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Stand der Beantragung von Einreisen Westberliner Bürger (3)

27. März 1972
Information Nr. 289/72 über den bisherigen Stand der Beantragung und Ausgabe von Berechtigungen zur Einreise Westberliner Bürger in die DDR

Mit Stand vom 24.3.1972 wurden insgesamt 412 052 Berechtigungen für ein- bzw. mehrmalige Einreise mit einem Aufenthalt von ein, zwei und drei Tagen beantragt.1

Davon wurden 267 376 Berechtigungen durch DDR-Bürger in den Meldestellen der VPKÄ und VPI und 144 676 Berechtigungen durch Westberliner Bürger in den Annahmebüros in WB beantragt.

In diesen Zahlen sind 14 978 beantragte Berechtigungen für den zweiten Berichtszeitraum vom 17.5. bis 24.5.1972 (Pfingstzeitraum) mit enthalten.

Für den ersten Berichtszeitraum vom 29.3. bis 5.4.1972 (im Folgenden kurz Osterzeitraum) wurden für insgesamt 474 425 Westberliner Bürger (einschließlich Kinder unter 16 Jahren, soweit sie keine eigenen Berechtigungsscheine erhalten) Berechtigungsscheine zur Einreise in die DDR beantragt.

Laut Antragstellung beabsichtigen davon 301 994 Westberliner Bürger in die Hauptstadt der DDR und 172 431 in die Bezirke der DDR einzureisen.

Entsprechend der Antragstellung ergeben sich als Schwerpunkte eindeutig die Tage vom 31.3. bis 3.4.1972, an denen 84,5 %, allein am 31.3. und 1.4.1972 56,2 %, aller beantragten Einreisen vorgesehen sind sowie als absoluter territorialer Schwerpunkt die Hauptstadt der DDR. Dazu nachstehende Übersicht.

Einreisende WB-Bürger

Tag

Gesamtzahl der einreisenden WB

Kfz

davon in Hauptstadt

davon in Bezirke

29.3.1972

15 795

1 477

10 270

5 525

30.3.1972

18 487

1 793

11 793

6 694

31.3.1972

151 529

17 106

78 656

72 873

1.4.1972

115 008

11 755

59 958

55 050

2.4.1972

90 532

7 503

70 311

20 221

3.4.1972

42 194

3 324

33 202

8 992

4.4.1972

25 282

1 427

22 853

2 429

5.4.1972

15 598

982

14 951

647

Die effektive Zahl der sich an den einzelnen Tagen in der DDR aufhaltenden Westberliner Bürger liegt aber aufgrund der möglichen Aufenthaltsdauer von ein bis drei Tagen noch wesentlich höher, woher sich eine weitere Konzentration auf den 2.4.1972 ergibt, indem sich an diesem Tag ca. 55 % aller eingereisten Westberliner in der DDR aufhalten, wie aus nachstehender Übersicht zu ersehen ist:

Aufenthalt WB-Bürger

Tag

Gesamtzahl der aufhältlichen WB

davon in Hauptstadt

davon in Bezirken

29.3.1972

15 795

10 270

5 525

30.3.1972

27 298

14 801

12 497

31.3.1972

169 240

84 822

84 418

1.4.1972

219 377

89 360

130 017

2.4.1972

257 659

116 527

141 137

3.4.1972

130 900

57 056

73 844

4.4.1972

52 843

32 386

20 457

5.4.1972

30 912

21 599

9 313

Die stärkste Konzentration der Einreisen Westberliner weisen neben der Hauptstadt der DDR, in die ca. 64 % aller Einreisen erfolgen, die Bezirke Potsdam mit 13 %, Frankfurt/Oder mit 6 % sowie Cottbus und Halle mit je 2,5 % auf. Der geringste Anteil fällt mit 0,6 % auf den Bezirk Gera und mit 0,2 % auf den Bezirk Suhl.

