Rowdyhaftes Verhalten Jugendlicher gegenüber ZK-Schülern
20. Januar 1972
Information Nr. 62/72 über rowdyhaftes Verhalten einer Gruppe Jugendlicher gegenüber zwei Lehrgangsteilnehmern der Sonderschule des ZK der SED in Brandenburg/Havel
Am 19.1.1972, gegen 0.20 Uhr, wurden vor dem Gebäude der Sonderschule des ZK der SED in Brandenburg/Havel, Magdeburger Straße,1 der 1. Sekretär der Stadtbezirksleitung der SED Dresden-Süd, Genosse Hausmann, Dieter2 geboren: [Tag, Monat] 1930, wohnhaft: Dresden, [Straße, Nr.], zurzeit Lehrgangsteilnehmer an der Sonderschule des ZK der SED in Brandenburg, der sich in Begleitung des Genossen Bastian,3 Sekretär für Propaganda der Stadtbezirksleitung der SED Dresden-Süd, ebenfalls Lehrgangsteilnehmer an der Sonderschule des ZK der SED, befand, von mehreren jugendlichen Personen niedergeschlagen.
Genosse Hausmann erlitt infolge dieser Gewalttätigkeiten eine mittelschwere Gehirnerschütterung, eine Verstauchung des rechten Fußgelenkes sowie eine Schwellung der Oberlippe. Er wurde sofort in das Krankenhaus Brandenburg eingeliefert und nach ambulanter Behandlung wieder entlassen.
Die in Zusammenarbeit mit den Organen der DVP sofort eingeleiteten Fahndungs- und Untersuchungsmaßnahmen ergaben Folgendes:
Die Genossen Hausmann und Bastian befanden sich in der genannten Zeit auf dem Weg zur Sonderschule. Dabei stellten sie fest, dass die Personen [Name 1, Vorname] geboren: [Tag, Monat] 1954, Maurerlehrling im WMK-Ost Brandenburg, wohnhaft: Brandenburg, [Straße, Nr.], Mitglied des FDGB, keine Vorstrafen, [Name 2, Vorname], geboren: [Tag, Monat] 1953, Betonierer bei der Baufirma Zirkler in Brandenburg, wohnhaft: Brandenburg, [Straße, Nr.], keine Vorstrafen, [Name 3, Vorname], geboren: [Tag, Monat] 1951, Betonierer im WBK Potsdam, Betriebsteil Brandenburg, wohnhaft: Brandenburg, [Straße, Nr.], Mitglied des FDGB, keine Vorstrafen, in unmittelbarer Nähe des Objektes des ZK der SED auf die Straße urinierten.
In ihrer Begleitung befand sich der mit ihnen befreundete [Name 4, Vorname], geboren: [Tag, Monat] 1944, Montagearbeiter im WBK Potsdam, Betriebsteil Brandenburg, wohnhaft: Brandenburg, [Straße, Nr.].
Auf die mehrmalige Aufforderung der Genossen Hausmann und Bastian, die öffentliche Ordnung einzuhalten bzw. ihr ungebührliches Verhalten zu unterlassen, reagierten der [Name 1], [Name 2] und [Name 3] mit Schimpfworten und solchen Bemerkungen, dass sie tun und lassen können, was sie wollen.
Die Genossen Hausmann und Bastian forderten die Personen auf, die Beschimpfungen zu unterlassen. Daraufhin schlugen [Name 1] und [Name 2] auf den Genossen Hausmann ein, sodass dieser zu Boden fiel und zunächst bewusstlos liegen blieb.
[Name 3] rempelte den Genossen Bastian mehrmals an, [Name 4] verhielt sich passiv.
Unmittelbar nachdem der Genosse Hausmann bewusstlos am Boden lag, entfernten sich der [Name 1], [Name 2], [Name 3] und deren Bekannter [Name 4] vom Tatort und wurden – durch einen zwischenzeitlich vom Genossen Bastian herbeigerufenen Funkstreifenwagen der DVP – gestellt und festgenommen.
Gegen [Name 1], [Name 2] und [Name 3] sind Haftbefehle erlassen worden.
Die Untersuchungen zur Motivation bezüglich der begangenen Gewalttätigkeiten gegenüber dem Genossen Hausmann ergaben, dass diese Handlungen nicht aus einer staatsfeindlichen Zielstellung heraus begangen wurden, sondern eine Reaktion auf die Hinweise der Genossen Hausmann und Bastian – ihr ungebührliches Verhalten zu unterlassen – war.
Die Genossen Hausmann und Bastian sind den festgenommenen Personen nicht als Funktionäre der SED bzw. Teilnehmer des Lehrganges an der Sonderschule des ZK der SED bekannt.
[Name 1], [Name 2] und [Name 3], die sich teils durch gemeinsame berufliche Tätigkeit bzw. Freizeitgestaltung kennen, hatten sich zuvor in mehreren Gaststätten Brandenburgs aufgehalten und alkoholische Getränke zu sich genommen.
Gegen 0.00 Uhr verließen sie gemeinsam mit [Name 4] die Gaststätte und begaben sich auf den Nachhauseweg, der an der Sonderschule des ZK vorbeiführt.
Im Ergebnis durchgeführter Überprüfungen zur Täterpersönlichkeit der Festgenommenen wurde festgestellt, dass [Name 1] und [Name 2] in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen rowdyhafter Handlungen im Wohngebiet durch die DVP verwarnt werden mussten, während [Name 3] bisher noch nicht negativ in Erscheinung getreten ist.
Gegen [Name 1], [Name 2] und [Name 3] wurde am 19.1.1972 ein beschleunigtes Verfahren4 vor dem Kreisgericht Brandenburg durchgeführt, in dem [Name 1] und [Name 2] zu je acht Monaten unbedingter Freiheitsstrafe wegen Rowdytum und [Name 3] zu einer Geldstrafe verurteilt wurden.