Negative Erscheinungen unter Kulturschaffenden
12. April 1972
Information Nr. 188/72 über negative Erscheinungen unter Schriftstellern und Kulturschaffenden der DDR
Mit der vorliegenden Information, die überwiegend auf dem MfS intern bekannt gewordenen Hinweisen basiert, wird auf einige sich abzeichnende Tendenzen unter Kulturschaffenden und Kulturfunktionären im Zusammenhang mit der Kulturpolitik der Partei seit dem VIII. Parteitag1 verwiesen.2
Die Information soll keine umfassende Einschätzung der Situation unter den genannten Kreisen und der Reaktion auf die Beschlüsse des VIII. Parteitages darstellen. Sie verfolgt den Zweck, auf subjektivistische Auslegungen bzw. Missdeutungen der Kulturpolitik der Partei und daraus resultierende Unsicherheiten unter Kulturschaffenden und Kulturfunktionären und negative Erscheinungen hinzuweisen, die unseres Erachtens für eine umfassende Analyse und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen für die politische und staatliche Leitungstätigkeit auf dem Gebiet der Kultur von Bedeutung sind.
Die dem MfS intern bekannt gewordenen Hinweise lassen erkennen, dass unter Kulturschaffenden, aber auch Kulturfunktionären, zum Teil die subjektivistische Auffassung vertreten wird, die bisher verfolgte Politik der Partei auf dem Gebiet der Kultur sei überholt und die Partei werde den Kulturschaffenden gegenüber künftig mehr »ideologische Toleranz« zeigen.
Dabei werden besonders in Kreisen jener Kulturschaffenden, mit denen die Partei sich wegen falscher Auffassungen in der Vergangenheit häufig auseinandersetzen musste, vor allem die Ausführungen des Genossen Honecker3 auf dem VIII. Parteitag und den folgenden Tagungen des ZK der SED sowie die Rede4 des Genossen Hager5 vor Gesellschaftswissenschaftlern der DDR in diesem Sinne ausgelegt. Es wird von »einer Korrektur« der bisherigen Kulturpolitik der Partei im Sinne einer »Liberalisierung«, von einer »Neuorientierung« in Richtung auf eine »Entkrampfung« und »ideologische Toleranz« gesprochen.
Veröffentlichungen in kulturpolitischer Hinsicht sowie Ausführungen leitender Funktionäre ließen die Schlussfolgerung zu, dass eine gewisse »Orientierungssuche« in der weiter einzuschlagenden Richtung unserer Kulturpolitik nicht abgeschlossen sei und es deshalb angebracht wäre, sich zunächst in der politisch-ideologischen Auseinandersetzung zurückzuhalten und abzuwarten, welche konkreten Festlegungen in Richtung Kulturpolitik weiter erfolgen würden.
Andererseits wird die Aufforderung zum wissenschaftlichen Meinungsstreit als ein Anlass zur offenen Kritik an der bisherigen Kulturpolitik der DDR angesehen.
In diesen Auffassungen widerspiegelt sich nach Meinung leitender Kulturfunktionäre das Wirken der politisch-ideologischen Diversion auf die Kulturschaffenden in der DDR, und vor allem das noch immer unter breiten Teilen dieser Kräfte vorherrschende Unverständnis über den Klassencharakter von Kunst und Kultur und die Prinzipien der Parteilichkeit und Volksverbundenheit sowie die daraus erwachsenden Unklarheiten über die Rolle und Funktion des Künstlers in der sozialistischen Gesellschaft überhaupt.
Im Einzelnen sind es vor allem folgende Erscheinungen und Tendenzen, in denen sich feindliche, negative und subjektivistische Auffassungen und auch erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die Kulturpolitik der Partei zeigen:
- 1.
Versuche, die Kontinuität der Kulturpolitik der Partei in Zweifel zu ziehen und eine »Fehlerdiskussion« auszulösen;
- 2.
Versuche der Negierung der führenden Rolle der Partei der Arbeiterklasse und der Überbetonung der Rolle der Kulturschaffenden;
- 3.
Auslegungen der Forderung des VIII. Parteitages, »keinen zurückzulassen«,6 in der Richtung, negative Kräfte unter den Kulturschaffenden ohne prinzipielle Klärung ihrer ideologischen Positionen zur Mitarbeit heranzuziehen;
- 4.
Versuche bisher der Kulturpolitik ablehnend gegenüberstehender Kulturschaffender, wieder gesellschaftlich aktiv in Erscheinung zu treten, bzw. Versuche, solche Kräfte aufzuwerten;
- 5.
Unsichere Reaktionen und Entscheidungen staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen, die falsche Auffassungen begünstigen und widersprüchliche Handlungen fördern.
Nachfolgend wird auf die genannten Erscheinungen und Tendenzen näher eingegangen.
1. Versuche, die Kontinuität der Kulturpolitik der Partei in Zweifel zu ziehen und eine »Fehlerdiskussion« auszulösen
Unter großen Teilen von Kulturschaffenden, besonders aber unter Schriftstellern und Filmschaffenden, sind in letzter Zeit zunehmend Versuche festzustellen, die Kontinuität der Kulturpolitik der Partei in Zweifel zu ziehen und – ausgehend von subjektiven Auffassungen dieser Kreise zu den Ausführungen der Genossen Honecker und Hager zur Kulturpolitik der Partei – eine »Fehlerdiskussion« unter Kulturschaffenden und Kulturfunktionären hervorzurufen.
In diesem Zusammenhang wurde z. B. auf eine erweiterte Präsidiumstagung des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR hingewiesen, auf der der Vizepräsident G. Scheumann7 gefolgert habe, mit dem VIII. Parteitag habe sich die neue Parteiführung dazu entschlossen, die Kulturschaffenden in »die Freiheit ihrer eigenen Verantwortung« zu entlassen und damit faktisch die Verantwortung für die Kulturentwicklung in der DDR in die Hände der Verbände der Kulturschaffenden zu legen.
Nach Meinung verantwortlicher Teilnehmer an dieser Tagung stelle das nicht die individuelle Ansicht Scheumanns dar, sondern die Auffassung mehrerer Gruppen von Kulturschaffenden, die mit der Absicht vorgetragen worden sei, zu testen, wie weit die Grenzen nach dem VIII. Parteitag gezogen werden können, weil ihrer Ansicht nach die gegenwärtige Kulturpolitik ein »widersprüchliches äußeres Bild« biete.
Von diesen Gruppen wurden die Verhandlungen der DDR mit der BRD8 als »Liberalisierung« gedeutet, von der auch eine »ideologische Liberalisierung« zu erwarten sei.
Im Bereich der Filmschaffenden, speziell des Spielfilmstudios der DEFA, wurden ferner besonders die Feststellungen des Genossen Honecker vom Vertrauen der Partei zu den Künstlern im Sinne einer Korrektur der bisherigen Kulturpolitik in der DDR und der »Überwindung der Kontrolle und Bevormundung« durch die Partei und die staatliche Leitung interpretiert.
Diese Tendenz finde im DEFA-Studio für Spielfilme gegenwärtig ihren praktischen Ausdruck in den Versuchen, die in der Vergangenheit abgelehnten Filmstoffe und Filme wieder zur Diskussion zu stellen.
Wie weit verbreitet die Zweifel an der Kontinuität der Kulturpolitik der Partei unter diesen Kreisen von Kulturschaffenden sind, wird nach Ansicht verantwortlicher Kulturfunktionäre auch daran sichtbar, dass selbst solche progressiven Kräfte wie z. B. W. Kohlhaase9 u. a. die Frage zur Diskussion gestellt haben, »ob bei grundsätzlicher Einigkeit über die sozialistische Grundposition der Rahmen des öffentlich Diskutierbaren nicht weiter gezogen werden kann als bisher«.
Solche Fragestellung könnte vor allem jenen Kräften Auftrieb geben, die die Ausführungen des Genossen Honecker auf der 4. Tagung des ZK der SED10 im Sinne ideologischer Koexistenz auffassen und die Meinung vertreten, damit seien »alle Tabus aufgehoben«.
Wie inoffiziell bekannt wurde, soll besonders bei Schriftstellern und Literaturschaffenden der DDR die Meinung bestehen, dass nach dem VIII. Parteitag der SED wieder einmal »politisches Tauwetter« eingesetzt habe. Die Partei würde versuchen, durch »Abbau des vorgeschriebenen Schematismus und Dogmatismus« die ziemlich »festgefahrenen Wege und Sackgassen in der neuen sozialistischen Literatur der DDR« zu überwinden.
Diese Bemühungen würden auf Zweifel der verschiedensten Gruppen und Gruppierungen innerhalb der Schriftsteller und Literaturschaffenden stoßen, da man in dieser Frage der Partei »wenig Vertrauen« entgegenbringe und befürchte, dass das »politische Tauwetter« sehr schnell wieder in eine Krise umschlagen könne, wie es schon mehrmals geschehen sei, und dann wieder vielen Schriftstellern und Literaturschaffenden »den Ruf kosten« könne.