Die genauen Einreisezahlen sind aus nachstehender Übersicht zu ersehen:

[Bezirk]

Einreisen WB Gesamtzahl

davon an Schwerpunkttagen 31.3. bis 3.4.1972

davon an den übrigen Tagen 29./30.3. und 4./5.4.1972

Hauptstadt der DDR Berlin

301 994

242 127

59 867

Potsdam

60 846

55 661

5 185

Frankfurt

27 064

24 363

2 701

Cottbus

12 690

11 828

862

Halle

12 360

11 216

1 144

Magdeburg

9 643

8 742

901

Neubrandenburg

8 866

8 261

605

Dresden

8 618

7 855

763

Rostock

7 417

6 654

763

Leipzig

6 108

5 557

551

Karl-Marx-Stadt2

5 626

5 111

515

Schwerin

4 929

4 419

510

Erfurt

4 280

3 901

379

Gera

2 833

2 523

310

Suhl

1 151

1 045

106

Zusätzlich zu den bereits angeführten Einreisen von Westberliner Bürgern werden nach bisherigen Feststellungen allein an den Schwerpunkttagen 31.3. bis 3.4.1972 in einem Gesamtumfange von über 800 000 Personen weitere Einreisen bzw. Durchreisen von westdeutschen Bürgern, Bürgern nichtsozialistischer und sozialistischer Staaten sowie Ein- und Ausreisen von DDR-Bürgern erfolgen, z. B.

  • Einreisen von ca. 150 000 westdeutschen und Bürgern des nichtsozialistischen Auslandes;

  • Einreisen von ca. 150 000 Bürgern des sozialistischen Auslandes;

  • ca. 210 000 Personen im Transitverkehr;

  • ca. 300 000 DDR-Bürger im Ein- und Ausreiseverkehr.

Dabei ist davon auszugehen, dass die ca.150 000 westdeutschen und Bürger des nichtsozialistischen Auslandes im überwiegenden Maße in die Hauptstadt der DDR einreisen und sich hier aufhalten werden.

Das bedeutet, dass in der Zeit vom 31.3. bis 3.4.1972 zusammen mit den in der DDR aufhältlichen Westberliner Bürgern insgesamt ca.1,2 Millionen Personen den Umfang des Reiseverkehrs in der DDR bestimmen. (Dabei ist der sich innerhalb der DDR von Bürgern der DDR vollziehende normale Reise- und Ausflugsverkehr noch nicht berücksichtigt.)

Zum Stand der ausgegebenen Berechtigungen für die Einreise Westberliner Bürger in die DDR

Bis zum 24.3.1972 wurden von den bisher beantragten 412 052 Berechtigungen 330 000 an die Antragsteller ausgegeben, 623 Beantragungen wurden abgelehnt.

137 Ablehnungen erfolgten, weil die betreffenden zur Fahndungsfestnahme ausgeschrieben sind, davon 102 wegen ungesetzlichen Verlassens der DDR und 35 wegen Verbrechen gegen die Souveränität der DDR, den Frieden und die Menschlichkeit, wegen Terror und Fahnenflucht.

433 Ablehnungen erfolgten, weil für die betreffenden Einreisesperre3 besteht, davon 387 wegen ungesetzlichen Verlassens der DDR, 16 wegen begangener Staatsverbrechen, elf wegen Aberkennung der Staatsangehörigkeit der DDR, 19 wegen Delikte der schweren und allgemeinen Kriminalität.

53 Ablehnungen erfolgten wegen beantragter Reise ins Grenzgebiet.

Erste Auswertungen der altersmäßigen Zusammensetzung der als Antragsteller für die Einreise Westberliner Bürger in Erscheinung getretenen Bürger der Hauptstadt ergaben, dass schwerpunktmäßig Einreiseanträge durch Personen im Alter von über 60 Jahren (ca. 43 % der Antragsteller der Hauptstadt) gestellt wurden. Der Anteil der Antragsteller im Alter von 41 bis 60 Jahren liegt bei 34 % und in der Altersgruppe 26 bis 40 Jahre bei 18 %.

