Reiseverkehr zwischen der DDR und Polen / ČSSR
22. Januar 1972
Information Nr. 74/72 über die Entwicklung des Reiseverkehrs zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen sowie zwischen der DDR und der ČSSR und damit zusammenhängende Probleme
Mit Inkrafttreten der Neuregelung im Reiseverkehr zwischen der DDR und der VR Polen1 ab 1.1.1972 reisten bis 20.1.1972 260 969 Bürger der DDR (18 214 Kfz) in die VR Polen und 189 067 Bürger der VR Polen (7 035 Kfz) in die DDR.
(Das ist im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 1971, als 4 120 Bürger der DDR in die VR Polen ausreisten, eine Entwicklung auf das 64-fache.)
Der größte Umfang der Aus- bzw. Einreisen wurde mit rund 96 % über die drei nachgenannten Grenzübergangsstellen realisiert.
GÜST | Bürger der DDR | Kfz | Bürger der VRP | Kfz |
|---|---|---|---|---|
Görlitz/Straße | 100 318 (38,4 %) | 5 157 | 77 589 (41,0 %) | 3 330 |
Frankfurt/Oder-Stadtbrücke | 86 871(33,3 %) | 4 904 | 39 652 (20,8 %) | 1 078 |
Wilhelm-Pieck-Stadt Guben | 63 189 (24,2 %) | 5 985 | 43 803 (23,0 %) | 1 025 |
Insgesamt wurde 410 Bürgern der DDR die Ausreise in die VR Polen durch die Grenzkontrollorgane der DDR nicht gestattet.
Die wesentlichsten Gründe dafür waren:
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Die Personal- bzw. anderen Dokumente entsprachen nicht den Anforderungen, z. B. war Gültigkeit abgelaufen, waren sie stark beschädigt, unleserlich, war Lichtbildidentität nicht festzustellen (besonders bei Jugendlichen);
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mitausreisende Kinder waren nicht in die Personaldokumente der Elternteile eingetragen bzw. besaßen keinen Kinderausweis, wurden zum Teil von Verwandten und Bekannten begleitet;
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Versuche der Ausreise ohne jegliche Personal- oder andere Dokumente;
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Versuche der Ausreise mit Personal-Ersatzdokument PM 12;2
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fehlende Ausreisedokumente bei Angehörigen bewaffneter Organe;
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unberechtigtes Mitführen von dienstlichen Unterlagen seitens ausreisender Personen;
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Versuche, ohne Genehmigung mit betriebseigenen Fahrzeugen auszureisen;
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Versuche, unter erheblicher Einwirkung von Alkohol auszureisen.
Der Reiseverkehr zwischen der DDR und der ČSSR3 zeigt für den Zeitraum 15.1.1972–20.1.1972 folgende Entwicklung:
35 203 Bürger der DDR (7 438 Kfz) reisten in die ČSSR (Anstieg auf das 30-fache), 2 581 Bürger der ČSSR (410 Kfz) reisten in die DDR.
GÜST | Bürger der DDR | Kfz | Bürger der ČSSR | Kfz |
|---|---|---|---|---|
Seifhennersdorf | 8 870 | 2 058 | 359 | 85 |
Oberwiesenthal | 8 118 | 2 191 | 328 | 70 |
Zinnwald | 6 689 | 1 257 | 539 | 129 |
Insgesamt wurde im Zeitraum 15.1.1972 bis 20.1.1972 16 Bürgern der DDR die Ausreise durch die Grenzkontrollorgane der DDR in die ČSSR nicht gestattet.
Wesentliche Gründe:
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Die Personal- bzw. anderen Dokumente entsprachen nicht den Anforderungen, z. B. starke Beschädigung, Ungültigkeit;
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Versuche der Ausreise mit Personal-Ersatzdokument PM 12;
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mitausreisende Kinder waren nicht in die Personaldokumente der Erziehungsberechtigten eingetragen bzw. besaßen keinen Kinderausweis.
Die ČSSR-Grenzkontrollorgane gestatteten im gleichen Zeitraum acht Bürgern der DDR nicht die Einreise, da keine eindeutige Lichtbildidentifizierung möglich war. (Es handelte sich um Jugendliche mit überlangem Haarschnitt.)
Durch die Sicherheitsorgane der VR Polen sind im Zeitraum vom 1.1.1972 bis 20.1.1972 insgesamt 42 Bürger der DDR an die Deutsche Volkspolizei zur weiteren Bearbeitung übergeben worden, da sie während ihres Aufenthaltes im Nachbarland gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen haben.
