Untersuchungen gegen zwei syrische Bürger
25. April 1972
Information Nr. 390/72 über die Untersuchungen gegen zwei durch die Organe des MfS inhaftierte Bürger der Syrischen Arabischen Republik
Am 6.2.1972 wurde der syrische Staatsbürger [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1945 in Damass1/Syrien, Tischler, eingereist auf Touristenvisum nach WB, zurzeit aufenthältlich in Westberlin 30,[Straße, Nr.], durch die Organe des MfS festgenommen und gegen ihn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 105 StGB2 – staatsfeindlicher Menschenhandel – eingeleitet. Der am 7.2.1972 durch das Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte erlassene Haftbefehl basiert auf gleicher Rechtsgrundlage.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass [Name 1] durch einen in Westberlin aufenthältlichen ägyptischen Staatsbürger [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944 in Palästina, den Auftrag erhielt, mehrere weibliche DDR-Bürgerinnen aus der DDR auszuschleusen. Die Ausschleusung sollte unter Verwendung gefälschter ausländischer Reisedokumente bzw. eines kontrollbefreiten Diplomatenfahrzeuges erfolgen. Entsprechend einer mit [Name 2] in diesem Zusammenhang getroffenen Vereinbarung gab sich [Name 1] gegenüber den zur Schleusung vorgesehenen Personen als Mittelsmann einer in Westberlin existierenden Schleusergruppe aus, versuchte unter Ausnutzung seiner deutschen Sprachkenntnisse ein enges Vertrauensverhältnis herzustellen und erläuterte im Auftrag des [Name 2] detailliert die vorgesehenen Schleusungsmethoden einschließlich der Finanzierungsmöglichkeit.
Die von [Name 1] entwickelten Aktivitäten erstreckten sich weiter auf die Beschaffung einer illegalen Unterkunft für eine zur Schleusung vorgesehenen Person, um sie dem Zugriff der Sicherheitsorgane zu entziehen.
Die vorgenannten Fakten sind durch Aussagen des [Name 1] sowie durch Zeugen und Sachbeweise dokumentiert.
Die Vertretung der Syrischen Arabischen Republik (SAR) ist über den Generalstaatsanwalt und das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten von der Inhaftierung des [Name 1] unverzüglich informiert worden. Weiterhin ist [Name 1] die Möglichkeit gegeben worden, der Vertretung der SAR zu schreiben und um eine Aussprache mit dem Konsul nachzusuchen.
Obwohl das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, wurde dem Konsul der SAR für den 20.4.1972 eine Sprecherlaubnis erteilt.
Ungeachtet der Tatsache, dass nicht nur der mit konsularischen Angelegenheiten betraute 2. Sekretär der Botschaft der SAR, sondern auch der 3. Sekretär und ein Kraftfahrer zum Sprechtermin erschienen, wurde für den 2. und 3. Sekretär das Gespräch, an dem vonseiten der DDR der aufsichtsführende Staatsanwalt und der zuständige Untersuchungsführer teilnahmen, gestattet.
Im Gespräch nahm [Name 1], außer zu persönlichen Problemen, auch zu seinen Straftaten Stellung und äußerte entgegen den vorhandenen strafprozessualen Beweisen, dass er sich zu Unrecht inhaftiert fühle. Es war offensichtlich, dass [Name 1] seine Äußerungen gegenüber den diplomatischen Vertretern zur Provokation gegen das Untersuchungsorgan benutzte, um von seinen strafbaren Handlungen abzulenken.
Die Darstellungen des [Name 1] über seine Behandlung während des Untersuchungshaftvollzuges entsprechen nicht den Tatsachen. [Name 1] ist korrekt behandelt worden. Es erfolgte eine entsprechende medizinische bzw. zahnmedizinische Behandlung einschließlich der Verabreichung einer Diätkost wegen Verdachts eines Magenleidens. Eine stationäre Behandlung wegen seines Hautleidens und des Verdachts einer Geschlechtskrankheit fand vom 18.3. bis 12.4.1972 statt, aus der [Name 1] geheilt entlassen wurde.
