Stand des Polyurethanvorhabens im VEB Synthesewerk
4. Dezember 1972
Information Nr. 1095/72 über den Stand der Realisierung des Polyurethanvorhabens im VEB Synthesewerk Schwarzheide
Dem MfS wurde bekannt, dass der vorgesehene Termin der Inbetriebnahme des Gesamtkomplexes Polyurethan im Synthesewerk Schwarzheide (SWS) (lt. Grundsatzentscheidung des Ministeriums für Chemische Industrie vom 14.12.19711 im April 1973) gefährdet sei.
Nach dem bisherigen Realisierungsstand haben eine Reihe von Teilanlagen (Konfektionierung, Polyesteralkoholanlage) ihre Funktionsproben bestanden, während bei den für die Polyurethanherstellung wichtigen Anlagen (Steamreforming,2 MDI,3 Anelin,4 Formalin5 u. a. m.) Verzögerungen eingetreten sind.
Für die Verzögerungen sind nach vorliegenden Hinweisen die französische Lieferfirma ENSA6/Paris und der DDR-Generalauftragnehmer VEB Chemieanlagenbau- und Montagekombinat Leipzig (CMK) verantwortlich.
Die Firma ENSA hat in der Vergangenheit ständig Termine in der Bereitstellung von Dokumentationen und Ausrüstungsteilen überzogen bzw. durchlaufende Änderungen von Zeichnungen von Anlagenteilen Terminverzüge und Unsicherheiten in das Montagegeschehen hineingebracht.
Eine Havarie am Reaktor des Steamreformers (19.9.1972), von der Firma ENSA zu verantworten, hat zu einer Terminverzögerung von zehn Wochen geführt.
Die eingeschätzten Terminverschiebungen werden zugleich aber auch auf die Nichteinhaltung von Montageendterminen durch den Generalauftragnehmer CMK zurückgeführt.
Als Ursachen für die Terminverzüge beim Generalauftragnehmer CMK werden genannt:
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Abzug von Montagepersonal durch das Ministerium für Chemische Industrie,
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Abzug von Montagepersonal durch den Generalauftragnehmer.
Das vom Ministerium für Chemische Industrie und vom Generalauftragnehmer abgezogene Montagepersonal befindet sich auf anderen Baustellen der chemischen Industrie der DDR; die Einsatzkräfte der NVA wurden vor Beendigung der Arbeiten ebenfalls abgezogen.
Der Generalauftragnehmer hat nicht entsprechend der Bedeutung zielstrebig an der Fertigstellung der biologischen Abwasserreinigungsanlagen gearbeitet. Von der Fertigstellung hängt die Inbetriebnahme der PU-Anlage im SWS ab. (Die Fertigstellung dieses Systems ist im Winter bei Frosteinbruch sehr kompliziert.)
Auch die gegenwärtig ungelösten Fragen der Dampfversorgung beeinträchtigen den vorgesehenen Termin der Inbetriebnahme.
Der Komplex Polyurethane einschließlich der Abwasserreinigung erfordert eine Leistung an hochgespanntem Dampf von 340 t/h. Das veraltete Kraftwerk Schwarzheide (wird nur mit einer Ausnahmegenehmigung betrieben) liefert 245 t/h. Die Fehlmenge sollte durch sechs aus der VR Polen importierte ölgefeuerte Dampferzeuger ausgeglichen werden.
Der Anfang 1972 vorgenommene Probebetrieb bei diesen Dampferzeugern ergab konstruktive Mängel, sodass diese Aggregate wieder außer Betrieb gesetzt werden mussten.
Trotz vorgenommener Umbauten durch den polnischen Lieferanten, können diese Dampferzeuger noch immer nicht eingesetzt werden. (Gegenwärtig laufen Untersuchungen, dieses Problem durch den Import einer mobilen Dampferzeugerstation aus dem NSW zu überbrücken, bis die sechs polnischen Aggregate von DDR-Experten rekonstruiert worden sind.)
Die in der DDR bereits vorhandenen Rohstoffverbraucher von Polyurethan werden gegenwärtig mit im SWS, im P-Komplex konfektioniertem Rohstoff versorgt.
