Verkehrsunfall am Bahnübergang Wartenberger Straße
7. September 1972
Information Nr. 840/72 über den Verkehrsunfall mit schwerem Personen- und mittlerem Sachschaden am Bahnübergang Wartenberger Straße in BerlinWeißensee am 5. September 1972
Am 5.9.1972, 19.56 Uhr, kam es auf der durch Schranken gesicherten Kreuzung der Wartenberger Chaussee/Berliner Außenring in Berlin-Weißensee zu einem Zusammenprall zwischen dem D-Zug 1018 (Binz – Berlin – Halle/Saale) und einem Doppelstockomnibus der BVG (Linie A 39, Wartenberg – Hohenschönhausen).
Der Zusammenprall erfolgte, weil die Schranke von der Schrankenwärterin [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1949 in Berlin, wohnhaft: Berlin-Buch, [Straße, Nr.] beschäftigt: Bahnhof Berlin-Blankenburg, vorzeitig geöffnet wurde.
Durch den Zusammenprall stürzte der mit ca. 25 Personen besetzte Bus um, wobei drei Fahrgäste schwer und zehn weitere leicht verletzt wurden.
Die Verletzten wurden in die Krankenhäuser Weißensee und Friedrichshain eingeliefert. Die zehn leichtverletzten Personen konnten nach ambulanter Behandlung wieder entlassen werden.
Bei den drei Schwerverletzten wurden schwere Prellungen an Kopf und Schulter, Bein- und Rippenfrakturen sowie Schädelfraktur festgestellt. Lebensgefahr besteht nicht.
Der materielle Schaden beträgt ca. 10 000 Mark.
Die zweigleisige Strecke des nördlichen Berliner Außenringes – Streckenabschnitt Karow/Springpfuhl – war bis 22.50 Uhr gesperrt, wodurch fünf D-Züge Verspätung erhielten.
Die bisherigen Untersuchungsergebnisse zur Unfallursache ergaben Folgendes:
Die Schrankenwärterin [Name 1] verrichtete am Schrankenposten 16 (Wartenbergstraße) am 5.9.1972 ab 17.40 Uhr ihren Dienst. Sie hatte vor Dienstbeginn ausreichend Ruhe und war voll diensttauglich.
Die Zugfahrt des D 1018 wurde ihr ordnungsgemäß vom Stellwerksmeister [Name 2]– Abzweig Karow Ost – gemeldet. Die Schrankenwärterin [Name 1] schloss daraufhin die Schranke, unterließ es jedoch, die Taste der Warnlichtanlage für die Schranke zu bedienen. Eine Kontrolle über die Durchfahrt des D-Zuges erfolgte ihrerseits nicht. Aufgrund der Signalgebung eines vor dem Überweg haltenden Kfz (die Signalgebung erfolgte in der Absicht, auf das Nichtfunktionieren der Warnlichtanlage aufmerksam zu machen) öffnete sie die Schranke in der Annahme, dass der D 1018 schon den Überweg passiert hat.
Nach bisherigen Untersuchungen befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls eine der [Name 1] angeblich unbekannte männliche Person in ihrem Dienstzimmer. Diese männliche Person ist ihren bisherigen Angaben zufolge kurze Zeit vorher am Schrankenposten erschienen, um von dort aus zu telefonieren. Obwohl sie darüber belehrt worden war, dass der Aufenthalt Unbefugter im Dienstraum nicht gestattet ist, ließ sie sich mit ihm in ein Gespräch ein und kochte für diese Person Kaffee.
(Zur Aufklärung dieser Zusammenhänge werden weitere Untersuchungen geführt.)
Die Schrankenwärterin [Name 1] ist seit dem 5.8.1972 beim Bahnhof Berlin-Blankenburg beschäftigt und für den Dienst als Schrankenwärterin ausgebildet. Seit dem 4.9.1972 verrichtete sie dort nach einer entsprechenden Prüfung durch den Dienstvorsteher ihren selbstständigen Dienst.
Vor ihrer Arbeitsaufnahme bei der Deutschen Reichsbahn war sie im VEB Fahrzeugventile Berlin als Montiererin beschäftigt. Sie ist 1972 wegen Diebstahls mit drei Monaten Freiheitsentzug (unbedingt) vorbestraft. Sie ist geschieden und hat zwei Kinder. Gesellschaftlich ist sie nicht organisiert.
Nach Aussagen des Lokpersonals des D 1018 [Name 3, Vorname] und [Name 4, Vorname] erkannten beide bei Annäherung an den Überweg die Gefahrensituation durch die geöffnete Schranke, gaben daraufhin Notsignal und leiteten die Schnellbremsung ein.
Der mit ca. 100 km/h fahrende D 1018 konnte trotz der Schnellbremsung nicht vor dem Überweg zum Halten gebracht werden.
Durch die Schnellbremsung wurden jedoch die Unfallfolgen wesentlich herabgemindert.
Gegen die [Name 1] wurde ein EV gemäß § 196 Abs. 1 und 2 StGB eingeleitet.1