Am lautesten seien die Stimmen gegen die Bemühungen der Partei um einen neuen Aufschwung der sozialistischen Gegenwartsliteratur aus den Reihen des PEN-Clubs11 der DDR, der sich nicht umsonst als »innere Emigration« der Schriftsteller und Literaturschaffenden der DDR verstehe. Diese Kreise würden dem »politischen Tauwetter« nicht trauen und gegenwärtig versuchen, nach außen in alten, ausgefahrenen Gleisen zu wirken, während in kleineren Kreisen »Unveröffentlichtes« oder »Fragmente« zur Lesung gebracht würden, um deren Wirkung zu testen. Im Pen-Club der DDR habe sich nach diesen internen Hinweisen um einen Kern bekannter Literaturgrößen, wie Heym,12 Seeger,13 Claudius,14 Fühmann15 und andere, vor allem die junge Generation der Schriftsteller und Literaten versammelt, darunter auch solche, die bisher überhaupt noch nicht oder nur schwach zur Geltung gekommen sind. Da jedoch die großen Namen auf alle ausstrahlen, habe sich um den Pen-Club der Glanz der Exklusivität gebildet. Mitglied des Pen-Clubs zu sein heiße, hervorgehoben zu sein aus der Masse der Schriftsteller und Literaten.
Als Versuche, die Kontinuität der Politik der Partei anzuzweifeln und eine »Fehlerdiskussion« auszulösen, wurden in internen Hinweisen auch folgende Beispiele gewertet:
Auf einer bereits am 2.11.1971 stattgefundenen Tagung des Präsidiums des Deutschen Schriftstellerverbandes soll das Mitglied des Präsidiums, Kurt Stern16 die Ablehnung wesentlicher Teile des vorgelegten Arbeitsplanes damit begründet haben, dass man den VIII. Parteitag »noch nicht als wirklichen Wendepunkt« verstehe.
Stern soll nach vorliegenden Hinweisen stattdessen gefordert haben, zum Gegenstand der Arbeit des Schriftstellerverbandes solche Fragen zu machen wie:
- –
Ist die Hinwendung der Literatur zur Arbeiterklasse ein Rückgang auf die Forderungen des Proletkults?17
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Was ist Volksverbundenheit und Parteilichkeit? Wird Parteilichkeit nicht als Schwarzweißmalerei aufgefasst?
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Gibt es in der DDR »Tabus für das Schreiben«, und wie lauten sie?
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Gilt nicht auch bei uns die These des italienischen Theoretikers Gramsci:18 »Die Wahrheit ist revolutionär«?19
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Welchen Nutzen und welchen Schaden hat die Literaturkritik?
Auf die Zurückweisung dieser Fragen reagierte Stern mit der Auffassung, dass »die Partei bestimmte Dinge revidieren« müsse und aus diesem Grunde es »nicht akzeptiert« werden könne, dass »die Partei immer Recht« habe. Dieser Auffassung schlossen sich in einem anderen Gespräch auch seine Frau Jeanne Stern20 und Hermlin21 an. Ähnliche Auffassungen einer Revision der Kulturpolitik vertritt auch der nach dem 11. Plenum aus seiner Funktion als Chefdramaturg des DEFA-Studios für Spielfilme abgelöste und jetzt als Dramaturg am Deutschen Theater tätige Klaus Wischnewski.22 Er ist der Meinung, nach dem VIII. Parteitag sei der Zeitpunkt gekommen, ihn zu »rehabilitieren« und zu untersuchen, wer für »die harte Linie des 11. Plenums«23 verantwortlich gewesen sei. Diese Personen müssten zur Verantwortung gezogen werden.
In weiteren Argumenten wird erklärt, in der Periode zwischen dem VII.24 und VIII. Parteitag habe es eine falsche kulturpolitische Orientierung auf sogenannte Standardwerke, z. B. Benito Wogatzkis25 Fernsehspiele, gegeben. Dies wäre auch nach dem VIII. Parteitag nicht überwunden und würde zu Unsicherheiten und Unzufriedenheiten unter Autoren und Schriftstellern führen.
Verstärkt wird in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, ob bestimmte künstlerische Werke, die nach dem 11. Plenum »abgesetzt« worden seien, nun wieder aus der »Versenkung« hervorgeholt würden, aber offensichtlich mache sich an zentraler Stelle eine gewisse »Scheu« bemerkbar, offen »Fehler der Vergangenheit« einzugestehen.
Auch im Bereich der darstellenden Kunst, unter Schauspielern und Bühnenkünstlern, zeigen sich in gegenwärtigen Diskussionen Tendenzen, die die »Notwendigkeit einer Revision« der Einschätzungen der Partei, insbesondere der Feststellungen der 11. ZK-Tagung, betonen.
Am Deutschen Theater Berlin z. B. vertraten die Regisseure Dreesen26 und Sagert27 die Auffassung, unsere Kulturpolitik könne es sich gegenwärtig nicht mehr leisten, »kleinkariert« zu sein. Sie prophezeiten eine größere »Freizügigkeit« und warfen gleichfalls die Frage auf, wann das 11. Plenum »endlich korrigiert« werde.
Im Bereich »Dramatische Kunst« des Fernsehens, in dem die ideologische Arbeit schwach entwickelt sei, herrscht nach internen Hinweisen die Meinung vor, dass die Arbeit freier vonstattengehe »als zu Ulbrichts28 Zeiten«. Man könne experimentieren und neue Wege erforschen.
Der Fernsehautor Klaus Jörn29 z. B. soll die Auffassung vertreten, die Parteiführung brauche »nicht offen« zu den Beschlüssen der 11. ZK-Tagung Stellung zu nehmen. Es »genüge« schon, wenn man dem einen oder dem anderen Autor, die damals betroffen wurden, mitteile, dass ihre »Rehabilitierung« dokumentiert sei.
Auch andere Fernsehautoren sprachen bereits Vermutungen aus, dass sich aus der gegenwärtigen politischen Lage und der Situation in der DDR vermutlich eine Revision des 11. Plenums und eine »Rehabilitierung« der kritisierten Filme und Fernsehstücke ergeben werde, die man für die Öffentlichkeit freigeben werde.
Beachtung, insbesondere bei schwankenden Kräften, fand in diesem Zusammenhang ein literaturkritischer Beitrag des Lyrikers Adolf Endler30 im Heft 11/7131 der Zeitschrift »Sinn und Form«.32
In diesem Beitrag, »Im Zeichen der Inkonsequenz«, gibt Endler vor, als Vertreter der »Praxis«, d. h. solcher Lyriker, die in der Vergangenheit mit Vorbehalten zur Parteipolitik in Erscheinung traten, den »Dogmatismus« der Germanisten der DDR anzugreifen.
Tatsächlich jedoch wendet sich Endler in diesem Artikel mit oft nur verschleierten Ausdrücken gegen Forderungen der Partei und wertet die Kulturpolitik der vergangenen Jahre ab.
Dieser Artikel Endlers ist nach Meinung verantwortlicher Kulturfunktionäre Teil einer gegenwärtigen Auseinandersetzung auf dem Gebiet der Lyrik, bei der die von negativen Kräften angesprochenen »Formfragen« vielfach versteckte Angriffe gegen den politischen und gesellschaftsbezogenen Inhalt beinhalten würden.
Bemerkenswert im Zusammenhang mit diesen Folgerungen über eine »Liberalisierung« auf dem Gebiet der Kulturpolitik und die allgemeine Unsicherheit über die tatsächliche Linie dieser Politik waren nach vorliegenden Hinweisen vor allem auch die Reaktionen unter den Kulturschaffenden und Kulturfunktionären auf die unkommentierte Veröffentlichung des Beschlusses der KPdSU im ND über die Verbesserung der Kunst- und Literaturkritik.33
Während der Schriftsteller Hermann Kant34 sowie der Chefredakteur der NDL,35 Dr. Werner Neubert,36 z. B. demonstrativ ihre Zustimmung zu der Forderung äußerten, dass die Literaturkritik eine kämpferische Position einnehmen müsse – auch wenn nicht vermeidbar sei, dass es dabei im Ergebnis zu einer Verärgerung zwischen Schriftsteller und Kritiker komme – brachte dagegen der Schriftsteller und Kritiker Rainer Kerndl37 im kleineren Kreise von Schriftstellern sein Befremden darüber zum Ausdruck, weshalb das »Neue Deutschland« und die »Berliner Zeitung«38 diesen Beschluss so ausführlich veröffentlichten. Er befürchte, diesen Beschluss würden viele missverstehen, denn bei uns lägen die Dinge im Bereich der Literaturkritik ganz anders. Für ihn erhebe sich die Frage, ob es sich um die Vorbereitung einer »neuen Linie« handle und ob das auch »sozialistische Integration auf dem Gebiet der Kultur« bedeute oder ob »gar ein neues 11. Plenum vorbereitet« werde.
Eine andere Möglichkeit bestehe darin, dass die Veröffentlichung rein informatorischen Charakter habe und dass in Zukunft stärker über kulturelle Probleme der sozialistischen Länder berichtet werde. Dennoch frage er sich, was das solle. Die Veröffentlichung werde von vielen nicht verstanden, weil man die Probleme der Literaturkritik in der UdSSR nicht kenne. Ähnliche Auffassungen vertraten die Schriftsteller Strahl,39 Kahlow40 und Knobloch.41
Der Schriftsteller Paul Wiens42 vertrat die Meinung, seines Wissens gebe es in der UdSSR eine Reihe von Karrieristen, die nur wenig oder keine wissenschaftlichen Kenntnisse auf literarischem Gebiet haben und die durch ihre Kritiken zu Abweichungen und dem Sozialismus fremden literarischen Erscheinungen geführt hätten.
Die DDR habe dagegen qualifizierte Literaturkritiker, wie Prof. Haase,43 Prof. Pracht,44 Dr. Neubert u. a.
Ein Mangel sei, dass in unserer Literaturkritik kaum einem Autor wehgetan werde.
