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Politisch-operative Lage bei Amnestiebeschluss

20. November 1972
Hinweise über die politisch-operative Lage im Zusammenhang mit der Realisierung des Amnestiebeschlusses [Bericht K 2/34]

1. Stand der Durchsetzung des Amnestiebeschlusses

Die Maßnahmen zur Realisierung des Amnestiebeschlusses1 verlaufen im Wesentlichen zügig und reibungslos.

Die Entlassung amnestierter Strafgefangener wird seit 1.11.1972 entsprechend den getroffenen Festlegungen termingemäß realisiert.

Bis zum 16.11.1972 waren aus den Strafvollzugs- und Untersuchungshaftanstalten insgesamt 10 931 Amnestierte entlassen worden, darunter 6 261 Verhaftete (abgeschlossen am 31.10.1972) und 4 670 Strafgefangene (im Zeitraum vom 1.11.1972 bis 11.1972).2

In die Bezirke und die Hauptstadt Berlin wurden 10 024 Amnestierte entlassen. Nach Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR sind bisher

  • 832 Amnestierte nach der BRD

  • 75 Amnestierte nach Westberlin

abgeschoben worden.

2. Hinweise auf Schwierigkeiten und Hemmnisse in Durchsetzung des Amnestiebeschlusses

Das Zusammenwirken der in die Maßnahmen zur Durchsetzung des Amnestiebeschlusses einbezogenen staatlichen Organe mit den Schutz- und Sicherheitsorganen sowie den Betrieben wird entsprechend den getroffenen Festlegungen durchgeführt und auf die Schwerpunkte des Wiedereingliederungsprozesses wie

  • Bereitstellung von Arbeitsstellen,

  • wohnungsmäßige Unterbringung,

  • systematische Eingliederung in das gesellschaftliche Leben,

  • Festlegung und Durchsetzung der erforderlichen Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen

konzentriert.

Bei der Realisierung dieser Maßnahmen traten – territorial unterschiedlichen Umfangs, jedoch in allen Bezirken – bestimmte Probleme und Schwierigkeiten auf, an deren Lösung bzw. Bewältigung zielstrebig gearbeitet wird.

Bei der Bereitstellung von Arbeitsstellen zeigte sich, dass

  • ein Teil von Betrieben (größtenteils kleine Großbetriebe) die Einstellung amnestierter Strafgefangener aus Gründen der Sicherheit und Ordnung bzw. der Bedenken hinsichtlich neuer Straftaten zum Nachteil der Planerfüllung ablehnt; (z. B. VEB Holzindustrie Wesenberg, Kreis Neustrelitz)

  • ein Teil Amnestierter die vermittelten Arbeitsstellen mit fadenscheinigen Begründungen ablehnt;

  • von einem (geringen) Teil der Betriebe, in denen Amnestierte eingestellt wurden, die damit verbundenen Erziehungs- und Kontrollmaßnahmen unterschätzt werden (z. B. Einsatz von Beschäftigten für derartige Aufgaben, die dazu keine Befähigung besitzen, Unterlassung der Einsichtnahme in die Unterlagen der Amnestierten bei den Räten der Kreise).

Die Kontrollmöglichkeiten zur Aufnahme der Arbeit in den Betrieben, die Amnestierte einstellten, werden zum Teil dadurch erschwert, dass im Zusammenhang mit der Festlegung von Maßnahmen der Wiedereingliederung keine Arbeitsplatzbindung ausgesprochen wird (das ermöglicht z. B. Amnestierten, sich durch Arbeitsplatzwechsel Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zu entziehen).

(Zum Beispiel in der Hauptstadt Berlin wurden den Amnestierten Begleitkarten übergeben, auf denen bis zu drei Betriebe zur Arbeitsaufnahme angeführt sind. Dadurch kann eine Meldung in einem der Betriebe nicht unbedingt mit einer Einstellung gleichgesetzt werden. Im VEB EAW ist z. B. die Einstellung von 400 Amnestierten vorgesehen, von denen sich 80 bereits gemeldet haben, ohne dass exakt festgestellt werden konnte, wer davon bereits seine Tätigkeit aufgenommen hat.)

