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Sitzung der Kirchenleitung Berlin-Brandenburgs

3. Februar 1972
Information Nr. 115/72 über die Sitzung der Kirchenleitung der evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg am 28. Januar 1972 in Berlin

Auf der Kirchenleitungssitzung am 28.1.19721 standen folgende Gesetzentwürfe, die den Mitgliedern der Kirchenleitung vertraulich übergeben wurden, zur Diskussion:

  • Kirchengesetz zur 11. Änderung der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg2

  • Kirchengesetz über die Wahl des Bischofs3

  • Kirchengesetz über das Bischofsamt in der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg.4

Diesen Gesetzentwürfen (siehe Anlage)5 wurde inhaltlich zugestimmt. Vorgeschlagene geringfügige Veränderungen sollen bei der endgültigen Fassung dieser Gesetze berücksichtigt werden.

Darüber hinaus wurde auf der Kirchenleitungssitzung erklärt, dass gleichartige Gesetze für den Westberliner Bereich der Landeskirche von der Westberliner Kirchenleitung in Vorbereitung seien. Im Zusammenhang damit wurde beschlossen, dass die für den Bereich der Landeskirche in der DDR vorgeschlagenen Gesetzentwürfe erst dann in Kraft treten sollen, wenn die Verabschiedung der Gesetze für Westberlin auf der Herbstsynode 19726 in Westberlin erfolgt ist.

Intern wurde in Erfahrung gebracht, dass in Vorbereitung dieser Kirchenleitungssitzung am 28.1.1972 bei Bischof Schönherr7 eine Beratung mit drei leitenden Mitarbeitern des Konsistoriums der Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg stattgefunden hat.

Dort wurde übereinstimmend eingeschätzt, dass die vorliegenden Gesetzentwürfe einen weiteren Schritt nach vorn im Prozess der weiteren Verselbstständigung der Kirchen in der DDR bedeuteten. Dieser Prozess sei nur etappenweise möglich.

Vonseiten der Kirchenleitung ist geplant, diese Gesetzentwürfe auf der diesjährigen Frühjahrssynode von Berlin-Brandenburg in der Zeit vom 24.–26.3.19728 zur Diskussion zu stellen und darüber zu beschließen. In der Beratung bei Bischof Schönherr wurde eingeschätzt, es sei damit zu rechnen, dass etwa ein Drittel der Synodalen die Gesetzentwürfe voll unterstützt. Ein Drittel werde wahrscheinlich in Opposition gehen und versuchen, an der alten Konzeption festzuhalten. Deshalb komme es darauf an, von den sogenannten uninteressierten Synodalen Stimmen für diese Gesetzentwürfe zu gewinnen, um die erforderliche Mehrheit auf der Synode zu erreichen.

Diese Information kann aus Gründen der Sicherheit der Quelle nicht öffentlich ausgewertet werden.

Anlage 1 zur Information Nr. 115/72

Entwurf

Kirchengesetz zur 11. Änderung der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom …

Die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hat unter Beachtung des Artikels 131 Abs. 3 der Grundordnung das folgende Kirchengesetz beschlossen:

§ 1

Die Artikel 103 bis 118, 133 Absatz 5 Satz 1, 135 Abs. 1 Ziff. 3, 136 und 142 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 der Grundordnung der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 15. Dezember 1948 (KABl. 1949 Nr. 2 Anl. S. 1 ff.) erhalten folgenden Wortlaut:

Artikel 103

Der Bischof und die Generalsuperintendenten erfüllen im Auftrag der Synode eine gesamtkirchliche leitende Aufgabe im Verkündigungsdienst der Kirche. In ihrer Verantwortung sind sie allein an Jesus Christus und sein Wort gebunden.

Artikel 104

(1) Der Bischof und die Generalsuperintendenten achten gemeinsam mit der Kirchenleitung auf das Geschehen in den Gemeinden und in der Ökumene und helfen dazu, dass die Kirche ihre Aufgaben als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft in der Welt wahrnimmt.

(2) Sie tragen gemeinsam mit der Kirchenleitung dafür Sorge, dass das Evangelium recht verkündigt und nicht durch falsche Lehre verdunkelt wird.

(3) Sie versehen an den Gemeinden und ihren Mitarbeitern einen brüderlichen Dienst in geistlicher Beratung und seelsorgerlichem Gespräch.

(4) Der Bischof hat vornehmlich die Aufgabe, die Gemeinsamkeit im Bereich der ganzen Kirche zu fördern.