Von verschiedenen Kulturfunktionären wurde dagegen der genannte Beschluss wie folgt gewertet:
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Gerhard Henniger,45 Sekretär des DSV: Die KPdSU und in der praktischen Umsetzung auch die SED beabsichtigten offenbar, die Auseinandersetzungen in Literatur, Literaturtheorie und Literaturgeschichte stärker auf den Kreis der Genossen zu verlagern, die in diesem Sektor tätig sind. Die Partei werde als politische Institution weniger in Erscheinung treten und die Auseinandersetzung mit revisionistischen Auffassungen mehr bei Wahrung der Anleitung und Kontrolle den in diesen Gebieten tätigen zuverlässigen Parteikadern übertragen. Das bedeute eine Stärkung der Verantwortung der Genossen in den Künstlerverbänden.
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Dr. Renate Drenkow,46 Sekretär des DSV für Literatur: Sie sei sich gegenwärtig noch nicht im Klaren über die Richtung dieses Beschlusses – ob es sich nur um eine Auseinandersetzung mit bestimmten feindlichen Ansichten in der UdSSR handle oder ob die DDR auch gezwungen sei, Schlüsse daraus zu ziehen. Sie sei gegen eine mechanistische Anwendung des Beschlusses der KPdSU auf unsere Praxis.
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Achim Roscher,47 Redakteur der Zeitschrift »Neue Deutsche Literatur«, verantwortlich für das Rezensionswesen: Man solle nicht hektisch versuchen, irgendwelche neuen Dinge in der Literaturkritik der DDR zu entwickeln.
Notwendig sei es, die Kräfte unserer Literaturkritik, die auf einer prinzipiellen marxistischen Linie stehen, stärker zusammenzufassen, da diese bisher ungenügend zusammengefunden hätten. Dagegen würden Vertreter entgegengesetzter konzeptioneller Auffassungen viel besser miteinander kommunizieren.
2. Versuche der Negierung der führenden Rolle der Partei der Arbeiterklasse und der Überbetonung der Rolle der Kulturschaffenden
Die Tendenz einer Negierung der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei und der Überbetonung der Rolle der Kulturschaffenden widerspiegelt sich besonders in den unter Schriftstellern, Filmschaffenden und bildenden Künstlern nach dem VIII. Parteitag wieder verstärkt geführten Diskussionen über die Rolle und Funktion des Künstlers im Prozess des sozialistischen Aufbaus.
Neben zahlreichen Diskussionen in allen Bereichen des Kulturschaffens, in denen gefordert wird, künftig auch öfter mit Künstlern gesellschaftliche Fragen zu beraten, gibt es vorliegenden Hinweisen zufolge nicht wenige Auffassungen, die auf eine besondere Rolle und Funktion des Künstlers in der Gesellschaft hinauslaufen.
Als charakteristisch für solche Auffassungen unter Filmschaffenden verweisen verantwortliche Kräfte bei der DEFA auf die im Spielfilmstudio u. a. von Prof. Maetzig48 und den Dramaturgen Ebeling49 und Gräf50 vertretene Meinung, dass die Künstler das »Gewissen der Nation« seien.
Daraus würde sich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht für den Künstler ableiten, in Prozesse einzugreifen und bei ihrer Realisierung mitzuwirken, für die die Theorie bisher noch keine echte Alternative angeboten habe.
Die Rolle der Künstler müsste sich aus diesem Grunde von der Rolle der Politiker dadurch unterscheiden, dass die Künstler die »vorhandenen Widersprüche in der Entwicklung« offen darlegen und »im Gegensatz zu den Politikern ehrlich die Probleme aufgreifen und Lösungswege aufzeigen«.
Auf einer Präsidiumssitzung des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden Anfang November 1971 habe Andrew Thorndike51 die Filmschaffenden aufgefordert, das Vertrauen, das ihnen die Partei entgegenbringe, geltend zu machen. Wie er nach vorliegenden Hinweisen ausführte, verstehe er darunter ein größeres Maß an Mitbestimmung der Künstler in künstlerischen Fragen, mehr noch, einen Führungsanspruch. Nur die Künstler seien dazu befähigt, Kunstwerke ihrer Kollegen objektiv einzuschätzen.
Diese Gedanken Thorndikes fanden die Unterstützung weiterer Filmschaffender und führten zu der Auffassung, darüber einen »offenen Meinungsstreit« zu führen.
Wie internen Berichten, aber auch Hinweisen von Kulturfunktionären zu entnehmen ist, werden die vom Genossen Honecker gegebene Zusicherung, dass die Partei Vertrauen in die Künstler setzt sowie die Forderung des VIII. Parteitages nach Erhöhung der Massenwirksamkeit von Kunst und Kultur als Ausgangspunkt genommen, gegen die von der Partei vertretenen Prinzipien sozialistischer Kulturpolitik und die Kontrolle der Partei über die Einhaltung dieser Prinzipien aufzutreten.
Unter bildenden Künstlern sowie Theater- und Musikschaffenden in Berlin wird z. B. in intern geführten Diskussionen der sozialistische Realismus als künstlerische Variante angesehen, die sich nur für die Darstellung überschaubarer gesellschaftlicher Prozesse eigne.
Für das Eindringen in die »Welt der Gefühle und der Phantasie sei der sozialistische Realismus ungeeignet«, weil er der Anwendung künstlerischer Mittel Grenzen setze. Der Künstler benötige dazu auch die Variante des »Modernen«. Nach Meinung dieser Kreise trägt die »Moderne« zwar das »Risiko der entarteten Kunst«52 in sich, doch sei dieses Risiko für die sozialistische Gesellschaft gering, da die Mehrheit der »Kunstkonsumenten« der »entarteten Kunst« kaum Beifall spenden werde. Ausgehend von diesen Auffassungen wird nach größerer Toleranz gegenüber modernen Varianten verlangt. (Vertreter solcher auch in anderen Bereichen anzutreffenden Auffassungen sind u. a. die bildenden Künstler Paris,53 Graetz,54 Vent,55 Kühn,56 Krepp,57 der Theaterregisseur Sagert, Bühnenbildner Freyer58 und der Dozent für Komposition an der Musikschule »Hanns Eisler«, Heinz Dittrich).59
Diese Kreise sind auch der Auffassung, dass Kunst vergleichbar sei mit einigen Naturwissenschaften, in denen das Experiment die Voraussetzung für neue Erkenntnisse darstelle.
Unter diesen Gesichtspunkten gewinnt in letzter Zeit auch die These von der »juryfreien Ausstellung« wieder an Bedeutung. Die Entwicklung der Kulturpolitik in der DDR ließe hoffen, dass dieser Forderung der Künstler entsprochen wird und eine »Sicherung der freien Entfaltung der Talente« erfolgt.
(Als Vertreter dieser These sind ebenfalls Ronald Paris,60 René Graetz sowie u. a. Rehfeldt,61 Mau62 Hanfried Schulz,63 Thieme,64 Josef Brück65/alle Berliner Raum, Jastram66/Rostock, Prof. Niemeyer-Holstein67/Insel Usedom bekannt geworden.)
Bei der DEFA wurde – nach internen Hinweisen – in diesem Zusammenhang von führenden Regisseuren, Schriftstellern und Dramaturgen die in Diskussionen erhobene Forderung nach Reduzierung der verschiedenen »Kontrollinstitutionen« damit begründet, dass »große Kunst«, wie sie die Partei fordere, in der DDR nicht gemacht werden könne, weil ein »breiter Instanzenweg« dazwischen stehe. Zu viele dieser »Instanzen« seien mit Personen besetzt, die »von der Kultur und Kunst keine Sachkenntnis« hätten und durch ihr »Hineinreden in den Schöpfungsprozess des Künstlers« nur die »Entwicklung großer Kunstwerke verhindern« würden.
Derartige »sachunkundige Instanzen« seien vor allem die Begutachter aus den Fachministerien, den gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen, aber auch die Leiter der Spielfilmstudios und Mitarbeiter der Hauptverwaltung Film.
Als Beispiel des »Hineinredens« wird nach vorliegenden Hinweisen von Filmschaffenden, aber auch leitenden Funktionären dieses Bereiches, die vom Bundesvorstand des DFD geübte Kritik an der Darstellung der Frau in der DDR im Film »Der Dritte«68 des Regisseurs Günther69 angesehen.
Ähnlicher Auffassung ist Prof. Fritz Cremer,70 der das Ministerium für Kultur als »größtes Hindernis jeglicher künstlerischer Entfaltungsmöglichkeiten« ansieht, weil die Mitarbeiter dieses Ministeriums »nicht künstlerisch empfinden«, sich aber auch vor »jeder Entscheidung drücken« würden, »aus Angst, etwas nicht richtig zu machen«.
Nach Ansicht verantwortlicher Kulturfunktionäre verberge sich hinter diesen Auffassungen auch die Tendenz unter Künstlern und Schriftstellern, die Ursache für geringe Massenwirksamkeit und Resonanz ihrer Werke in einer Sphäre außerhalb ihrer praktischen Tätigkeit zu suchen.
Auffassungen mit ähnlichen Tendenzen gibt es auch unter Theaterschaffenden. So führte z. B. der Schauspieler und Regisseur Römer71 in einem Gespräch aus, es sei für viele Künstler entmutigend, wenn sie nach (berechtigter) Kritik »in alle Ewigkeit verdammt« würden. Man müsse erreichen, dass viele Künstler ihre Fähigkeiten für die Gesellschaft noch mehr einsetzen. Man dürfe nicht nur solchen Leuten das Recht zur Kritik einräumen, die gerade gut angesehen seien, wie z. B. dem Regisseur Reisch72 (Film »Trotz alledem«),73 sondern auch anderen. Reisch habe bisher nichts anderes gedacht. Jetzt aber, als er von einem Kolloquium in Moskau zurückkam, fordere er offiziell mehr Kritik, eigene Meinungen, Kampf gegen Phantasielosigkeit u. a. – alles Probleme, die nach der Auffassung Römers »andere« schon eher gefordert hätten.