Die Bereitstellung entsprechenden Wohnraumes bereitet nach wie vor Schwierigkeiten (besonders in den Territorien, wo im größeren Umfang Amnestierte beruflich tätig sein werden (z. B. Hoyerswerda, Senftenberg)).

Die zentrale Festlegung, keine Konzentrationen Amnestierter entstehen zu lassen, ist unter den gegebenen Bedingungen nicht immer und sofort realisierbar. So sind z. B. im bestimmten Umfang gewisse Konzentrationen durch die berufliche Tätigkeit und die vorerst nur mögliche Unterbringung in sogenannten Wohnlagern nicht vermeidbar.

(In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die bevorzugte Bereitstellung von Wohnraum für Amnestierte z. B. im Bezirk Cottbus unter wohnungsuchenden Bürgern eine Reihe von Diskussionen auslöste, die vereinzelt erklärten, dass man erst straffällig werden müsste, um dann nach der Haftentlassung eine Neubauwohnung zu erhalten.)

Weitere vereinzelte Schwierigkeiten entstanden u. a. durch die Weigerung von Eltern Amnestierter (z. B. drei Fälle im Kreis Gotha), ihre aus der StVA entlassenen Söhne wieder aufzunehmen bzw. ihnen Wohnraum zu gewähren.

3. Hinweise zu negativen Auswirkungen auf die ökonomische Lage

Im Zusammenhang mit der Realisierung des Amnestiebeschlusses treten eine Reihe Schwierigkeiten und Probleme auf, die mit dem Ausfall bzw. der starken Reduzierung des Einsatzes Strafgefangener in Produktionsbetrieben verbunden sind. Größtenteils betrifft das VEBs, die bisher Kooperationsbeziehungen mit Strafvollzugseinrichtungen unterhielten und der Einsatz Strafgefangener besonders zur Durchführung intensiver produktiver Arbeiten erfolgte, für die kein sofortiger anderweitiger Arbeitskräfteeinsatz erfolgen kann. Absehbare negative Auswirkungen treten dadurch vor allem in der Planerfüllung 1972 – und auch 1973 – u. a. in folgenden Schwerpunktbetrieben ein:

  • [im] VEB Fernmeldeanlagenbau Arnstadt, [Bezirk] Erfurt, einem bedeutenden Exporteur von automatisierten Fernmeldeanlägen im sozialistischen Wirtschaftsgebiet, wird 1973 voraussichtlich eine industrielle Warenproduktion in Höhe von 51,7 Mio. Mark nicht erbracht werden können;

  • in Bereichen der VVB Braunkohle Cottbus fehlen durch den Ausfall der bisher eingesetzten Strafgefangenen ca. 1 500 bis 2 000 Arbeitskräfte, die nicht sofort ersetzbar sind. Dadurch werden vor allem in der Gleisunterhaltung in den kommenden Wintermonaten ernsthafte Auswirkungen erwartet;

  • im VEB Wittol Kerzenfabrik Ebersbach, [Kreis] Löbau, [Bezirk] Dresden können rund 55 % der industriellen Warenproduktion nicht mehr erbracht werden (Rückgang der Warenproduktion von 23 auf acht bis zehn Mio. Mark). Mit dieser Produktionseinschränkung entstehen zurzeit unlösbare Versorgungsprobleme auf dem Binnenmarkt bzw. wird die Erfüllung von Exportverpflichtungen gefährdet.

Weitere Auswirkungen werden durch eine Reihe von Produktionsverlagerungen aus den Strafvollzugsanstalten (die bisher als Zulieferbetriebe tätig waren) in diese Betriebe notwendig.

Davon betroffen sind die

  • Motorenhersteller Elmo Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg (SVA Torgau) und Motorenwerk Cunewalde, [Bezirk] Dresden (SVA Bautzen I) sowie Elektromotorenwerk Grünhain, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt3 (SVA Hoheneck),

  • Wartburgtürenfertigung an das AWE Eisenach (SVA Bautzen I),

  • VEB Kfz-Zubehörwerk Meißen (SVA Torgau).

Es wird eingeschätzt, dass auch die Planerfüllung in Betrieben der Konsumgüterindustrie (z. B. VEB ESDA Thalheim4 und VEB Planeta Wäschekonfektion Eppendorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt) nicht voll realisiert werden wird.