Die Generalsuperintendenten haben vornehmlich visitatorische Aufgaben im Bereich der Sprengel. Die Anzahl der Sprengel legt die Synode auf Antrag der Kirchenleitung fest; über die Abgrenzungen entscheidet die Kirchenleitung.

Artikel 105

Der Bischof und die Generalsuperintendenten stehen in ihrem seelsorgerlichen Dienst allen zur Verfügung, die ihres Dienstes bedürfen.

Artikel 106

(1) Der Bischof und die Generalsuperintendenten versehen im Auftrag der Synode den visitatorischen Dienst. Sie haben das Recht, die Gemeinden und ihre Mitarbeiter zu besuchen und ihren Besuch bei sich zu erbitten.

(2) Der Bischof versieht den Dienst der Visitation, wo die gesamtkirchliche Verantwortung es erforderlich macht; dieser Dienst gilt auch den gesamtkirchlichen Werken.

(3) Die Generalsuperintendenten halten in ihren Sprengeln regelmäßig Generalkirchenvisitationen und sind an den kreiskirchlichen Visitationen beteiligt.

(4) Die Kirchenleitung erlässt eine Visitationsordnung.

Artikel 107

(1) Der Bischof und die Generalsuperintendenten üben in einer Gemeinde ihres Dienstsitzes pfarramtliche Dienste aus.

(2) Sie haben das Recht, in jeder Gemeinde ihres Dienstbereiches zu predigen. Sie können sich mit persönlichen Ansprachen und Anschreiben an Gemeinden und Mitarbeiter wenden.

Artikel 108

(1) Der Bischof und die Generalsuperintendenten versehen im Zusammenwirken mit der Kirchenleitung den Dienst der Ordination.

(2) Sie achten auf die Auswahl, Gewinnung, Heranbildung und Weiterbildung der Mitarbeiter für den Verkündigungsdienst.

(3) Die Kirchenleitung regelt das Verfahren und die Zuständigkeiten der Ordination.

Artikel 109

(1) Der Bischof weiß sich insbesondere für die Kandidaten in den Predigerseminaren verantwortlich.

Er leitet das Theologische Prüfungsamt.

Er kann an allen Prüfungen von Mitarbeitern im Verkündigungsdienst teilnehmen.

(2) Die Generalsuperintendenten sorgen für die Weiterbildung und die geistliche Zurüstung der Mitarbeiter im Verkündigungsdienst im Rahmen gesamtkirchlicher Regelungen und unbeschadet der Verantwortung der Superintendenten. Sie fördern die Zurüstung der Gemeindeglieder zu Zeugnis und Dienst.

Artikel 110

(1) Der Bischof und die Generalsuperintendenten haben das Recht, im Einvernehmen mit der Kirchenleitung für ihren Dienstbereich Kirchentage und andere kirchliche Tagungen durchzuführen.

(2) Sie sorgen für die gegenseitige brüderliche Beratung der Mitarbeiter im Verkündigungsdienst.

(3) Sie halten Generalkonvente für die Pfarrer je für ihren Dienstbereich ab.

(4) Sie versammeln die Superintendenten unter Beteiligung der Kirchenleitung und des Konsistoriums zum Gesamtephorenkonvent. Der Generalsuperintendent hält im Sprengel regelmäßig Sprengelephorenkonvente ab.

(5) Die Kirchenleitung kann Näheres durch eine Konventsordnung regeln.

Artikel 111

(wie bisher Artikel 106 Abs. 1 und 2)

Artikel 112

(wie bisher Artikel 106 Abs. 3)

Artikel 113

Der Bischof und die Generalsuperintendenten treten regelmäßig zu Beratungen zusammen. Der Moderator und der Propst werden dazu eingeladen.

Artikel 114

(1) Der Bischof und die Generalsuperintendenten haben teil am Leitungsdienst der Kirche.

(2) Der Bischof ist Vorsitzender der Kirchenleitung, Mitglied des Konsistoriums und kann an den Beratungen aller anderen kirchlichen Gremien teilnehmen. Dabei sorgt er vornehmlich für die einheitliche, brüderliche Zusammenarbeit aller Organe, Werke und Einrichtungen der Kirche, für das Erkennen neuer Aufgaben und für die Festlegung der Schwerpunkte und der Rangfolge kirchlicher Leitungsaufgaben. Er sorgt dafür, dass die Anliegen der Ökumene, des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik und seiner Gliedkirchen in der Arbeit der Kirchenleitung berücksichtigt werden.