Wie inoffiziell bekannt wurde, wird auch in Kreisen der Sektion Literatur der Deutschen Akademie der Künste die Meinung vertreten, in der Arbeit wirke es sich hemmend aus, dass es in der DDR zu viele Stellen gibt, die ein Einspruchsrecht haben. Das würde beginnen beim ZK der SED und über das Ministerium für Kultur, die Hauptverwaltung Verlage und bis hin zum DFD und zur FDJ reichen. Dieser lange Weg der Zustimmung zu einem Werk verhindere oft die kontinuierliche Arbeit und behindere die Entwicklung. Hinzu komme das Streben einzelner Personen nach Einflussnahme auf das Gebiet Literatur.
3. Auslegungen der Forderung des VIII. Parteitages, »keinen zurückzulassen«, in der Richtung, negative Kräfte unter den Kulturschaffenden ohne prinzipielle Klärung ihrer ideologischen Positionen zur Mitarbeit heranzuziehen
Als eine weitere Tendenz, die sowohl von Kulturfunktionären als auch von Kulturschaffenden als Missdeutung der Forderung des VIII. Parteitages »Keinen zurücklassen, alle gewinnen« gewertet wird und die große Unsicherheit über die künftige Kulturpolitik der Partei hervorgerufen haben soll, werden nach vorliegenden Hinweisen die verstärkten Bestrebungen von Kulturschaffenden eingeschätzt, bisher abseits bzw. in direkter Opposition zur Partei stehende Kulturschaffende, wie z. B. Reiner Kunze74 ohne prinzipielle Klärung ihrer ideologischen Positionen zur Mitarbeit zu gewinnen.
Ausgangspunkt dieses Unverständnisses unter progressiven Schriftstellern sowie Kulturfunktionären soll dabei die von dem stellvertretenden Leiter der Kulturabteilung des ZK der SED, Genossen Löffler75 und dem Mitarbeiter für Literatur in der Kulturabteilung des ZK der SED, Genossen Sladczyk,76 abgegebene und mehrfach (u. a. auf Sitzungen des Präsidiums des PEN-Zentrums und des Präsidiums des DSV) wiederholte und als »Linie« ausgegebene Orientierung sein, dass der VIII. Parteitag fordere, »jeden mitzunehmen«, und deshalb
- –
»in unserer Kunst sowohl ein Cremer, Sitte,77 Neutsch78 als auch ein Heym Platz haben« müssten;
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»was gewesen sei, sich nicht mehr ändern lasse und man sozusagen neu anfangen müsse«;
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die Prüfung der Möglichkeit, neben Kunze auch Wolf Biermann79 wieder »in das gesellschaftliche Leben einzubeziehen«, nur »Teil einer großen Kette von Bemühungen« sei.
Diese von Löffler und Sladczyk entwickelte »ganz neue Linie der Kulturpolitik« soll nach Feststellungen von Hermann Kant80 »die ungeteilte Sympathie der Schriftsteller Hermlin, Christa Wolf,81 Peter Hacks82 u. a. erhalten« haben, weil sie nicht auf prinzipiell parteiliche Klärung ideologischer Meinungsverschiedenheiten mit Kunze, Biermann u. a. orientiere.
Ähnliche Ansichten äußerten auch Helmut Sakowski,83 Max Walter Schulz84 sowie der Sekretär des DSV, Genosse Henniger.85
Sakowski z. B. brachte sein Befremden über die für die Arbeit mit solchen Schriftstellern wie Kunze u. a. gegebene Orientierung in der Diskussion während der Tagung des Präsidiums des DSV wie folgt zum Ausdruck:
Er verstehe die Forderung der Partei, keinen zurückzulassen, und billige auch die ernsthaften Bemühungen, aufgetretene Erscheinungen des Subjektivismus und der Enge zu überwinden. Es wäre jedoch unmöglich, die Angelegenheit mit Rainer Kunze zu bereinigen, ohne die Klärung der ideologischen Positionen voranzutreiben. Er sehe nach wie vor auch Grenzen in Bezug auf die Gewinnung solcher Schriftsteller wie Kunze, Biermann und Heym. Außerdem würden die Bemühungen, mit einigen Schriftstellern wie z. B. Kunze, ins Reine zu kommen, seiner Ansicht jetzt zur Generalfrage gemacht, obwohl sie nur etwa 5 % der im Dezember 1971 während der Aussprache mit Schriftstellern vom Genossen Hager gegebenen Empfehlungen des ZK ausmachen würden.
Auch Prof. Max Walter Schulz, Fritz Selbmann,86 der Chefredakteur der »Neuen Deutschen Literatur«, Genosse Neubert,87 und der Stellvertreter des Ministers für Kultur, Genosse Haid88 sollen in gleicher Form ihr Unverständnis über die Haltung der Kulturabteilung des ZK zum Ausdruck gebracht und konsequent die »Preisgabe politischer Positionen, um die jahrelang gerungen worden sei«, abgelehnt haben.
Max Walter Schulz äußerte darüber hinaus gegenüber Kulturfunktionären bereits resignierend, er habe mehr und mehr das Gefühl, dass er seine auf dem VI. Schriftstellerkongress geäußerte Meinung zu den Schriftstellern Rainer Kunze und Christa Wolf revidieren müsse und die Partei vielleicht sogar von ihm verlangen werde, diesen Standpunkt zu revidieren. Bezug nehmend auf eine von Dr. Neubert in der Sitzung des Präsidiums des DSV abgegebene Äußerung, »Lenin habe 1905 einmal davon gesprochen, die Partei müsse bei bestimmten Leuten große Geduld und Energie darauf verwenden, um ihre Mentalität gesunden zu lassen«,89 vertrat Schulz die Auffassung, der positive Kern der Schriftsteller sei schließlich kein Samaritertrupp, der die Zurückgebliebenen aufsammeln müsse. Wenn man eine ideologische Schlacht schlagen wolle, müsse die Partei sich auf die aktivsten und kämpferischsten Kräfte verlassen. Er habe aber jetzt den Eindruck, als wollten bestimmte Genossen (gemeint war Genosse Sladczyk) die positiven Kräfte in eine Art Sanitätstrupp verwandeln, die die einzelnen Fälle aufsuchen, um sie unbedingt zu uns herüberzuziehen, obwohl das offensichtlich nicht möglich sei. Er hätte noch nie davon gehört, dass eine Sanitätsabteilung eine Schlacht gewonnen habe.
Bestärkt in ihrer Auffassung, dass die Gewinnung solcher Schriftsteller wie Kunze, Biermann u. a. ohne Klärung ideologischer Positionen geschehen soll, wurden diese Schriftsteller und Kulturfunktionäre nach vorliegenden Hinweisen auch dadurch, dass damit nicht progressive Kräfte des DSV, sondern Kräfte des Pen-Clubs beauftragt wurden.
Nach vorliegenden Hinweisen soll z. B. die Referentin des Genossen Hager, Genossin Hinckel,90 zuerst Stefan Hermlin beauftragt haben, die Aussprache mit Kunze zu führen. Diese Festlegung sei erst aufgehoben worden, als der Stellvertreter des Ministers für Kultur, Genosse Haid, dagegen intervenierte.
Daraufhin sei durch die Genossin Hinckel der Leiter des Verlages Volk und Welt, Genosse Gruner,91 beauftragt worden, mit Kunze zu sprechen.
Diese Festlegung wiederum soll die Genossen Löffler und Sladczyk veranlasst haben, während der Tagung des Präsidiums des PEN-Zentrums Hermlin und Christa Wolf zu bitten, Rainer Kunze in einem Brief die bevorstehende Aussprache anzukündigen und für den Genossen Gruner bei Kunze um »gutes Wetter zu bitten«. Außerdem hätten die Genossen Löffler und Sladczyk darum gebeten, durch Hermlin und Christa Wolf sofort informiert zu werden, wenn Kunze in Berlin sei, weil sie bei dieser Gelegenheit auch noch persönlich mit Kunze sprechen wollten.
Obwohl die Genossen Löffler und Sladczyk das Vorgehen im Fall Kunze mit einem Protest des ungarischen PEN-Zentrums begründeten, der sich dagegen gerichtet habe, dass Kunze nicht als Nachdichter einer ungarischen Lyrikanthologie herangezogen wurde, löste es dennoch Unverständnis aus, dass die Gewinnung solcher Kräfte dem Pen-Club der DDR und nicht dem DSV übertragen wurde.
Zu einer gewissen, wenn auch noch nicht restlosen Klärung dieser Auffassungen soll vorliegenden Hinweisen zufolge eine Tagung der Kulturkommission des ZK geführt haben, die in Auswertung der 4. Tagung des ZK der SED stattfand und als Orientierung hervorgehoben habe:
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Es gebe kein Zurück hinter das 11. Plenum, es sei aber notwendig, im Verhältnis Partei/Künstler bis zur bevorstehenden Tagung des ZK noch einiges in Ordnung zu bringen.
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Künstler, die auf antifaschistischen Positionen stehen, müssten die Möglichkeit erhalten, mit ihren Werken an die Öffentlichkeit zu kommen, z. B. Stefan Hermlin, Fritz Cremer, der Komponist Thilo Medek.92
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Künstler, die bisher am Rande unserer Kulturpolitik standen bzw. Vorbehalte dagegen hatten, müssten die Möglichkeit erhalten, im kleineren Kreise zu veröffentlichen. Dazu gehöre, dass man in die Arbeiterklasse so viel Vertrauen setze, sich mit den Werken solcher Künstler auseinanderzusetzen.