Bei diesen Personen handelt es sich überwiegend um Jugendliche, die während des Aufenthaltes in der VR Polen die öffentliche Ordnung störten, indem sie
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tätliche Auseinandersetzungen mit zum Teil Körperverletzungen an polnischen Bürgern begingen,
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ruhestörenden Lärm verursachten,
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staatsverleumderische Äußerungen gegenüber polnischen Bürgern machten,
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unter Alkoholeinfluss randalierten bzw. sich rowdyhaft verhielten.
Im gleichen Zeitraum wurden acht polnische Bürger durch die DVP an die Sicherheitsorgane der VR Polen übergeben, die unter Alkoholeinwirkung durch Randalieren die öffentliche Ordnung verletzten.
Von den ČSSR-Organen wurden keine Bürger der DDR wegen vorgenannter Handlungen übergeben, wie auch keine ČSSR-Bürger in der DDR deshalb übergeben werden brauchten.
Bisher hat es keine größeren Komplikationen und Schwierigkeiten bei der Realisierung der Aufgaben im Reiseverkehr und in der Zusammenarbeit mit den Grenzkontrollorganen der VR Polen und der ČSSR gegeben. Verwiesen werden muss aber auf folgende Probleme:
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Die ČSSR-Grenzorgane bringen beim Grenzübergang von Bürgern der DDR in die Personal- und Reisedokumente Sichtvermerke (Passkontrollstempel) an, sodass, abhängig von der Anzahl der Reisen, damit gerechnet werden muss, dass in Kürze in erheblichem Umfang durch die Organe der DDR neue Personaldokumente ausgefertigt werden müssen. Damit wird die Verwaltungsarbeit der DVP unvertretbar erhöht, desgleichen entstehen volkswirtschaftliche Auswirkungen durch die vom Antragsteller aufzuwendende Zeit bezüglich der Beschaffung der entsprechenden Unterlagen zur Ausfertigung neuer Personalunterlagen.
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Das Regime für die Ein- und Ausfuhr von Geld und Waren – Aide Memoire des MfAA der ČSSR vom 7.1.19724 – wird auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen der ČSSR weiter wie bisher gehandhabt. (Einschließlich der dementsprechenden Kontrolle zur Einhaltung dieser Vorschriften beim Grenzübergang.)
Daraus ergibt sich, dass die vereinbarten Erleichterungen für die Bürger beider Staaten nicht voll wirksam werden.
Seitens der DDR sind alle Beschränkungen bezüglich des Geldumtausches sowie der Ausfuhr von Waren im Reiseverkehr aufgehoben worden. (Im Reiseverkehr mit der VR Polen werden diese Neuregelungen auch beiderseits ohne besondere Vorkommnisse praktiziert.)
Bei Ein- und Ausreisen in die bzw. aus der ČSSR unterliegen Bürger der DDR u. a. folgenden gesetzlichen Bestimmungen der ČSSR:
Ein- und Ausfuhr persönlicher Gebrauchsgegenstände ist zollfrei.
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Gebrauchsgegenstände größeren Wertes sind bei den ČSSR-Zollorganen vermerken zu lassen.
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Für die Einfuhr von Verbrauchsgegenständen (Zigaretten, Tabakwaren, Nahrungsmittel, Spirituosen usw.) sind Normen festgelegt.
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Geschenke mit einem Wert bis zu 300 Kčs sind zollfrei. Über diese Wertgrenze hinausgehende Geschenke werden mit 20 bis 30 %, Säuglings- und Kinderwäsche, -strümpfe, -trikotagen, -schuhe zu 200 % ihres Wertes verzollt.
Einfuhrverbot besteht u. a. für reinen Alkohol und Briefmarken.
Ausfuhrverbot für kulturhistorische Gegenstände.
Diese von der ČSSR-Seite beibehaltenen und praktizierten zollrechtlichen Regelungen – im Zusammenhang mit dem schon erwähnten Anbringen des Sichtvermerkes – führten beim Inkrafttreten der Neuregelungen zu Fahrzeugschlangen (2 bis 3 km) und Standzeiten (bis 45 Minuten) an den Grenzübergangsstellen der ČSSR.
(Von den verantwortlichen Mitarbeitern der ČSSR-Zollorgane an den Grenzübergangsstellen wurde übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass sie von den Neuregelungen völlig überrascht worden seien und erst am 14.1.1972 von Prag – ohne klare Instruktion – informiert worden waren, was auch zu unterschiedlichen Auslegungen und Verfahrensweisen gegenüber DDR-Bürgern führte.)