ersten Besuchsperiode provokatorisch in Erscheinung getretenen Personen, die sich als Journalisten des SFB ausgaben und in der Hauptstadt der DDR Informationen sammelten sowie Interviews durchführen wollten, wurden geeignete politisch-operative Maßnahmen eingeleitet.

Im Ergebnis der durchgeführten Maßnahmen konnten gleiche oder ähnliche Feindaktivitäten nicht festgestellt werden. Einreisen dieser Personen erfolgten nicht.

Wie während des Osterzeitraumes wurden die Aufnahmegruppen der westlichen Fernsehanstalten, Filmgesellschaften sowie die Mitarbeiter der Hörfunkstationen bei der Durchführung der journalistischen Tätigkeit in der Hauptstadt der DDR sowie in den Bezirken ständig durch die vom MfAA eingesetzten Betreuer begleitet. Damit war gewährleistet, dass von diesen westdeutschen bzw. Westberliner Journalisten keine unkontrollierten illegalen Arbeiten durchgeführt werden konnten.

Es konnte festgestellt werden, dass die vom MfAA getroffenen Festlegungen im Wesentlichen korrekt eingehalten wurden.

Gespräche mit DDR-Bürgern fanden nur mit Zustimmung des MfAA statt. Dabei erwies es sich als vorteilhaft, dass vom MfAA in Zusammenarbeit mit der SED-Bezirksleitung Berlin mehrere Einrichtungen und Objekte der Hauptstadt der DDR auf Besuche westlicher Journalisten vorbereitet waren. Dadurch wurde auch gleichzeitig sichergestellt, dass geeignete Gesprächspartner den Journalisten vermittelt werden konnten.

Die Wort- und Bildjournalisten der verschiedensten Redaktionen und Nachrichtenagenturen wurden entsprechend den international üblichen Gepflogenheiten nicht unmittelbar betreut und konnten sich dadurch im Wesentlichen unkontrolliert bewegen. Eine direkte Begleitung erfolgte lediglich während der Exkursion in den Spreewald. In Gesprächen mit den eingereisten Journalisten der »Frankfurter Rundschau« und der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« wurde bereits zu Beginn der Besucherregelung bekannt, dass sie von ihren Redaktionen den Auftrag hatten, die Berichterstattung über die Pfingstregelung in einem engeren Rahmen zu halten.

In Auswertung der bekannt gewordenen Berichte westlicher Presseorgane sowie Rundfunk- und Fernsehanstalten wird insgesamt eingeschätzt, dass die Berichterstattung in der zweiten Besuchsperiode im Verhältnis zur ersten Besuchsperiode einen wesentlich geringeren Umfang eingenommen hat (weniger als 50 %). Im Vergleich zur ersten Besuchsperiode waren westlicherseits für die zweite Besuchsperiode sowohl weniger journalistische Vorhaben geplant als auch weniger realisiert worden.

Von den Hörfunkstationen entwickelten bereits vor der Besucherregelung der RIAS Aktivitäten, um eine Zulassung zur Berichterstattung zu erwirken. Besonders intensiv wurden die Bestrebungen an den ersten Tagen während der Besucherregelung. Ihre fernschriftlichen und telefonischen Anfragen wurden zu diesem Zeitpunkt vom MfAA nicht beantwortet.

Ebenso wurde ein Einreiseversuch des RIAS-Mitarbeiters Knecht7 nach Abstimmung mit dem MfAA abgelehnt.

Am 20.5.1972 hielt sich der für diesen Zeitpunkt zur Berichterstattung zugelassene RIAS-Reporter Meunier, Lutz,8 in der DDR-Hauptstadt auf und gab vom Hotel »Stadt Berlin«9 an den RIAS einen telefonischen Situationsbericht durch, der direkt ausgestrahlt wurde, jedoch keine feindlichen Äußerungen zum Inhalt hatte.

Besondere Aktivitäten wurden während des Pfingstzeitraumes durch die Fernseh- und Filmaufnahmegruppen sowie durch die Hörfunkstationen der BRD und Westberlins entwickelt. Die Aufnahmegruppen von ARD und ZDF reisten zum Zwecke der Berichterstattung täglich in die Hauptstadt der DDR sowie mehrmals in verschiedene Bezirke der DDR ein.

Im Mittelpunkt ihrer Dreharbeiten standen

  • Aufnahmen vom Besucherverkehr einreisender Bürger aus Westberlin und der BRD,

  • Städtebilder von der Hauptstadt der DDR, Rostock und Cottbus. Besonders interessierten dabei Neubauzentren und Sehenswürdigkeiten,

  • Erholungsgebiete in der unmittelbaren und weiteren Umgebung der Hauptstadt der DDR wie der Spreewald und Werder.