4. Versuche bisher der Kulturpolitik ablehnend gegenüberstehender Kulturschaffender, wieder gesellschaftlich aktiv in Erscheinung zu treten, bzw. Versuche, solche Kräfte aufzuwerten
Von verantwortlichen Kulturschaffenden und Kulturfunktionären wird darauf hingewiesen, dass Kräfte, die bisher der Kulturpolitik der Partei ablehnend gegenüberstanden, sich in letzter Zeit verstärkt bemühen würden, durch Verschleierung ihrer wirklichen ideologischen Positionen den staatlichen und gesellschaftlichen Leitungsorganen gegenüber ihre »politische Zuverlässigkeit« nachzuweisen bzw. Gleichgesinnte durch Vorschläge für Funktionsbesetzungen oder Auszeichnungen aufzuwerten.
Wie intern bekannt wurde, soll z. B. der Schriftsteller Rolf Schneider93 den Leiter der Abteilung Theater des Ministeriums für Kultur, Genossen Willi Schrader,94 bereits zweimal um Aussprachen ersucht haben. Anfang Dezember 1971 wollte er sich über die Situation in der Kulturpolitik der DDR unterrichten, »um sich angeblich einrichten zu können, falls er von anderen Kollegen danach gefragt werde«. Dabei stellte er die Frage, ob denn »noch immer eine so sture Linie an der Tagesordnung sei oder ob er schon mit einer flexibleren Politik rechnen könne«.
Beim zweiten Gespräch Anfang Januar 1972 soll sich Schneider sehr angetan von dem Gespräch des Genossen Prof. Hager mit Schriftstellern gezeigt, andererseits aber auch betont haben, »noch immer scharfes Misstrauen« zu hegen, weil er nicht glaube, dass die Partei- und Staatsfunktionäre plötzlich anders geworden seien und nicht mehr die »sture Politik« fortsetzen würden. In beiden Aussprachen soll Schneider besonders betont haben, sich im Grunde immer mit der Politik und den Grundprinzipien unseres Staates in Übereinstimmung befunden zu haben, auch wenn es ihm schwer gemacht worden sei.
Besondere Aktivitäten in dieser Richtung soll auch Stefan Hermlin entwickeln, der sich in starkem Maße auf »persönliche Gespräche« mit führenden Genossen unserer Partei beruft. So sei ihm eine Prüfung zugesichert worden, warum der Lassalle-Roman95 von Stefan Heym bisher in der DDR nicht erschienen sei. Wie er z. B. dem Sekretär des DSV, Genossen Henniger, gegenüber zum Ausdruck gebracht habe, sei ihm angeblich durch die Genossin Hinckel (persönliche Referentin beim Genossen Prof. Hager) Folgendes zu verstehen gegeben worden:
Er könne sich nicht vorstellen, wie schwierig es sei, die große Linie des Politbüros durchzusetzen. Die mittleren Kader auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene würden die ganze Linie an allen Ecken sabotieren und torpedieren.
Aufgrund dieser Mitteilung hätte er große Lust, zu einer Kampagne »Alle Macht dem Politbüro« aufzurufen.
Unter Funktionären des DSV sollen – wie die Genossin Drenkow, Sekretär im DSV, intern äußerte – diese Aktivitäten und Erklärungen des Hermlin zu der Meinung geführt haben, dass Hermlin gegenwärtig sehr hoch im Kurs stehe und danach strebe, Berater des Genossen E. Honecker in Fragen der Kulturpolitik zu werden.
An der Akademie der Künste wird intern die Meinung vertreten, dass Genosse Abusch96 aus der Regierung verdrängt worden sei und nur noch den Ausweg habe, über die Literatur wieder zu Einfluss zu gelangen. Das werde ihm jedoch kaum gelingen, da Stefan Hermlin wieder der kommende Stern sei.
Einen Zusammenhang mit diesen Bemühungen bisher negativ Erscheinung getretener Kräfte sehen verantwortliche Kulturfunktionäre auch in den gegenwärtigen Bestrebungen, solche Kräfte durch Berufung in Funktionen, durch Ausstellungen an künstlerischen Ausbildungsstätten, durch Vorschläge für Auszeichnungen usw. wieder gesellschaftlich aufzuwerten und ihnen damit wieder stärkere Massenwirksamkeit zu verschaffen.
Nach internen Hinweisen sollen z. B. die Schriftsteller Hermlin und Stern der Deutschen Akademie der Künste den Vorschlag unterbreitet haben, den Schriftsteller Heym zum Mitglied der Akademie zu berufen.
Dem Präsidium des DSV soll gleichfalls von Hermlin und Stern der Vorschlag unterbreitet worden sein, dem Schriftsteller Kuhnert 1972 den »Johannes-R.-Becher-Preis«97 zuzuerkennen.
Auch der Vorschlag des Ministeriums für Kultur, jetzt den Lyriker Braun98 für den »Heinrich-Greif-Preis«99 vorzuschlagen, obwohl das bis zum VIII. Parteitag ständig abgelehnt wurde, sowie Rolf Schneider für die Inszenierung »Einzug ins Schloss«100 auszuzeichnen, werden als Versuche eingeschätzt, beide aufzuwerten.
Von leitenden Funktionären des DSV wird darauf verwiesen, dass es mit diesen Schriftstellern, besonders mit Heym und Kuhnert in der Vergangenheit wiederholt Auseinandersetzungen gab und ihr schriftstellerisches Schaffen nicht zur Bereicherung der Literatur der DDR beigetragen habe.
Nach Auffassung des Sekretärs des DSV, Genossen Henniger, wollen sich die Genannten damit nur gegenseitig aufwerten.
Durch eine Zustimmung zu diesen Vorschlägen könnten seiner Meinung nach »Tatsachen und Positionen geschaffen werden, die diesen Leuten wieder die Initiative in die Hand« geben.
Andererseits wurden dem MfS in letzter Zeit auch Versuche einiger Künstler bekannt, sich für die Begutachtung ihrer der sozialistischen Kunstauffassung widersprechenden Werke die Unterstützung profilierter Persönlichkeiten zu sichern. Auf der letzten Musikbiennale in Berlin soll z. B. die Aufführung eines modernistischen Werkes des Komponisten Dittrich dadurch durchgesetzt worden sein, dass Paul Dessau101 androhte, bei Ablehnung dieses Werkes seine eigenen Kompositionen zurückzuziehen.
Bei der Zeitschrift des DSV, »Neue Deutsche Literatur«, ist zu verzeichnen, dass in den letzten Wochen verschiedene Schriftsteller, vor allem Lyriker, die jahrelang nicht mehr mit der NDL in Verbindung standen (insbesondere seit der 11. ZK-Tagung 1965) Manuskripte zur Veröffentlichung einreichten. Hierzu gehören u. a. Heinz Kahlau,102 Rainer Kirsch,103 Heinz Czechowski.104 Der Charakter verschiedener Manuskripte weist darauf hin, dass es sich in einigen Fällen um Tests handelt, was veröffentlicht wird. Jeder dieser drei Lyriker sandte etwa acht bis 15 Manuskripte ein, wobei von Kirsch lediglich drei verwendbar waren. Die anderen Manuskripte waren in der Regel Arbeiten, die jahrelang in Schreibtischen gelagert waren. Unter den der NDL angebotenen Manuskripten auch der anderen Personen, z. B. des Schriftstellers Knauth,105 befinden sich solche mit zweifelhafter Aussage, wie Knauths »Die Nachtigall«,106 ein Stück, das im alten China spielt, Parabelcharakter trägt und aktuelle Anspielungen zu Entwicklungsproblemen der Gesellschaft in der DDR enthalten soll.
Nach einer Äußerung Czechowskis gegenüber Achim Roscher wird diese Einsendepolitik bewusst betrieben, um die Reaktionen der NDL festzustellen.
Der Lyriker Rainer Kirsch soll z. B. zum Ausdruck gebracht haben, jetzt sei »der Zeitpunkt gekommen«, der NDL wieder Gedichte anzubieten, nachdem bisher immer nur eine bestimmte Gruppe von DDR-Lyrikern das Wort geführt habe.
Neben diesen offiziellen Einsendungen an die NDL hat Rainer Kirsch – wie intern bekannt wurde – außerdem im Kreise seiner Bekannten ein von ihm verfasstes und im Druckverfahren hergestelltes Manuskript verbreitet, das den Titel »Herzmaschinen Heskuls Satz – Moralquanten«107 trägt und dessen Teilveröffentlichung vom Aufbau-Verlag wegen darin enthaltener zweifelhafter Aussagen abgelehnt worden sei.
Bei diesem Manuskript handelt es sich um literarisch gestaltete »Porträts« der DDR-Wissenschaftler Prof. Schober108 (Herzspezialist), Prof. Gilde109 (Direktor des ZIS; Halle) und Prof. Loeser110 (Humboldt-Universität Berlin), mit denen Kirsch in Vorbereitung dieses Manuskripts Gespräche führte.
Der Inhalt dieser Arbeiten ist nach Einschätzung kompetenter verantwortlicher Kräfte politisch fragwürdig und geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Politik von Partei und Regierung zu wecken, indem Schwierigkeiten des sozialistischen Alltags überbetont werden und die dargestellten Vertreter der Intelligenz sich eigentlich nur gegen Unverständnis und Misstrauen ihrer Umgebung durchsetzen konnten.