Die soziale Struktur der Antragsteller aus der Hauptstadt lässt erkennen, dass Bürger im Rentenalter mit ca. 36 % den absoluten Schwerpunkt darstellen. Bei den übrigen Antragstellern handelt es sich überwiegend um Werktätige aus folgenden Berufsgruppen:

  • leitende Angestellte aus der volkseigenen Industrie ca.7,3 %

  • leitende Angestellte aus Kombinaten ca. 8,5 %

  • Angestellte aus dem Bereich Forschung und Entwicklung ca. 2,5 %

  • leitende Angestellte von Universitäten, Hoch- und Fachschulen sowie Kliniken ca. 3,1 %

  • Mitarbeiter von Rundfunk, Fernsehen und Massenmedien ca. 2,1 %

  • Mitarbeiter aus dem Staatsapparat ca. 4,5 %

  • Beschäftigte in Handel und Versorgung ca. 7,5 %

  • Arbeiter ca. 8,0 %

  • Hausfrauen ca. 8,0 %

Der bisherige Anteil antragstellender Studenten liegt bei 0,5 bis 0,8 %.

Erste Hinweise aus der Analysierung der altersmäßigen sozialen Zusammensetzung der einreisenden Westberliner ergeben:

  • Ca. 8,5 % aller Einreisenden sind Kinder und Jugendliche bis zu 25 Jahren. (Diese Alterskategorie macht in der Gesamtstruktur der Westberliner Bevölkerung ca. 25 % aus, das heißt Einreisen von Kindern und Jugendlichen liegen erheblich darunter.)

  • Ca. 25, 5 % sind Personen im Alter von 26 bis 40 Jahren und ca. 29 % befinden sich im Alter zwischen 41 und 60 Jahren, während ca. 37 % über 60 Jahre alt sind. (Das bedeutet, dass mit fast zwei Dritteln der Hauptanteil Personen im Alter ab 41 Jahren sind. Dieser Anteil liegt wesentlich höher als in der Gesamtaltersstruktur in Westberlin, wo er ca. 55 % ausmacht.) Das spiegelt sich auch im relativ hohen Anteil von Rentnern an der Einreise (28 %) wider, während Arbeiter mit 25 % und Hausfrauen mit 18 % die nächststärksten Gruppen sind. Besonders zu beachten ist, dass ca. 20 % der einreisenden Westberliner früher ihren Wohnsitz in der DDR hatten.

Zur Gewährleistung der reibungslosen Abfertigung, insbesondere der Einreisen mit Kfz, an den Schwerpunkttagen machte sich nach Vorliegen des zu erwartenden hohen Verkehrsaufkommens eine weitere zusätzliche Erhöhung der Abfertigungskapazitäten an GÜST erforderlich.

Von den zwischen dem Reisebüro der DDR-Generaldirektion und der Deutschen Reisebüro GmbH Berlin (West) für die Zeit vom 29.3. bis 5.4.1972 vereinbarten 89 Touristenreisen für 3 842 Personen wurde seitens des Westberliner Reisebüros eine beträchtliche Anzahl storniert.

Während die gesamten acht großen Stadtrundfahrten Berlin gebucht wurden, ist die Hälfte der 24 kleinen Stadtrundfahrten Berlin storniert worden. Von den übrigen vereinbarten 57 Tages- und Mehrtagesfahrten (nach Potsdam, Leipzig, Dresden, Spreewald, Meiningen, Harz u. a.) wurden lediglich fünf mit insgesamt 111 Personen gebucht. Als Ursachen der Stornierungen sind offensichtlich mit die nicht genügende Programmgestaltung und Werbung in den Westberliner Zweigstellen sowie die sehr hohen Aufschläge der beteiligten Westberliner Reiseunternehmen (z. B. für Drei-Tagesfahrt nach Dresden 135,00 DM Aufschlag zum festgelegten Preis des Reisebüros der DDR) anzusehen.

Das Antrags- und Genehmigungsverfahren wird von den zuständigen Organen der DDR großzügig, flexibel und entgegenkommend gehandhabt. So wird durch eine schnelle Bearbeitung der Anträge in der Regel die festgelegte Bearbeitungszeit wesentlich unterboten. Es erfolgt keine Zurückweisung bei unvollständig ausgefüllten Anträgen. Auch die bei den Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten4 in Westberlin eingegangenen Anträge mit fehlerhaften oder unvollständigen Angaben werden bearbeitet, wobei im Zusammenhang mit der Ausgabe der Berechtigungsscheine die notwendigen Korrekturen vorgenommen werden. In Ausnahmefällen wurden Anträge für mehrere Tagesaufenthalte während eines Besuchszeitraum entgegengenommen.