4. Hinweise auf den Stand der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in den Strafvollzugseinrichtungen

Die Ordnung und Sicherheit in den Einrichtungen des Strafvollzugs war und ist gewährleistet.

Die Maßnahmen der Entlassung amnestierter Strafgefangener verliefen bisher ohne Zwischenfälle.

Vereinzelt traten folgende Erscheinungen auf:

  • Im StVK Rostock-Warnemünde fertigte ein Teil der unter die Amnestie fallenden Strafgefangenen »Amnestietücher« (Taschentücher, die mit Bildern negativen Inhalts und Adressen bemalt wurden) an;

  • desgleichen wurde im Ergebnis von Intensivkontrollen festgestellt, dass Adressen von nichtamnestierten Strafgefangenen aus der StVE ausgeschleust werden sollten;

  • teilweise (StVA Hoheneck) versuchen Strafgefangene, sich den Weisungen der Angehörigen des Strafvollzugs während der Arbeitszeit und der Freizeit zu entziehen und stellen zum Teil übersteigerte Forderungen nach medizinischer Betreuung.

  • In allen Fällen wurden entsprechende Maßnahmen zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit getroffen.

5. Hinweise auf Erscheinungen der Feindtätigkeit sowie des Wiederanfalls amnestierter Personen

Reaktionen in führenden Kreisen Westberlins auf den Amnestiebeschluss

Zuverlässig werden Äußerungen von Peter Herz,5 Leiter der Presse- und Informationsabteilung des Westberliner Senats, am 8.11.1972 vor einem kleinen Kreis von Senatsmitarbeitern bekannt.

Im Gegensatz zu der von Löwenthal6 moderierten Sendung »ZDF-Magazin«7 vom 1.11.1972, in der u. a. behauptet wurde, amnestierte Häftlinge der DDR seien Misshandlungen ausgesetzt gewesen, erklärte Herz, er habe eindeutige Beweise, und auch die Bundesregierung kenne sie, dass die Berichte, die gegenwärtig von den rechten Kräften der BRD in Presse, Funk und Fernsehen über angebliche Missstände in den Haftanstalten der DDR veröffentlicht werden, von A bis Z erlogen sind. Ihm sei z. B. noch kein Fall in der DDR bekannt geworden, wo ein Häftling an einer Blinddarmoperation verstorben sei. (Herz spielte auf den Tod eines türkischen Häftlings in Westberlin im Zusammenhang mit einer solchen Operation an.) Alles, was gebracht werde, sei glatte Lüge. Er und seine nähere Umgebung schätzten die Amnestie der DDR so ein, dass sich darin eine eindeutige Konzeption von Erich Honecker8 und Horst Sindermann9 widerspiegeln würde.

Die Amnestie habe zum Ziel, in der DDR mit einigen Dingen der Vergangenheit reinen Tisch zu machen. Nach Kenntnissen von Herz gebe es durch die Amnestie große wirtschaftliche Probleme in einigen Großbetrieben der DDR, z. B. im Zementwerk Rüdersdorf. Das würde dafür sprechen, dass es die DDR sehr ehrlich mit der Amnestie gemeint habe. Die Hetze dagegen sei eine schlechte Politik.

Operativ wurde bekannt, dass die Kontrollorgane der BRD Bundespersonal aufforderten, den Bundesgrenzschutz und die Zollorgane der BRD bei der Feststellung amnestierter Personen zu unterstützen. So soll das Personal der Bundesbahn beispielsweise nach dem Passieren der Staatsgrenze zur BRD über Anzahl und Verteilung amnestierter Personen auf den jeweiligen Reisezug informieren.

Es liegen Hinweise vor, dass die amnestierten Personen nach Eintreffen auf den Grenzbahnhöfen der BRD Wolfsburg und Helmstedt unter Bewachung auf Lkw abtransportiert werden.

6. Wieder straffällig gewordene amnestierte Personen

Bis einschließlich 19.11.1972 sind 518 amnestierte Personen erneut straffällig geworden.