Kirschs Position in dieser Vorlage sei durch Subjektivismus und eine abstrakte Fortschrittsphraseologie gekennzeichnet und ignoriere die führende Rolle der Arbeiterklasse. Das Manuskript sei außerdem inhaltlich, stilistisch und sprachlich schwach, aber vom Autor durch die angestrebte politische Zweideutigkeit sowie auch persönliche Diffamierungen der Porträtierten »interessant« gemacht.
Kirsch gehe dabei raffiniert vor und lege den interviewten Personen bestimmte Äußerungen in den Mund bzw. stelle Sätze dieser Personen in einem ihm genehmen Zusammenhang dar, wobei er sorgsam bemüht sei, eigene Stellungnahmen, die ihn exakt festlegen könnten, zu vermeiden und seine Angriffe ins Allgemeine oder Historische hin verfremdet darzustellen.
Diesen Einschätzungen zufolge wende sich Kirsch darin gegen die sozialistische Hochschulpolitik. Er trete für eine Studienorganisation nach westlichem Vorbild ein, negiere Forderungen der sozialistischen Kulturpolitik bzw. ziehe sie ins Lächerliche und diffamiere die Gesellschaftswissenschaften und die Sprache der Partei.
Kennzeichnend für sein Vorgehen seien Arroganz, Zynismus und Menschenfeindlichkeit, verbunden mit einer Vielzahl von Anspielungen auf Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung der DDR, wobei er sich revisionistischen Auffassungen nähere.
Dieses Material sei geeignet, bestimmte Kreise der Intelligenz negativ gegen die Politik von Partei und Regierung und die enge Zusammenarbeit mit der UdSSR zu beeinflussen.
Die Weitergabe von Manuskripten zur persönlichen Kenntnisnahme ist in Schriftstellerkreisen nicht ungewöhnlich, jedoch handelt es sich bei derartigen Fällen in der Regel um eine geringe Auflage, d. h. Schreibmaschinendurchschläge. Die von Kirsch gewählte Methode der Vervielfältigung mittels Ormig111 ist jedoch neu und bei derartigen zweifelhaften literarischen Arbeiten bisher nicht in Erscheinung getreten.
Durch das MfS wird deshalb gegenwärtig noch geprüft, in welchem Umfang Kirsch diese Materialien verbreitet hat.
Als Streben nach einer Aufwertung und Sonderrolle wird von Kulturschaffenden auch angesehen, dass der Bildhauer Fritz Cremer es ablehnte, sich an der gegenwärtigen Ausstellung des Bezirksverbandes Bildender Künstler in Vorbereitung der VII. Kunstausstellung112 zu beteiligen, und stattdessen am Strausberger Platz eine Verkaufsausstellung seiner Werke organisierte.
Zum Interview Robert Havemanns,113 das in der schwedischen Zeitung »Expressen« am 20. 1.1972114 veröffentlicht wurde, haben sich eine Reihe Schriftsteller und Kulturschaffende ablehnend geäußert:
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Das Interview kann als offene Unterstützung der imperialistischen Politik gewertet werden und ist deshalb abzulehnen (z. B. John Peet115/englischer Journalist, Rudi Strahl,116 Berta Waterstrat).117
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Havemann finde in der DDR nur noch bei einigen »intellektuellen Spinnern« Resonanz. Es erwecke den Eindruck, dass Havemann selbst nicht mehr wisse, was er eigentlich wolle (z. B. Direktor der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam, Lutz Köhlert).118
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Havemann müsste inhaftiert oder über die Grenze abgeschoben werden. Es sollte verhindert werden, dass er der DDR noch weiter Schaden zufügt (z. B. Ottomar Harbauer119/stellvertretender Chefredakteur der »Berliner Zeitung«).
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Heinrich Böll,120 Präsident des internationalen PEN-Zentrums, erklärte, das Interview Havemanns sei im Allgemeinen als primitiv zu beurteilen. Offensichtlich sei es jedoch unter dem Eindruck einer »gewissen Isolierung« zustande gekommen; denn nur solche Menschen würden zu »irrealen, magischen Dimensionen« neigen.
Auch zum Verhalten Biermanns und zu seiner Stellungnahme in der »Welt«121 besteht mehrfach Ablehnung. Es wird geäußert, die Stellungnahme Biermanns ließe die Schlussfolgerung zu, dass er sich rehabilitieren wolle (z. B. John Peet). Er wisse offensichtlich nicht recht, wie er sich gegenüber Havemann verhalten solle (z. B. Kurt Stern). Mit Biermann sollte man »keine Ausnahme« machen; er gebe dieselbe »tragische Figur« wie Havemann ab. Er arbeite nicht und erhalte finanzielle Unterstützung gewisser Intellektueller aus der DDR und aus der BRD (z. B. Marianne Wambut122/Leiterin der Abt. Wirtschaft der »Berliner Zeitung«).
Biermann selbst habe zum Interview Havemanns intern geäußert, es sei ihm »sehr an die Nieren gegangen«. Der Interviewer habe kein Tonband gehabt, sondern mitgeschrieben; daher sei es zu »Verdrehungen« gekommen. Wegen des Interviews habe sich Biermann mit Havemann ziemlich »zerstritten«.
5. Unsichere Reaktionen und Entscheidungen staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen, die falsche Auffassungen begünstigen und widersprüchliche Handlungen fördern
Dem MfS vorliegende Informationen enthalten außerdem zahlreiche von Kulturfunktionären und Kulturschaffenden geäußerte Hinweise und Kritiken zu Reaktionen und Entscheidungen staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen, die nach Meinung dieser Kreise die im Bericht geschilderten Auffassungen begünstigen bzw. solche Handlungen fördern würden.
Als Fakten, die bei Kulturfunktionären und Kulturschaffenden zu Missverständnissen beigetragen und Unsicherheiten hinsichtlich der Kulturpolitik der Partei hervorgerufen hätten, werden u. a. angeführt:
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Die angeblich wieder geduldete Veröffentlichungstätigkeit solcher Kräfte wie z. B. Biermann, Heym und Havemann in der Westpresse bzw. von Kant, Schneider, Kunze durch die BRD-Verlage Rowohlt,123 Hamburg, und S. Fischer, Stuttgart; (zum Teil klingt in den darüber von Kulturschaffenden geführten Diskussionen erneut die Ansicht durch, erst durch Veröffentlichung im Westen wirklich materiell und moralisch anerkannt zu sein);
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die Genehmigung der Westreise Stefan Heyms zur Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse und sein Hausieren mit dem »17.-Juni-Manuskript«124 bei westdeutschen Verlagen;
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die erteilte Ausreisegenehmigung für die Schauspielerin Monika Gabriel,125 die derzeitige Frau von Wolfgang Kieling;126
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die »Unentschlossenheit« gegenüber Hermann Kants Buch »Impressum«.127
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(Hierzu wird jedoch auch unter Schriftstellern und Kulturfunktionären die Ansicht vertreten, das Beispiel Hermann Kant zeige, wie schnell selbst progressive Schriftsteller in einen schlechten Ruf gelangen können. Als »Das Impressum« ohne Zutun Kants in der BRD hochgespielt wurde, seien in der DDR sofort Stimmen laut geworden, die vor Kant gewarnt und sich von ihm distanziert hätten, obwohl er einer der wenigen Schriftsteller sei, die aktiv gesellschaftlich arbeiten würden und bereits mehrmals ihren parteilichen Klassenstandpunkt bewiesen hätten.)
Auf dem Filmgebiet wird die Debatte um den Gegenwartsfilm »Der Dritte« angeführt, der produziert und aufgeführt wurde, obwohl die Abteilung Frauen beim ZK und der DFD gegen den Film Einspruch erhoben haben sollen.
Im internen Kreis erklärte auch Prof. Kurella,128 »wegen eines Protestes gegen die Aufführung dieses Filmes von oben so angefaucht« worden zu sein »wie noch nie«.
Dabei sei ihm mitgeteilt worden, die »künftige Linie bestehe darin, dass über ein Kunstwerk, gleich aus welchem Bereich es komme, vor dessen Veröffentlichung nicht mehr diskutiert werden könne und dürfe«.
Diese Fakten vor allem würden von Kulturschaffenden, aber auch von einem Teil Kulturfunktionären im Sinne einer »Liberalisierung« der Kulturpolitik gedeutet.
Als dieser angeblichen »Liberalisierung« gegenläufige Fakten werteten diese Kreise u. a.
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die Ablösung von Kurt Bork,129 der bisher für Theaterwesen im Ministerium für Kultur zuständig war und den jetzt die Verantwortung für die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen im Ministerium für Kultur übertragen wurde, sowie
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die erneute Unterstellung der Staatsoper, der Komischen Oper, des Brecht-Ensembles und des Deutschen Theaters unter das Ministerium für Kultur.
Das Ministerium für Kultur betreffend, wird darauf hingewiesen, dass die dort unter Funktionären vorhandene Unsicherheit über die Linie der Partei auf dem Gebiet der Kultur ihre Ursache vor allem in der Konzeptionslosigkeit der Leitung des Ministeriums für Kultur habe, die nur durch einen allgemeinen Wortschwall und Wiederholung von allgemeinen Äußerungen verdeckt werde. So soll es im Ministerium für Kultur keine ausgearbeitete Konzeption mit Schlussfolgerungen aus dem VIII. Parteitag für die sozialistische Kulturentwicklung in der DDR gehen, sondern stattdessen um Entscheidungen von Fall zu Fall bzw. Halbentscheidungen.