Es werden Anträge für beide Besuchszeiträume entgegengenommen, obwohl für den zweiten Besuchszeitraum gesonderte Antragszeiten bestehen.

Den Wünschen, mit Pkw einzureisen, wird weitgehend Rechnung getragen, auch wenn das Reiseziel unterhalb der zulässigen Entfernung von 100 km liegt.

Die Grenzübergangsstelle zur Einreise wird weitestgehend dem Wunsch des Antragstellers entsprechend festgelegt.

Die Arbeit in den Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin verlief bisher reibungslos und ohne Störungen. Die Antragsteller, die Abholer von Berechtigungsscheinen und diejenigen Westberliner Bürger, die die Büros zwecks Korrektur von Berechtigungsscheinen aufsuchten, konnten ordnungsgemäß, kontinuierlich und in der Regel ohne Wartezeiten abgefertigt werden. In einigen Fällen wurden im Interesse der Bewältigung des Besucherverkehrs Verlängerungen der festgelegten Öffnungszeiten notwendig.

Wartezeiten, die in unbedeutendem Umfang zeitweilig in einzelnen Büros auftraten (zwischen 10 und 30 Minuten, längere Wartezeiten nur in Einzelfällen), entstanden besonders bei der Ausgabe der Berechtigungsscheine. Sie wurden im überwiegenden Maße durch Veränderungen oder Berichtigungen bzw. Neuausschreibungen von Berechtigungsseheinen verursacht, die aufgrund

  • persönlicher Wünsche der Antragsteller hinsichtlich der Genehmigung anderer Einreisetage bzw. der Pkw-Benutzung,

  • der Korrektur von Fehlern bzw. falschen Angaben der Westberliner Bürger bei der Antragstellung (unkorrekt oder falsch angegebene Daten),

  • der Berichtigung von Schreibfehlern bei der Ausstellung der Berechtigungsscheine,

  • der Wünsche Westberliner zur Änderung der ihnen von Verwandten in der DDR zugeschickten Berechtigungsscheine

notwendig wurden.

Viele Westberliner Bürger äußerten sich anerkennend über die schnelle und reibungslose Abfertigung. In den relativ wenigen Fällen der Ablehnung einer Besuchsgenehmigung wurde dies – bis auf wenige Ausnahmen – von den betreffenden Personen ohne Äußerung zur Kenntnis genommen.

In den Pass- und Meldestellen der Deutschen Volkspolizei war ebenfalls von Anfang an eine im Wesentlichen ordnungsgemäße und reibungslose Abfertigung gewährleistet. Viele Antragsteller waren von der Unkompliziertheit und Schnelligkeit des Abfertigungsverfahrens überrascht.

Lediglich in einigen Pass- und Meldestellen kam es mit der rasch anwachsenden Zahl von Antragstellungen und bei der Ausgabe von Berechtigungsscheinen zeitweilig zu Wartezeiten und einigen Beanstandungen, die durch die systematische Beseitigung ihrer Ursachen relativ schnell überwunden werden konnten.

  1. Zum nächsten Dokument Erwartete Einreisen Westberliner nach Berlin

    27. März 1972
    Information Nr. 290/72 über die im Zusammenhang mit der Geste des guten Willens zu erwartenden Einreisen Westberliner Bürger in die Hauptstadt der DDR und einige damit verbundene Probleme der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit

  2. Zum vorherigen Dokument Probleme bei Komplementären bei Beschlüssen der 4. ZK-Tagung

    24. März 1972
    Information Nr. 286/72 über bisher aufgetretene Probleme und Reaktionen unter den Komplementären, Besitzern von Privatbetrieben und Funktionären der befreundeten Parteien in Durchführung der Beschlüsse der 4. Tagung des ZK der SED