Schwerpunkte bei der Einreise Westberliner Bürger
[ohne Datum]
Information Nr. 256/72 über sich abzeichnende Schwerpunkte bei der Einreise Westberliner Bürger
Die bisherige Durchführung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens1 weist auf folgende Schwerpunkte hin, die Auswirkungen auf die zügige und reibungslose Abfertigung der zur Einreise kommenden Westberliner Bürger haben können:
Einreise mit Kfz in die Bezirke der DDR am 31.3. und 1.4.1972 über die Grenzübergangsstellen Rudower Chaussee, Drewitz und Staaken:
[Datum] | Rudower Chaussee | Drewitz | Staaken |
---|---|---|---|
31.3.1972 | 1 877 Kfz | 3 628 Kfz | 1 630 Kfz |
1.4.1972 | 1 601 Kfz | 2 301 Kfz | 1 643 Kfz |
An diesen Grenzübergangsstellen stehen jedoch nur folgende Durchlaufkapazitäten pro Stunde zur Verfügung:
[GÜST] | Durchlauf pro Stunde |
---|---|
Rudower Chaussee | 175 Kfz |
Drewitz | 400 Kfz |
Staaken | 210 Kfz |
Für den Durchlauf GÜST Drewitz würden demzufolge ca. neun Stunden benötigt. Die bisherigen Erfahrungen besagen aber, dass sich die Einreise auf einen Zeitraum von fünf bis sechs Stunden konzentriert. Daraus resultiert, dass es bereits bei diesem Stand der beantragten Einreisen zu erheblichen Wartezeiten für die Reisenden kommen wird. Obwohl die für die beiden anderen genannten Grenzübergangsstellen beantragten Einreisen niedriger liegen, werden dort die gleichen Erscheinungen zu verzeichnen sein, da auch die Durchlaufkapazität wesentlich geringer ist.
Hinsichtlich der Grenzübergangsstelle Rudower Chaussee wären für die Abfertigung der für den 31.3.1972 beantragten Einreisen z. B. neun bis zehn Stunden erforderlich.
Die Einreisen am 31.3.1972 über die Grenzübergangsstellen Drewitz und Staaken müssen im engen Zusammenhang mit dem zu diesem Zeitpunkt erhöhten Transitverkehr zwischen Westdeutschland und Westberlin gesehen werden. Antragsteller sind deswegen auch auf die Tage des 1. und 2.4.1972 zu verweisen. Erfahrungsgemäß geht an diesen Tagen (direkte Osterfeiertage) der Transitverkehr wesentlich zurück, sodass hier vorhandene Kapazitäten an den Grenzübergangsstellen Drewitz und Staaken für die Einreisen Westberliner Bürger über diese Grenzübergangsstellen genutzt werden können.
Aufgrund dieser Situation wurde eingeleitet, dass ab 17.3.1972 keine Genehmigungen für Pkw-Einreisen über die vorgenannten Grenzübergangsstellen für den 31.3.1972 gegeben werden.
Wird seitens der Antragsteller auf diesen Einreisetag bestanden, muss auf Einreise über die Grenzübergangsstellen der Hauptstadt der DDR,
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Bornholmer Straße
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Invalidenstraße
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Chausseestraße
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Sonnenallee
verwiesen werden.
Gleichzeitig werden den Antragstellern Empfehlungen über die Nutzung anderer Einreisetage, die noch nicht mit einer so hohen Frequenz belastet sind, gegeben.
In Realisierung dieser Maßnahmen hat der Minister des Innern eine entsprechende Weisung erlassen (Anlage 1).
Die Westberliner Seite wurde entsprechend informiert.
Am 17.3.1972 gab Dr. Struve2 zu diesen Problemen ein Interview, in dem er sachlich diese Regelungen erläuterte (Anlage 2).
Anlage 1 zur Information Nr. 256/72
Betrifft: Anweisung Nr. 154/723
An alle Chefs
Sie haben zu veranlassen, dass ab sofort Anträge auf Einreisen von Westberlinern mit Pkw für den Einreisetag 31.3.1972 nicht mehr über die Grenzübergangsstellen Staaken, Drewitz und Rudower Chaussee entgegengenommen werden.