Unsicherheiten über die Linie der Kulturpolitik sollen sich z. B. vor der Parteiaktivtagung im Ministerium für Kultur bei verantwortlichen Mitarbeitern gezeigt haben. So habe z. B. der Leiter der Abteilung Musik, Genosse Brattke,130 eine Konzeption für die zukünftige Arbeit angefertigt, die durch den stellvertretenden Minister für Kultur, Dr. Rackwitz,131 dem Genossen Brattke gegenüber als »hervorragend und richtungsweisend« bezeichnet worden sei.
Andererseits habe jedoch Dr. Rackwitz die Aufnahme darin enthaltener Probleme in ein Referat für die Konferenz der Musikschulen der DDR mit der Begründung abgelehnt, man könne es sich im Moment noch nicht erlauben, so deutlich zu werden. Brattke erklärte hierzu vertraulich, er sei vom Genossen Rackwitz erst einmal vorgeschickt worden, um zu testen. Für den Fall, dass sich seine Vorstellungen als falsche Orientierung der Kulturpolitik herausstellten, könne man einen Abteilungsleiter eventuell noch decken, nicht aber einen stellvertretenden Minister, der nicht so weit »vorprellen« dürfe.
Nach Meinung verantwortlicher Kulturfunktionäre seien alle in der Amtszeit von Horst Brasch132 durchgesetzten Elemente einer straffen Leitung des Ministeriums für Kultur inzwischen wieder verlorengegangen.
Nicht selten werde diesen Hinweisen zufolge bereits geäußert, dass Genosse Klaus Gysi133 nur der Kontinuität wegen seiner Funktion behalten habe, nicht aber, weil er der richtige Mann sei. Er sei zwar von einer Vielzahl von Stellvertretern umgeben, jedoch würden sie kein Leitungskollektiv bilden, sondern nur gegenseitig auf Fehler der anderen warten.
In diesem Zusammenhang wird auch behauptet, dass Klaus Gysi in den leitenden Gremien des Staates und der Partei zu geringen Einfluss habe.
Als ein weiterer Faktor, der dem Ministerium für Kultur nicht mehr Möglichkeiten bieten soll, als nur die allgemeine Linie und auch die nur verzögert durchzusetzen, wird von verantwortlichen Funktionären der kulturleitenden Organe das 1957 erlassene Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht genannt.134
Aufgrund dieses Gesetzes, das die Verantwortung für die geistig-kulturelle Entwicklung der Territorien den Räten der Bezirke überträgt, könne das Ministerium für Kultur bestenfalls etwas empfehlen, habe jedoch faktisch nichts zu sagen.
Dieser Umstand soll vor allem auf dem Gebiet des Theaterlebens zu sehr widersprüchlichen Entscheidungen, aber auch Inkonsequenzen führen.
In den vorliegenden Informationen wird dazu auf folgende Beispiele verwiesen:
Die Intendanten der Theater der DDR z. B. seien den Abteilungen Kultur der Räte der Bezirke bzw. den Bezirksleitungen unterstellt, würden aber gleichzeitig vom stellvertretenden Minister für Kultur (bisher Bork, jetzt Dr. Rackwitz) angeleitet.
Abhängig vom »eigenen politischen und künstlerischen Wert« und Gewicht würden die Intendanten diese Doppelunterstellung nutzen, um ihre eigene Politik zu versuchen, weil es keine einheitliche Anleitung oder Entscheidung gebe.
Die Theater würden nach bestätigtem Spielplan faktisch allein gelassen oder in anderen Fällen laufend von Vertretern des Ministeriums für Kultur besucht, dass in diesen Fällen von der Inszenierung bis zur Generalprobe seine Zustimmung gebe. Würden dann der Rat des Bezirkes und die Bezirksleitung diese Inszenierung bejahen, äußere sich das Ministerium für Kultur plötzlich ablehnend.
Eine andere Variante habe sich bei der Falstaff-Inszenierung135 in der Deutschen Staatsoper Berlin gezeigt, die einen großen Erfolg bei den Besuchern habe. Zur Premiere sei der stellvertretende Minister für Kultur, Dr. Rackwitz anwesend gewesen.
Erst von diesem Moment an habe die Leitungstätigkeit des Ministeriums für Kultur eingesetzt, indem Dr. Rackwitz den anwesenden Kritiker der »Berliner Zeitung« zur Seite genommen und mit ihm eine kritische Ablehnung der Inszenierung festgelegt habe.
Ein weiteres Beispiel sei die am »Deutschen Theater« Berlin 1971 begonnene Diskussion über die »Faust«-Inszenierung.136 Diese Diskussion sei zwar mit großem Aufwand begonnen, jedoch auch im »ND« nicht zu Ende geführt worden.137
Dabei habe man zwar mit Prof. W. Heinz138 – dem damaligen Intendanten –, aber nicht mit dem Regisseur Dreesen debattiert. Andererseits habe man Dreesen – schon in der Amtszeit von H.-A. Perten139 als Nachfolger von Prof. W. Heinz den Auftrag übergeben, »Clavigo« von Goethe zu inszenieren,140 die Auseinandersetzungen darüber aber mit H.-A. Perten geführt, mit dem Ergebnis, dass das Stück abgesetzt wurde.
An der Komischen Oper Berlin seien die Inkonsequenzen kaum noch aufzuzählen. Hier wird von verantwortlichen Funktionären besonders auf die Tatsache verwiesen, dass Prof. Felsenstein141 (österreichischer Staatsbürger) prinzipiell die Rechte für seine Inszenierungen an Ricordi,142 München, bzw. an den Verlag Weidenheim, London, mit dem Ziel vergeben habe, Valuta zu erhalten.
Die Inszenierung »Der Fiedler auf dem Dach«143 – ein Stück, das in der ursprünglichen Fassung von Scholem Alejchem144 gegen das zaristische Russland, gegen den Antisemitismus in der Ukraine und für die Gründung eines Staates Israel geschrieben wurde – sei selbst im Westen mit Recht als glatte Provokation gewertet worden, die sich eben nur Felsenstein leisten könne. Außerdem soll vorliegenden Hinweisen zufolge die Tatsache, dass Prof. Felsenstein einen Vertrag mit dem »Freistaat Bayern« über seine Mitwirkung beim »Kulturprogramm der Olympischen Spiele 1972 in München«145 unterschrieben habe, sowie die »Don Quichotte«-Inszenierung146 seines Meisterschülers Götz Friedrich147 erhebliche Diskussionen ausgelöst haben.
Auf dem Gebiet des Lichtspielwesens bzw. des Filmes habe der Ministerrat der DDR seit 1963 mehrere Beschlüsse gefasst, deren Ziel darin bestehen sollte, eine Rationalisierung und effektivere Arbeit des Lichtspielwesens zu erreichen.
In diesem Bereich seien ca. 7 000 Menschen beschäftigt, davon allein ca. 4 000 in der Verwaltungsorganisation. Nach Meinung kompetenter verantwortlicher Funktionäre seien alle diese Beschlüsse nicht durchgeführt worden; da die Räte der Bezirke Einspruch erhoben hätten.
Kritiken über fehlende Konzeptionen für die kulturpolitische Arbeit wurden auch aus Kreisen der Mitglieder der Akademie der Künste bekannt. Vorliegenden Hinweisen zufolge sei einzuschätzen, dass die Akademie »von der Hand in den Mund« lebe. Es sei keine einheitliche Linie auf literarischem Gebiet vorhanden und bisher auch nicht gelungen, die Verantwortlichen in der DDR an einen Tisch zu bringen. Für die Entwicklung auf literarischem Gebiet sei für die nächsten fünf Jahre keine Konzeption vorhanden. Außerdem gäbe es auch keine Pläne über die Zusammenarbeit mit anderen sozialistischen Ländern. Unterbreitete Vorschläge, die literarischen Strömungen in der Sowjetunion, der VR Polen, der ČSSR und der VR Ungarn zu analysieren und daraus schlussfolgernd Vorschläge für eine enge Zusammenarbeit zu entwickeln, seien bisher rigoros abgelehnt worden.
Als ein Höhepunkt für 1972/73 gelte der Plan, den Schriftsteller Pablo Neruda148 in die DDR einzuladen.
Als Neruda die VR Polen bereiste, sei jedoch niemand bereit gewesen, ihm dort eine Einladung zu überbringen bzw. dort Vorverhandlungen mit ihm zu führen. Es sei so lange gezögert worden, bis Neruda wieder abgereist war. Jetzt spekuliere man darauf, mit ihm in Paris, wo er sich zurzeit aufhält, zu verhandeln.
Diesem Verhalten liege die in den Leitungsgremien der Akademie vorherrschende Meinung zugrunde, dass nur gut sei, was einen großen Aufwand erfordere und über Umwege zu erreichen sei. Eine große Rolle soll dabei auch die Jagd nach attraktiven Dienstreisen spielen.
Als ungünstig wird in Kreisen der Akademiemitglieder auch empfunden, dass der Akademie nicht die Möglichkeit gegeben sei, den Pen-Club für ihre Arbeit auszunutzen, da sich dieser stark abseits halte und der Akademie in das Geschehen im Pen-Club kein Einblick gewährt sei.
Bei Mitarbeitern der »Weimarer Beiträge«149 löste das Verhalten des Lehrstuhls Kultur- und Kunstwissenschaften beim Institut für Gesellschaftswissenschaften im Fall des im Bericht bereits erwähnten Artikels des Lyrikers Endler150 Unverständnis aus. Wie den vorliegenden Hinweisen zu entnehmen ist, war seitens der »Weimarer Beiträge« mit Genossen Dr. Jarmatz151 vereinbart worden, dass er eine Erwiderung auf den politisch fragwürdigen Artikel von Endler schreiben sollte. Eine gleiche Forderung soll auch von der Abteilung Wissenschaften des Instituts an den Lehrstuhl ergangen sein.