(3) Die Generalsuperintendenten sind Mitglieder der Kirchenleitung und können an den Sitzungen des Konsistoriums mit beratender Stimme teilnehmen. Sie helfen dazu, dass der Leitungsdienst der Kirchenleitung in den Gemeinden zur Geltung kommt und deren Anliegen in der Kirchenleitung berücksichtigt werden.

Artikel 115

(1) Die Berufung des Bischofs und der Generalsuperintendenten ist gesamtkirchliche Aufgabe.

(2) Der Bischof wird durch die Synode unter Mitwirkung des BEK und der EKU für die Dauer von 12 (10) Jahren gewählt. Das Nähere regelt ein Kirchengesetz.

Der Bischof wird in einem Gottesdienst eingeführt.

(3) Die Generalsuperintendenten werden vom Bischof im Einvernehmen mit der Kirchenleitung vorgeschlagen. Sie werden nach Anhörung der Superintendenten und der Vorsitzenden – in den Fällen des Artikels 88 Abs. 4 der 1. Stellvertreter des Vorsitzenden – der Kreissynode des betreffenden Sprengels von der Kirchenleitung für die Dauer von 12 (10) Jahren berufen. Das Nähere regelt ein Kirchengesetz.

Die Generalsuperintendenten werden vom Bischof in einem Gottesdienst eingeführt.

Artikel 116

(1) Die Wiederberufung des Bischofs und der Generalsuperintendenten kann jeweils für weitere sechs Jahre von der Synode bzw. von der Kirchenleitung ausgesprochen werden.

Der Bischof kann einmalig für zehn Jahre durch die Synode wiedergewählt werden; die Generalsuperintendenten können einmalig für zehn Jahre durch die Kirchenleitung wiederberufen werden.

(2) Die Altersgrenze wird durch das Pfarrerdienstrecht bestimmt.

Artikel 117

Der Bischof und die Generalsuperintendenten können von ihrem Amt zurücktreten, der Bischof durch Erklärung gegenüber der Synode, die Generalsuperintendenten durch Erklärung gegenüber der Kirchenleitung.

Artikel 118

Die Vertretung des Bischofs und der Generalsuperintendenten wird für kurze Dauer von ihnen selbst geregelt. Bei Verhinderung von längerer Dauer und im Falle der Vakanz bestellt die Kirchenleitung einen Vertreter.

Artikel 133 Abs. 5 S. 1:

Die Kirchenleitung vertritt die Kirchenprovinz.

Artikel 135 Abs. 1 Ziff. 3:

3. die Generalsuperintendenten, der Propst, der Konsistorialpräsident, der Vorsitzende des reformierten Moderamen.

Artikel 136

(1) Vorsitzender der Kirchenleitung ist der Bischof.

(2) Er vertritt die Kirchenleitung – sofern diese nicht eine andere Regelung beschließt – gegenüber den anderen Kirchen und in der Öffentlichkeit.

Für die Abgabe von Erklärungen, die für die Kirchenleitung verbindlich sind, ist er an ihre Beschlüsse gebunden.

(3) Er wird im Vorsitz von Präses der Synode und bei dessen Behinderung vom Konsistorialpräsidenten vertreten. Bei Behinderung von längerer Dauer regelt die Kirchenleitung die Vertretung.

Artikel 142 Abs. 2 S. 2:

Der geistliche Leiter führt die Amtsbezeichnung Propst.

Artikel 142 Abs. 3:

Den Vorsitz im Konsistorium führt der Konsistorialpräsident, in seiner Vertretung der Propst. In besonderen Fällen kann der Bischof den Vorsitz übernehmen.

§ 2

Das Inkrafttreten dieses Gesetzes wird besonders geregelt.

Anlage 2 zur Information Nr. 115/72

Entwurf

Kirchengesetz über die Wahl des Bischofs vom ...

Die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hat aufgrund von Artikel 115 Absatz 2 der Grundordnung (das folgende Kirchengesetz) beschlossen:

§ 1

Der Bischof wird auf Vorschlag des Wahlkollegiums durch die Synode gewählt.