Operativ bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass sich unter diesen Rückfalltätern 280 (54,0 %) Personen befinden, deren anhängiges Verfahren im Zusammenhang mit dem Amnestiebeschluss eingestellt wurde, d. h. die wegen begangener Straftaten gerichtlich noch nicht zur Verantwortung gezogen wurden und sich auch nicht in U-Haft befanden; sowie 217 (41,8 %) Personen, die aus Untersuchungshaftanstalten entlassen worden waren.

Demgegenüber wurden bisher nur 21 amnestierte Strafgefangene rückfällig.

Die Rückfalltäter – in der Mehrzahl einschlägig vorbestraft – fielen besonders mit folgenden Straftaten an:

  • Eigentumsdelikte (170)

  • asoziales Verhalten (61)

  • Rowdytum (37)

  • ungesetzlicher Grenzübertritt (39)

  • Körperverletzung (40)

Territoriale Schwerpunkte der wegen Rückfälligkeit Amnestierter bearbeiteter Ermittlungsverfahren bilden die Bezirke Dresden, Potsdam, Magdeburg sowie die Hauptstadt Berlin.

Unter den 518 rückfälligen Amnestierten befinden sich drei Beschuldigte, deren amnestierte Verfahren (staatsfeindliche Hetze; versuchter ungesetzlicher Grenzübertritt; unbefugter Waffenbesitz) von den Untersuchungsorganen des MfS bearbeitet worden waren.

Von den Untersuchungsorganen des MfS werden gegenwärtig zwei Beschuldigte, welche nach ihrer Amnestierung erneut straffällig geworden sind, bearbeitet; (Ein Verfahren wegen Spionage in Verbindung mit Terror und Fahnenflucht gegen einen Angehörigen der NVA; ein Verfahren wegen Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit und Rowdytum)

Die Bearbeitung der anderen neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren erfolgt durch die Deutsche Volkspolizei.

In insgesamt drei Fällen wurde bisher festgestellt, dass amnestierte Personen tätliche Angriffe gegen Bürger verübt haben, welche in den vor der Amnestie geführten Untersuchungshandlungen aufgetreten waren oder die als Mittäter von strafbaren Handlungen der wahrheitsgemäßen Aussage vor dem Untersuchungsorgan verdächtig wurden.

Gegen die Personen wurden Ermittlungsverfahren mit Haft eingeleitet, die durch die BV Rostock bzw. die DVP Potsdam und Leipzig bearbeitet werden.

7. Hinweise zur Reaktion der Bevölkerung der DDR im Zusammenhang mit dem Amnestiebeschluss

Im Stimmungsbild der Bevölkerung der DDR nimmt der Amnestiebeschluss nur noch einen geringen Umfang ein.

Die in der darauffolgenden Zeit veröffentlichten Beschlüsse und Verlautbarungen (bis zum Verkehrsvertrag10 und Grundlagenvertrag)11 sind gegenwärtig von größerem Interesse.

Die bekanntwerdenden Diskussionen zum Amnestiebeschluss werden überwiegend von den Personen geführt, die mit der Durchführung des Beschlusses und mit der Wiedereingliederung und Betreuung Amnestierter beauftragt sind bzw. von Angehörigen und Bekannten Amnestierter.

In den Grundrichtungen sind zu erkennen:

  • allgemein positive Zustimmung;

  • grundsätzlich zwar Zustimmung zur Amnestie, aber gleichzeitig auch Vorbehalte und Befürchtungen, dass durch die Entlassung von Straftätern die Kriminalität ansteigen könnte;

  • einschließlich Vorbehalte und Befürchtungen;

  • Ablehnung der Amnestie, weil die Täter ihre gerechte Strafe verbüßen müssten.

In den zustimmenden und positiven Diskussionen wird der Beschluss weiterhin als Ausdruck der gewachsenen politischen und staatlichen Autorität unserer Republik gewertet.

Wiederholt wird die Meinung vertreten, dass die Partei- und Staatsführung mit dieser Maßnahme großes Vertrauen in die Kollektive der Betriebe und Wohngebiete setze und diese im Prozess der Eingliederung ehemaliger Strafgefangener eine große Verantwortung übernehmen müssten.