Die Antragsteller sind höflich darauf aufmerksam zu machen, dass bei Benutzung von Personenkraftwagen an diesem Tag die Westberliner Besucher im Interesse eines reibungslosen Verkehrsablaufes über die Grenzübergangsstellen in der Hauptstadt der DDR – Bornholmer Straße, Chausseestraße, Sonnenallee und Invalidenstraße einreisen können.
gez. Dickel
Anlage 2 zur Information Nr. 256/72
Interview des Dr. Struve – Leiter des persönlichen Büros des Westberliner regierenden Bürgermeisters Schütz
RIAS I – 14.46 Uhr
Auf die Frage des Interviewers, ob es stimmt, dass am Karfreitag am Grenzübergangspunkt Dreilinden-Drewitz bereits eine solch hohe Zahl von Anmeldungen vorliegt, dass die DDR-Behörden, um Staus von Fahrzeugen zu vermeiden, für Reisende, die mit ihrem Fahrzeug den Grenzübergang benutzen werden, diesen jetzt schließen, d. h. nicht weitere Genehmigungen erteilen, antwortete dieser:
»Ja, das ist richtig, und eine gleiche Gefahr besteht auch für den 1. April, allerdings hat das keinen Effekt auf die Leute, die mit Kfz einreisen wollen, also Einreisen mit Kraftfahrzeugen werden weiter gestattet, aber nicht über den Übergang Drewitz.4 Ähnlich ist die Situation am Karfreitag und wohl auch am Ostersonnabend für die Übergänge Rudower Chaussee und Staaken, auch diese Übergänge laufen wegen der vielen Anmeldungen langsam voll und die DDR möchte jeden Stau, jede Wartezeit oder jede übertriebene Wartezeit an diesen Übergängen vermeiden und Herr Schmitz, Karfreitag ist ein Tag, wo der Transit, der normale Transit, enorm zunimmt und besonders in Drewitz/Dreilinden. Aber die Ausweichmöglichkeiten sind die vier Übergangsstellen innerhalb Berlins nach Ostberlin also Bornholmer Straße, Chausseestraße, Invalidenstraße und Sonnenallee. Die DDR hat zugesagt, dass sie an diesen vier Übergangsstellen die Kraftfahrzeuge abfertigen wird. Das wird für den einen oder anderen ein Umweg sein, der also nach Potsdam will und dann über einen der vier Übergänge fahren muss, aber dieser kleine Umweg wird sich auszahlen, dadurch, dass weniger Wartezeiten entstehen werden.«
Der Interviewer wollte wissen:
Wer seinen Antrag für Drewitz gestellt hat, oder was den Ostersonnabend betrifft, für Drewitz oder Staaken, und die Anmeldungen sind so umfangreich geworden, dass die DDR-Behörden keine Genehmigungen mehr für diese erwähnten Tage geben für Drewitz und Staaken, heißt das nicht, dass die Anträge abgelehnt werden und von den DDR-Behörden – Sonnenallee – beispielweise eingetragen werden.
»Ja, und wenn kein anderer Übergang eingetragen ist, dann sollten diejenigen, die mit dem Kfz einreisen wollen, an den Ort fahren, der ihnen geografisch am nächsten ist, d. h. dort, wo sie in der Nähe wohnen, an den Übergang sollten sie dann fahren.5
Aber ich nehme an, dass in der Regel ein neuer Übergang eingetragen wird, und mit dem Kfz ist das ja kein Problem, diesen Umweg von sechs–sieben Kilometern, der dann entstehen wird. Auf jeden Fall, wer seine Reise jetzt noch beantragt für Karfreitag oder Ostersonnabend, bitte nicht mehr den Übergang Drewitz eintragen und vorsichtshalber auch nicht den Übergang Waltersdorfer Chaussee in Neukölln und Staaken.«