Auffallend war nach den bisherigen Feststellungen, dass für die aktuelle politische Berichterstattung nur im geringen Umfange Aufnahmen angefertigt wurden. In Gesprächen der eingesetzten Betreuer mit den Journalisten der Fernsehgruppen konnte festgestellt werden, dass sie vornehmlich daran interessiert waren, neues Filmmaterial aus der DDR für spätere Sendevorhaben sowie für Archivzwecke zu drehen.

Die Berichterstattung der Journalisten, Kommentatoren und Reporter der westlichen Presseorgane und Rundfunkanstalten über die DDR war bisher vorwiegend relativ sachlich und positiv.

Der Schwerpunkt wurde auf die Darstellung der Städte und Gemeinden, auf die Schilderung der Landschaften sowie auf die Wiedergabe von Eindrücken und Beobachtungen gelegt.

Zum Teil waren die Berichte mit persönlichen Erinnerungen der Journalisten sowie mit historischen Rückblenden und Vergleichen verbunden. Die Wiedergabe der Meinungen, Ansichten und Vorstellungen von DDR-Bürgern nahm relativ geringen Raum ein. Sie bezogen sich oft auf die besuchten Verwandten der Berichterstatter.

Einige Journalisten bedauerten, dass sie nicht mehr Gelegenheiten erhielten, mit DDR-Bürgern Gespräche zu führen.

Ausführlichere politische Wertungen wurden nur selten vorgenommen.

In diesen Fällen überwogen dann ebenfalls die positiven Aspekte (Bewusstsein der DDR-Bevölkerung, Aufbauerfolge, Verbesserung der Versorgung usw.). Einige Kommentatoren kamen zu dem Schluss, dass mit falschen Vorstellungen über die DDR endlich aufgeräumt werden müsse.

Vereinzelt wurde die angeblich gute Informiertheit der DDR-Bürger über die Lage und die Vorgänge in der BRD/Westberlin hervorgehoben. Als Ursache dafür wurde die Informierung durch die westlichen Rundfunk- und Fernsehsender angesehen. Ebenfalls vereinzelt hob die Westpresse die Ablehnung der Politik der CDU/CSU in der BRD durch die DDR-Bürger hervor.

Ausgesprochene Hetzartikel oder Hetzkommentare wurden nur in einem sehr geringen Umfang verfasst, vor allem von der Springer­Presse (vorwiegend von der »Bild-Zeitung« und von der »BZ«).

Einige Berichte – ebenfalls vorwiegend von Journalisten der Springer-Presse – hatten einen ausgesprochenen negierenden Charakter (alles sei »grau« – die Zeit scheine »stehengeblieben zu sein« – der Anblick der alten Häuser sei »deprimierend« usw.).

Die Berichte des »Telegraf« waren im Vergleich zu anderen Presseorganen am sachlichsten. Die Verfasser versuchten, objektiv zu berichten und ließen dabei eine bestimmte optimistische Haltung zur Frage zukünftiger Besuchs- und Touristenreisen in die DDR erkennen (die Reisen würden sich »lohnen« usw.).10

Das Interesse der Hörfunkjournalisten während ihres Aufenthaltes in der Hauptstadt konzentrierte sich weiter auf den einreisenden Besucherverkehr, auf Stadtbilder, Museen und andere Sehenswürdigkeiten in der Hauptstadt.

In Gesprächen mehrerer westlicher Journalisten mit Vertretern des MfAA sowie den eingesetzten Betreuern wurde bekannt, dass sie nach Ratifizierung11 der Verträge der Sowjetunion12 und der VR Polen mit der BRD13 sowie der Unterzeichnung des Verkehrsvertrages14 mit der BRD eine ständige Akkreditierung in der DDR anstreben. ARD ist in diesem Zusammenhang daran interessiert, einen Film über Verkehrsprobleme der DDR zu drehen.

  1. Zum nächsten Dokument Entwicklung des Reise- und Transitverkehrs (12.6.–18.6.)

    19. Juni 1972
    2. Information Nr. 588/72 über die Abfertigung und Abwicklung des Reise- und Besucherverkehrs Westberliner Bürger in die DDR und des Transitverkehrs von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin (West) in der Zeit vom 12. bis 18. Juni 1972

  2. Zum vorherigen Dokument Erste Erkenntnisse nach Reiseerleichterungen

    13. Juni 1972
    Information Nr. 566/72 über erste Ergebnisse und Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Vereinbarung zwischen der Regierung der DDR und dem Senat über Erleichterungen und Verbesserungen des Reise- und Besucherverkehrs sowie dem Abkommen zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der BRD über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der BRD und Berlin (West)