Tritt weiterhin eine Gefährdung der Termingestaltung für den Dauerbetrieb des PU-Komplexes im SWS ein, so wird es bis zum Zeitpunkt der Aufnahme des Dauerbetriebes notwendig sein, weiterhin Polyurethanrohstoffe aus dem NSW zu importieren, um größere negative Auswirkungen, insbesondere für die Konsumgüterindustrie der DDR, zu vermeiden. (Im sozialistischen Wirtschaftsgebiet sind diese Rohstoffe nicht in den benötigten Mengen zu beschaffen. Nach gegenwärtigen Berechnungen werden Importe in Höhe von 40 Mio. VM benötigt, die bisher nicht im Plan 1973 vorgesehen sind.)
Das SWS schlug dem Ministerium für Chemische Industrie zur Lösung vorstehend genannter Probleme vor, einer Unterteilung der Termine für die Aufnahme der Probebetriebe für Teilanlagen und des Dauerbetriebs zuzustimmen.
Diese Terminvorschläge sehen vor:
Teilkomplex 1 | komplexer Probebetrieb | Dauerbetrieb |
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(Steamreformer bis zum MDI reinst) | Februar 1973 | Juni 1973 |
Teilkomplex 2 (Steamreformer bis zum TDI) | Dezember 1972 | Juni 1973 |
Teilkomplex 3 (Polyesteralkohole) | Dezember 1972 | Apri1 1973 |
Von Spezialisten wird die Möglichkeit zur Einhaltung der genannten Termine für unreal eingeschätzt. Die Einhaltung der Termine würde bedeuten, dass der gesamte Probelauf im Winter unter Havariegefahr (Dampfversorgung) und unter Ausschaltung des Einflusses größerer Kältegrade (Freibauweise) und jeder sonstigen Defekte in den Anlagen abläuft und würde eine fehlerfreie Restmontage der Ausrüstung bis zum Start des Probelaufes zur Voraussetzung haben. (Unter anderem besonders die rechtzeitige Bereitstellung der fehlenden Dampfmenge, der vollständigen Fertigstellung der biologischen Abwasserreinigungsanlage, der Bereitstellung der erforderlichen Arbeitskräfte, insbesondere der erforderlichen Reparaturbrigaden.)
Als den gegebenen Bedingungen besser Rechnung tragend, schätzen einige Experten einen Vorschlag des Kollektivs SWS – Chemieanlagenbau- und Montagebaukombinat Leipzig vom 7.11.1972 ein, in dem im Wesentlichen eine Konzentration auf die Erreichung des Dauerbetriebes im Teilkomplex 1 (Steamreforming bis MDI reinst) vorgesehen ist. Damit will man besonders die Havariegefahr infolge nicht ausreichender Dampfzuführung an Frosttagen herabmindern.
Die Termingestaltung soll nach den neuen Vorstellungen für den Gesamtkomplex Dauerbetrieb Polyurethane wie folgt aussehen:
[Teilkomplex] | Probebetrieb | Dauerbetrieb |
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Teilkomplex 1 (MDI reinst) | 10.11.1972 | 10.5.1973 |
Teilkomplex 3 (Polyesteralkohole) | 31.1.1973 | 1.8.1973 |
Teilkomplex 2 (TDI) | 1.3.1973 | 1.9.1973 |
Im Interesse einer baldmöglichen Fertigstellung des PU-Komplexes müssten nach Auffassung von Spezialisten folgende Probleme konsequent realisiert werden.
Auf der Baustelle des PU-Komplexes ist mit Unterstützung des Ministeriums für Chemische Industrie die Leitungstätigkeit zu stabilisieren. Die Konzentration bei der Lösung der Aufgaben sollte bei folgenden Komplexen liegen:
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Gewährleistung der Dampferzeugung und -versorgung für den Probebetrieb in den Wintermonaten,
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Fertigstellung der biologischen Abwasserreinigung,
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Gewährleistung einer kontinuierlichen Bereitstellung der erforderlichen Arbeitskräfte und ihr konzentrierter Einsatz auf die schwerpunktmäßigen Vorhaben, die für den Probebetrieb unbedingt erforderlich sind.