§ 2

(1) Das Wahlkollegium besteht aus:

  • a)

    den Mitgliedern der Kirchenleitung

  • b)

    den beiden Stellvertretern des Präses der Synode

  • c)

    vier Geistlichen und vier Laien, die jeweils mit zwei Stellvertretern aus den Mitgliedern der Synode gewählt werden

  • d)

    zwei von dem im Gebiet der DDR zuständigen Organ der Evangelischen Kirche der Union zu entsendenden Vertretern

  • e)

    einem vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zu entsenden[den] Vertreter.

(2) Den Vorsitz führt der Präses der Synode, im Falle seiner Behinderung sein dem Lebensalter nach älterer Stellvertreter.

(3) Das Wahlkollegium ist beschlussfähig, wenn zwei Drittel seiner Mitglieder anwesend sind.

§ 3

Das Wahlkollegium stellt einen Wahlvorschlag auf, der mindestens zwei und höchstens vier Namen enthalten muss. Für die Aufnahme in den Wahlvorschlag ist die Zustimmung von mehr als der Hälfte der anwesenden Mitglieder erforderlich.

§ 4

(1) Nach Bekanntgabe des Wahlvorschlages tritt vor der Wahlhandlung eine mindestens zweistündige Verhandlungspause ein.

(2) Die Synode wählt ohne Aussprache in geheimer Abstimmung den Bischof mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Synodalen.

(3) Erhält im ersten Wahlgang keiner der Vorgeschlagenen die Zweidrittelmehrheit, so findet in einem zweiten Wahlgang eine Stichwahl zwischen den zwei Vorgeschlagenen statt, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben.

(4) Ergibt auch der zweite Wahlgang nicht die nach Absatz 2 erforderliche Mehrheit für einen der beiden Vorgeschlagenen, so ist im dritten Wahlgang derjenige gewählt, der mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält.

(5) Erhält im dritten Wahlgang keiner die nach Absatz 4 erforderliche Mehrheit, so muss das Wahlkollegium einen neuen Wahlvorschlag vorlegen.

(6) Zwischen den einzelnen Wahlgängen tritt eine mindestens einstündige Verhandlungspause ein.

§ 5

Das Kirchengesetz über die Wahl des Bischofs vom 30. April 1963 tritt außer Kraft.

§ 6

Das Inkrafttreten dieses Kirchengesetzes wird besonders geregelt.

Anlage 3 zur Information Nr. 115/72

Entwurf

Kirchengesetz

über das Bischofsamt in der Evangelischen Kirche in Berlin­ Brandenburg vom ....

Die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hat auf der Grundlage der Entschließung zur Selbstständigkeit bei der Änderung der Grundordnung (Rundschreiben Nr. 3-1970 S. 17) und unter Beachtung von Artikel 131 Absatz 3 der Grundordnung beschlossen.

§ 1

In der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg wird im Bereich der beschließenden Synode ein eigenes Bischofsamt eingerichtet.

§ 2

Die Gestaltung des Bischofsamtes und die Wahl des Bischofs werden durch das Kirchengesetz zur 11. Änderung der Grundordnung und durch das Kirchengesetz über die Wahl des Bischofs geregelt. Beide Gesetze treten mit ihrer Verkündung (spätestens jedoch am 1. Januar 1973) in Kraft.

§ 3

Auf die Vorbereitung (und Durchführung) der Bischofswahl finden die Vorschriften (der §§ 1 bis 3) des in § 2 genannten Kirchengesetzes über die Wahl des Bischofs mit sofortiger Wirkung Anwendung. Die Wahl ist spätestens auf die erste Tagung der neuen Synode anzuberaumen, die (im März 1973 stattfindet) bis zum 31. März 1973 stattfinden muss.

§ 4

Der § 3 dieses Kirchengesetzes tritt sofort in Kraft. Im Übrigen tritt das Kirchengesetz mit seiner Verkündung in Kraft, die zum gleichen Zeitpunkt zu erfolgen hat wie die Verkündung der in § 2 genannten Gesetze.

Gleichzeitig tritt § 6 der Notverordnung über einstweilige Regionale Synoden vom 18. Juni 1959 außer Kraft.

  1. Zum nächsten Dokument Schwerer Grenzdurchbruch DDR– BRD mittels Lkw, Oberzella

    7. Februar 1972
    Information Nr. 110/72 über einen schweren Grenzdurchbruch DDR – BRD mittels Lkw am 1. Februar 1972 im Raum Oberzella, Bezirk Suhl

  2. Zum vorherigen Dokument Eingeschleuste Hetzschriften (1)

    2. Februar 1972
    Information Nr. 107/72 über eingeschleuste Hetzschriften