Genosse Jarmatz habe diesen Auftrag jedoch nicht selbst ausgeführt, sondern ihn an eine Aspirantin des zweiten Studienjahres weitergegeben, die ihn von einer Defensivposition aus verfasste. Aufgrund dieser unzureichenden Erwiderung wandten sich die »Weimarer Beiträge« an die derzeitigen Leiter dieses Lehrstuhls, die Genossen Prof. Keßler152 und Hejzlar.153
Diese sollen unter vier Augen erklärt haben, sie sähen derzeit keine andere Möglichkeit, als so zu schreiben. Sie wüssten nicht genau, wie man die Dinge einschätzen könne. Es sei doch so, dass zurzeit keine klare Linie vorhanden sei und ihnen geboten sei, auf keinen Fall jemanden scharf anzugreifen. Girnus154 als Herausgeber von »Sinn und Form« sei teilweise ein politischer Abenteurer, aber in der jetzigen Situation der richtige Mann, weil er durch seine Art, die Leute, mit denen wir immer in heftigster Diskussion ständen, doch in gewisser Weise an sich gebunden und sprechbereit gemacht habe. Er habe den Auslöser gemacht, was ja nur willkommen wäre.
Sie hätten ganz bewusst diese unbekannte Genossin, die nicht mit dem Institut verbunden sei, ausgewählt und mit dem Schreiben einer »Lesermeinung« beauftragt, denn dieses Unverbindliche, meinte Keßler müsse man jetzt so machen, um die Zeit zu überstehen, bis wieder eine Linie da sei.
Genosse Hejzlar führte aus, dass »Verrückte der Linie« sei gegenwärtig, dass man keinem widersprechen dürfe, keinen angreifen dürfe, ganz gleich, welche Position er vertrete. Andererseits sei man aufgefordert, überall hart ideologisch zu polemisieren, d. h. in Diskussionen und Meinungsstreit zu kommen.
Von Kulturschaffenden der DDR wird die kulturpolitische Entwicklung in den sozialistischen Ländern, besonders in der UdSSR, der VR Polen, Ungarn und der ČSSR sehr aufmerksam verfolgt.
Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei besonders die Einstellung und Haltung offizieller staatlicher Organe in den sozialistischen Ländern gegenüber den Kulturschaffenden. So wird u. a. in Kreisen der bildenden Künstler in den Bezirken Berlin und Frankfurt (Oder), des Spielfilmstudios in Potsdam/Babelsberg sowie unter Schriftstellern hervorgehoben, dass den Kulturschaffenden in der VR Polen und VR Ungarn mehr »künstlerische Freiheiten« eingeräumt werden und auch die Verbreitung gewisser westlicher Kunstauffassungen und -richtungen gestattet werde.
Der Bildhauer René Graetz sowie einige bildende Künstler des Bezirkes Karl-Marx-Stadt155 leiten daraus die Schlussfolgerung ab, dass es notwendig sei, sich bei der Durchsetzung bestimmter Forderungen gegenüber den Kulturinstitutionen und -funktionären in der DDR auf die »großzügigeren Möglichkeiten« in den genannten sozialistischen Ländern zu berufen und zu orientieren.
Verschiedentlich spielt dabei die Überlegung eine Rolle, dass im Zusammenhang mit den Neuregelungen im Reiseverkehr DDR – VR Polen und DDR – ČSSR156 bessere Möglichkeiten der Verbindungen, der Kontakte und des Einflusses vorhanden sind, ohne dass bisher eine direkte Auswertung der neuen Reisemöglichkeiten in die VR Polen und in die ČSSR für organisierte Zusammenkünfte oder verstärkte Kontakte seitens solcher Personenkreise festgestellt werden konnte.
Von bildenden Künstlern des Bezirkes Frankfurt (Oder) wird spekuliert, dass bestimmte westlich beeinflusste polnische Kunstrichtungen (z. B. in der Bildenden Kunst) auch in der DDR Eingang finden, da von zentralen Stellen der DDR kaum etwas abgelehnt werden könne, was aus Freundesland kommt.
Durch Vertreter des Spielfilmstudios in Babelsberg, die enge Kontakte zu Filmschaffenden in der VR Polen unterhalten, wurde bekannt, dass polnische Filmkünstler angeblich sehr aufmerksam die von jungen DDR-Regisseuren produzierten Filme ohne politische Aussagen verfolgen, um festzustellen, ob sich hier gewisse »neue Tendenzen« im Filmschaffen der DDR durchsetzen.
Der Direktor des Staatstheaters Schwerin, Jurgons,157 zugleich Vorsitzender des Verbandes der Theaterschaffenden des Bezirkes Schwerin, kritisierte die unzureichenden Möglichkeiten in der DDR, die »progressive Literatur des Ostens« kennenzulernen. Er forderte u. a. die Veröffentlichung der Werke Solschenizyns158 und die Durchführung von Diskussionen über diese Werke.
Der Lyriker Rainer Kirsch äußerte intern, dass es in der Sowjetunion unter der jungen Schriftstellergeneration »hoffnungsvolle Ansätze eines Umdenkens« gebe, vor allem hinsichtlich ihrer Bestrebungen, sich »vom Parteidogma zu lösen« und »größere Freiheiten« für ihre Tätigkeit zu erringen.
In einigen Fällen wurden Forderungen von Filmregisseuren bekannt, verschiedene sowjetische Filme, darunter solche Filme wie »Dein Zeitgenosse«159 und »Warten wir den Montag ab«160 in der DDR zur Aufführung zu bringen. Diese Filme seien wegen bestimmter unklarer bzw. negativer Aussagen hinsichtlich der Darstellung gesellschaftlicher Verhältnisse in der Sowjetunion von der DDR nicht aufgekauft worden.
Die Aufführung derartiger Filme wird mit der Notwendigkeit begründet, mehr Informationen über die internationale Entwicklung in der Filmbranche zu erhalten.
Im Spielfilmstudio Babelsberg wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass einige der betreffenden Filme angeblich in nächster Zeit im westdeutschen Fernsehen gesendet werden sollen.
Verschiedene Fernsehautoren, darunter die Autoren Baumert,161 Böhm162 und Pederzani,163 wandten sich gegen das hohe Strafmaß der sowjetischen Justizorgane gegen den wegen antisowjetischer Tätigkeit verurteilten sowjetischen Schriftsteller Bukowski.164 Die Strafe wird als Methode zur Einschüchterung anderer »Oppositioneller« betrachtet, mit der man jedoch »das Gegenteil« erreiche.
Bisher konnten nur in Einzelfällen Anzeichen eines koordinierten Vorgehens negativer Kräfte unter den Kulturschaffenden der DDR mit Gleichgesinnten in den sozialistischen Ländern festgestellt werden.
So wurde intern bekannt, dass die Schriftstellerin Probst165 (Halle) enge Kontakte zu der ungarischen Schriftstellerin Szabó166 unterhält, die dazu benutzt werden, Informationen zu bestimmten Verhaltensweisen von Schriftstellern ihrer Heimatländer auszutauschen und sich durch gegenseitige Hinweise zu informieren, wie die Einflussnahme auf gesellschaftliche Bereiche ausgedehnt werden kann, ohne bestehende gesetzliche Bestimmungen verletzen zu müssen.
Die Szabó soll, ebenso wie die Probst Verbindungen zum Vorsitzenden des westdeutschen PEN-Zentrums, H. Böll,167 unterhalten und von diesem als Informationsquelle über Entwicklungstendenzen im Schriftstellerverband der VR Ungarn genutzt werden.
Die Szabó verfügt über eine Sondergenehmigung der ungarischen Regierung, die ihr den Besuch aller kapitalistischen Staaten, einschließlich Westberlins, ermöglicht. Mit Unterstützung der Szabó sollen verschiedene Bücher der Probst im deutschsprachigen Raum des kapitalistischen Auslandes vertrieben werden.
Internen Informationen zufolge soll Wolf Biermann anlässlich einer Touristenreise in die Sowjetunion im Jahre 1971 mehrere Schriftsteller in Moskau besucht haben, die wegen bestimmter negativer Verhaltensweisen bekannt sind. Dabei soll erwogen worden sein, einige Gedichte und Lieder Biermanns ins Russische zu übersetzen und inoffiziell in der Sowjetunion zu verbreiten.
Der ungarische Schriftsteller Prof. Hajnal168 soll auf den Generalsekretär des PEN-Zentrums der DDR, Werner Ilberg, eingewirkt haben, sich beim ZK der SED für den Lyriker Reiner Kunze einzusetzen.
Prof. Hajnal soll mit Kunze befreundet sein und dessen negative Ansichten zur Kulturpolitik der SED teilen.
Reiner Kunze unterhielt während der konterrevolutionären Ereignisse in der ČSSR Verbindungen zu rechtsopportunistischen Intellektuellenkreisen in der ČSSR.
Diese Information wurde im Wesentlichen auf der Grundlage von internen Materialien aus dem Zeitraum bis Januar dieses Jahres gefertigt. Aufgrund der Quellengefährdung ist die vorliegende Information nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt. Die einzelnen Fakten können nicht öffentlich ausgewertet werden.
Eine Ergänzung dieser Information auf der Grundlage der in jüngster Zeit bekannt gewordenen Fakten wird nachgereicht.169