Treffen der »Evangelisch-Johannischen Kirche«
12. Juni 1972
Information Nr. 562/72 über das Zusammentreffen von Angehörigen der Religionsgemeinschaft »Evangelisch-Johannische Kirche, nach Offenbarung St. Johannes« (Weißenberger) in der Zeit vom 21. bis 24. Mai 1972
Dem MfS wurde intern bekannt, dass in der Zeit vom 21. bis 24.5.1972 mehrere Zusammentreffen von Mitgliedern der Religionsgemeinschaft »Evangelisch-Johannische Kirche, nach Offenbarung St. Johannes« (Weißenberger)1 in Blankensee, Kreis Luckenwalde, evangelisches Gemeindehaus, stattfanden.
An diesen Gesprächen sowie am Pfingstgottesdienst am 21.5.1972 nahmen auch mehrere dem MfS namentlich bekannte Personen (ebenfalls Mitglieder dieser Religionsrichtung) aus Westberlin teil, darunter das Oberhaupt der Religionsgemeinschaft Frieda Müller.2
(Die Religionsgemeinschaft – gegründet von dem Glaubensbruder Weißenberger3 – war während der Nazizeit verboten und wurde nach 1945 vom damaligen sowjetischen Kommandanten wieder offiziell zugelassen.)4
Der Pfingstgottesdienst am 21.5.1972 war von ca. 1 000 Teilnehmern aus den Gemeinden der Religionsgemeinschaft aus allen Gebieten der DDR und ca. 100 Westberlinern, die zum Teil mit Pkw angereist waren, besucht. Bei den Westberliner Bürgern, die im Rahmen der Besuchsregelung eingereist waren, handelte es sich um Privatreisende; organisierte Einreisen wurden nicht festgestellt.
Der Gottesdienst wurde vom Leiter der Religionsgemeinschaft in der DDR, Johannes Knitter,5 Berlin, durchgeführt. In seiner Predigt ging er besonders auf das Verhältnis Staat – Kirche ein und betonte, die Kirche in der DDR könne ungestört ihrer Tätigkeit nachgehen. Die Teilnehmer des Gottesdienstes wurden aufgerufen, an ihren Arbeitsplätzen das Beste zum Wohle der Gesellschaft zu leisten. Gleichzeitig wurden die Teilnehmer darauf orientiert, sich »enger um das Oberhaupt der Glaubensgemeinschaft, Frieda Müller, zusammenzuschließen«.
Am 23.5.1972 besuchten die Westberliner Amtsträger der Religionsgemeinschaft die Gemeinde Velten, Bezirk Potsdam und wurden dort vom Gemeindeleiter empfangen. In ihren Gesprächen spielten Glaubensfragen eine Rolle; politische Probleme wurden nicht erörtert.
In Gesprächen, die in der Gemeinde Blankensee zwischen Westberliner Amtsträgern und leitenden Angehörigen der Religionsgemeinschaft in den Tagen zwischen dem 21. und 24.5.1972 geführt wurden, kam es u. a. zu positiven und zustimmenden Stellungnahmen
- –
zur Geste des guten Willens der DDR,6
- –
zur 5. Tagung des ZK der SED7 (besonders zu den sozialpolitischen Maßnahmen und zur Förderung junger Ehen),
- –
zum Gesetz zur Schwangerschaftsunterbrechung.8
- –
es wurde die Zustimmung der Glaubensgemeinschaft in der DDR zum Wehrdienst geäußert und
- –
die amerikanische Aggression in Vietnam9 verurteilt.
Beide Seiten kamen überein, nach Inkrafttreten der Dauerregelung10 keine Gesamtberliner Gottesdienste zu organisieren. Die Müller zeigte sich jedoch interessiert, dass am »Kirchentag«, dem 27.8.1972 – er findet in Form eines Gottesdienstes jährlich aus Anlass des Geburtstages des Begründers der Religionsgemeinschaft in Blankensee statt – eine »größere Anzahl« von Gästen aus Westberlin und der BRD teilnehmen.
Vom MfS werden Maßnahmen eingeleitet mit dem Ziel, dass derartige Bestrebungen rechtzeitig durch die Amtsträger dieser Religionsgemeinschaft in der DDR mit dem Staatssekretariat für Kirchenfragen abgestimmt werden.
Diese Information ist nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.