Vorbehalte, Bedenken und Befürchtungen (die nach wie vor bestehen, sich jedoch aufgrund des Nachlassens der Diskussionen zum Gesamtproblem ebenfalls verringert haben) werden insbesondere in folgenden Richtungen geäußert:

  • Die Amnestierten würden die politische Tragweite des Beschlusses nicht begreifen. Es sei fraglich, ob sie aus der bisherigen Strafverbüßung die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hätten und bereit wären, sich in die Gesellschaft einzuordnen.

  • Die Ordnung und Sicherheit würden durch die »Massenentlassungen« gefährdet.

  • Ein Teil der aus der Haft entlassenen Personen würde ihr asoziales Leben fortsetzen und rückfällig werden.

  • Es sei zu erwarten, dass besonders Rowdys und ähnliche Elemente in den Wohngebieten Unsicherheit unter der Bevölkerung verbreiten würden.

Es wird weiter die Frage gestellt, inwieweit die »Großzügigkeit« der Amnestie berechtigt sei und welche Motive zu dieser weitreichenden politischen Entscheidung geführt hätten.

Von Mitarbeitern der Justizorgane, des MdI und des Strafvollzugs werden in mehreren Fällen Zweifel geäußert, dass Ordnung und Sicherheit nach der Entlassung aller Amnestierter von den zuständigen Organen voll gewährleistet werden können.

In Einzelfällen liegen Hinweise vor, dass es Arbeiter bzw. Kollektive ablehnen, mit Amnestierten zusammenzuarbeiten. Als Begründung werden zusätzliche Belastungen bei der Umerziehung dieser Personen; Befürchtungen, für arbeitsscheue Elemente mitarbeiten zu müssen und Bedenken, den Titel »Brigade der sozialistischen Arbeit«12 zu verlieren, angeführt.

Auch in den letzten Tagen wurden vereinzelt von Angestellten der Abteilungen inneres Bedenken zum Ausdruck gebracht, dass die zusätzlichen Kontrollaufgaben, die sich für sie aus der Amnestie ergeben, nicht bewältigt werden könnten. Dabei weisen sie besonders auf die unbefriedigende kadermäßige Besetzung ihrer Bereiche hin. In einigen Fällen wurde geäußert, ihrer Meinung nach bestünden bei den übergeordneten Leitungen keine Vorstellungen über die Auswirkungen der Amnestie für die Fürsorge.

Mitarbeiter der Referate Jugendhilfe (z. B. in Berlin-Prenzlauer Berg) führten in einigen Fällen an, erlassene Weisungen über Betreuung und Fürsorge Amnestierter seien unvollständig. Zum Beispiel gäbe es keine gesetzlichen Bestimmungen über den Verbleib von Kindern solcher Personen, die wegen Kindesmisshandlungen oder Verletzung der Erziehungspflichten verurteilt und jetzt vorzeitig entlassen worden seien. Diese Personen hätten die Möglichkeit, die Kinder sofort in ihren Haushalt zurückzuholen.

Teilweise besteht Verwunderung über die Ausweisung von Amnestierten in die BRD. Dabei wird nach den Motiven dieser Entscheidungen gefragt und betont, dass diese Praktiken neu seien und Erstaunen bei der Bevölkerung auslösen müssten. Einzelne Bürger betonen, die wegen versuchten Grenzdurchbruchs Verurteilten kämen nun über den Umweg der StVA doch ungefährdet in die BRD und hätten somit auch ihr Ziel erreicht. Andere Bürger vertreten die Auffassung, diese Amnestierten hätten sich sowieso nicht in unser gesellschaftliches Leben eingeordnet, weiterhin versucht, die Grenze zu überschreiten und damit die Grenzbevölkerung in Unsicherheit gebracht, damit wäre die Ausweisung in die BRD im Interesse der Sicherheit gerechtfertigt.

  1. Zum nächsten Dokument Reaktionen der Bevölkerung der DDR zu Bundestagswahlen

    21. November 1972
    Erste Reaktionen der Bevölkerung der DDR zum Ausgang der Bundestagswahlen am 19. November 1972 [Bericht K 34a]

  2. Zum vorherigen Dokument Besuch des Botschafter Schwedens im »Gustav-Adolf-Werk«

    [ohne Datum]
    Information Nr. 1049/72 über die Teilnahme des schwedischen Botschafters in Bonn an der Jahresgedenkfeier des »Gustav-Adolf-Werkes« (GAW) der DDR