Die am Gespräch mit [Name 1] beteiligten diplomatischen Vertreter der Botschaft der SAR erklärten zu dessen Versuchen, seine Täterschaft abzuleugnen und die Untersuchungsorgane zu provozieren, dass sie diesen Angaben keinen Glauben schenken, sondern der Auffassung sind, dass die zuständigen Organe der DDR entsprechend den bestehenden Gesetzen das Verfahren korrekt führen.
Zu bemerken ist, dass der genannte ägyptische Staatsbürger [Name 2] seit der Festnahme [Name 1] nicht mehr das Gebiet der DDR betreten hat, obwohl er vorher häufig eingereist war.
Am 30.1.1972 wurde durch das Ministerium für Staatssicherheit gegen den Bürger der SAR [Name 3, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1935 in Lattakia, Student an der Technischen Universität in Westberlin, wohnhaft Westberlin 12, [Straße, Nr.], ein Ermittlungsverfahren wegen dringenden Verdacht der Spionage – § 97 StGB3 – eingeleitet und am 31.1.1972 Haftbefehl durch das Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte auf gleicher Rechtsgrundlage erlassen.
[Name 3] ist seit mehreren Jahren Agent des amerikanischen Geheimdienstes und führte in dessen Auftrag Spionage- und Kurieraufträge in der DDR und anderen sozialistischen Staaten durch. Des Weiteren verübte [Name 3] umfangreiche Zollvergehen, indem er mehrfach unter fortgesetzter Täuschung der Zollorgane ungesetzlich Waren und Zahlungsmittel in die DDR einführte.
Die vorgenannten Fakten sind durch eigene Aussagen des [Name 3], Zeugenvernehmungen sowie sichergestellte nachrichtendienstliche Hilfsmittel und Spionageaufzeichnungen bewiesen.
Wie auch im Falle des [Name 1] erfolgte eine unverzügliche Informierung der Botschaft der SAR durch die zuständigen staatlichen Organe der DDR.
Durch Vertreter der Botschaft der SAR fand auf deren Ersuchen am 21.4.1972 ein Gespräch mit dem [Name 3] statt, an dem der aufsichtsführende Staatsanwalt sowie der Untersuchungsführer teilnahmen.
Der Konsul der Botschaft der SAR machte während des Gespräches dem [Name 3] heftige Vorwürfe wegen der von ihm begangenen Spionageverbrechen und erklärte, dass er mit ihm nur über seine persönlichen Angelegenheiten zu sprechen beabsichtige.
Obwohl [Name 3] vom Konsul der Botschaft der SAR wiederholt darauf hingewiesen wurde, nur über persönliche Angelegenheiten zu sprechen, versuchte auch [Name 3] provokatorisch, die Vernehmungsführung und Verhaltensweise der Organe des MfS während der Untersuchung zu diskreditieren.
Erst auf weitere Vorhaltungen seitens des Staatsanwaltes bzw. des Konsuls, derartige Entstellungen zu unterlassen, entschuldigte sich [Name 3] und erklärte, dass diese Behauptungen von ihm erlogen worden seien.
Daraufhin wurde das Gespräch durch den syrischen Konsul abrupt beendet und gefordert, den [Name 3] unverzüglich in seine Zelle zurückzubringen, ohne sich von ihm vorher zu verabschieden.
Durch den Staatsanwalt wurde der syrische Konsul im Anschluss an dieses Gespräch nochmals davon in Kenntnis gesetzt – [Name 3] hatte behauptet, ihm sei die Bestellung eines Verteidigers nicht gestattet worden – dass bereits Anfang Februar 1972 der Rechtsanwalt Dr. Vogel4 von [Name 3] selbst mit der Verteidigung beauftragt worden sei. Deshalb sei von ihm auch eine angebotene Prozessvollmacht für Prof. Dr. Kaul5 abgelehnt worden.
Der syrische Konsul bedankte sich bei den Organen der DDR für die durchgeführte Informierung und das ermöglichte Gespräch und brachte wörtlich zum Ausdruck, dass organisierte Spionageverbrechen gegen die DDR u. a. sozialistische Staaten auch einen Anschlag auf die SAR bedeuten.