Störung im Polyurethankomplexes im VEB Synthesewerk
5. Oktober 1972
Information Nr. 910/72 über eine Störung an der Steamreforminganlage des Polyurethankomplexes im VEB Synthesewerk Schwarzheide am 19. September 1972
Am 19.9.1972, gegen 14.15 Uhr, trat am Abhitzekessel E 101 – einem Bestandteil der Steamreforminganlage1 im Polyurethankomplex des Synthesewerkes Schwarzheide – Spaltgas mit einem Wasserstoffgehalt von ca. 75 % aus. Aufgrund der hohen Eigentemperatur konnte es sich in Verbindung mit atmosphärischem Sauerstoff sofort entzünden.
Durch die Havarie entstand kein Personenschaden.
Im Ergebnis der eingeleiteten Untersuchungen von Experten des Generalauftragnehmers ENSA/Paris,2 des Nachauftragnehmers und Unterlieferanten Babcock Atlantique Paris3 und des VEB Synthesewerk Schwarzheide wurde übereinstimmend festgestellt, dass das Spaltgas aus einem ca. 30 cm langen Riss oberhalb des Gaseintrittsstutzens aus dem Abhitzkessel ausgetreten war.
In der Kammer des Abhitzkessels kam es aufgrund des punktförmig wirkenden Gasdrucks, der mit 18 atü und 500° C Temperatur in den Abhitzkessel eintritt, zu einer örtlichen Überhitzung des Stahlblechmantels. Die örtliche Überhitzung führte zum Ausbeulen und nachfolgendem Aufreißen des Stahlblechmantels unmittelbar neben der Schweißnaht. Die örtliche Überhitzung wird auf konstruktive Mängel bei der Projektierung des Abhitzkessels (Fa. Babcock Atlantique Paris) zurückgeführt.
Nach vorliegenden Angaben des ENSA-Anfahrstabes wird Ende November/Anfang Dezember 1972 die Havarie am Abhitzkessel der Steamreforminganlage beseitigt und der alte Zustand wiederhergestellt sein.
In dieser Zeit werden andere Anlagenteile des Polyurethankomplexes im Synthesewerk Schwarzheide so weit vorgezogen, dass, nachdem die Reparatur am Abhitzkessel abgeschlossen wurde, die Steamreforminganlage in Verbindung mit allen anderen Anlagenteilen in kürzester Frist zum komplexen Probebetrieb überführt werden kann.
Der dafür vorgesehene Endtermin wird somit nicht gefährdet.
Über mögliche Regressforderungen wird erst in der Anfang Oktober 1972 stattfindenden periodischen Generalkonsultation mit ENSA/Paris entschieden, da in diesem Schadensfall zwar Zwischenfertigstellungstermine verschoben werden, aber der vorgesehene Endtermin nach wie vor gehalten werden soll.
Aufgrund der vertraglich geregelten Verpflichtungen des Generalauftragnehmers ENSA/Paris können keine Spezialisten des MfS in die Untersuchungen der Havarie eingeschaltet werden.
Das MfS prüft gegenwärtig, ob bei den erkannten Mängeln der Konstruktion des Abhitzkessels E 101 ein bewusstes Handeln vorliegt.