Verlust eines Sackes mit begleiteter Kurierpost des MfAA
14. August 1972
Information Nr. 768/72 über den Verlust eines Sackes mit begleiteter Kurierpost des MfAA
Dem MfS wurde bekannt, dass den Kurieren des MfAA [Name 1] und [Name 2] während einer Kurierreise Berlin – Algier – Tunis – Prag – Berlin in der Zeit vom 30.7. bis 2.8.1972 ein Kuriersack des MfAA mit Post der Botschaft der DDR in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (DVRA) auf dem Wege zwischen den Flughäfen Tunis und Prag abhanden gekommen ist.
Die eingeleiteten Überprüfungen ergaben folgenden Sachverhalt:
Am 2.8.1972 übernahmen die Kuriere [Name 1] und [Name 2] in der Botschaft in Algier für den Rückflug nach Berlin
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zwei Stück Handpost und
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einen Sack begleiteter Kurierpost,
die ordnungsgemäß verschlossen und mit dem Dienstsiegel des MfAA versehen waren.
(Begleitete Kurierpost wird im Prinzip auf dem Flughafen wie gewöhnliches Handgepäck aufgegeben und mit dem gleichen von den Kurieren benutzten Flugzeug befördert. Damit gerät sie während der Flugreise aus der Kontrolle der Kuriere.
Als begleitete Kurierpost dürfen nur Schriftstücke und Materialien allgemeinen Charakters befördert werden. Geheime und vertrauliche Verschlusssachen und Materialien mit gleichgestelltem Geheimhaltungsgrad sind entsprechend der Ordnung über die Beförderung des diplomatischen Transportgutes der DDR/Punkt 3.1 zu kennzeichnen und als Handpost zu befördern.)
Die Kuriere gaben den Sack mit begleiteter Kurierpost wie üblich auf dem Flughafen Algier mit Bestimmungsort Tunis auf, wo sie weitere Post entgegenzunehmen hatten.
Von Tunis aus traten sie noch am gleichen Tage mit der Linienmaschine der tschechoslowakischen Fluggesellschaft ČSA den Rückflug an. Vorher hatten die beiden Kuriere den in Algier übernommenen Kuriersack auf dem Flughafen Tunis in Empfang genommen, mit einem neuen Gepäckanhänger versehen und zum Transport mit der gleichen Maschine nach Prag aufgegeben.
Beim Umsteigen in Prag in eine Maschine der Interflug zur Weiterreise nach Berlin stellten sie das Fehlen des begleiteten Kuriersackes fest.
Vom MfAA wurden nach Bekanntwerden des Verlustes umgehend über die diplomatischen Vertretungen der DDR in Tunis und Prag Nachforschungen über den Verbleib der fehlenden Kurierpost auf den betreffenden Flughäfen eingeleitet. Gleichzeitig wurde die Handelsvertretung der DDR in Paris verständigt, da aufgrund der internationalen Kurzbezeichnungen – Prag/Pr und Paris/Pa – eine Fehlleitung des Kuriersackes von Tunis aus erfolgt sein konnte.
Weiter wurde das MfAA der ČSSR um Unterstützung bei der Suche nach dem verloren gegangenen Kuriersack ersucht.
Die durchgeführten Überprüfungen blieben jedoch bisher erfolglos.
Die Einschätzung der Vertraulichkeit der in dem Kuriersack enthaltenen Materialien ergab, dass neben allgemeinem Schriftgut folgende Dokumente vertraulichen Charakters enthalten waren, die entsprechend der genannten Ordnung nur mittels Handpost hätten befördert werden dürfen:
- 1.
Detaillierter Arbeitsplan der Botschaft der DDR in der DVRA für das zweite Halbjahr 1972 (VD).
Dieser enthält Angaben über wichtige außenpolitische Vorhaben gegenüber der DVRA. Zum Teil enthält er Vorhaben, die in der Öffentlichkeit noch nicht erwähnt wurden (z. B. vorgesehener Besuch von Boumedienne1 und Kaïd Ahmed2 in der DDR).
Dadurch sind wesentliche Rückschlüsse auf den Stand der politischen und anderen Beziehungen möglich, deren vertrauliche Behandlung im Interesse der Stabilität der Beziehungen mit der DVRA liegt.
- 2.
Eine Stellungnahme zur Bildung des gemischten Wirtschaftsausschusses DDR – DVRA (GWA) mit Konzeption und Stand der Wirtschaftsbeziehungen sozialistischer Länder mit der DVRA (VD). Diese Stellungnahme beinhaltet Erfahrungen der RGW-Staaten in der Zusammenarbeit mit der DVRA, Probleme in den Beziehungen dieser Staaten mit der DVRA, Hinweise auf taktische und langfristige Überlegungen zur Gestaltung des Verhältnisses zur DVRA sowie Vorschläge für eine Direktive des GWA.
Als Anlage sind Texte langfristiger Handelsabkommen der RGW-Länder mit Warenlisten beigefügt.
Aus dem Inhalt sind wesentliche Rückschlüsse auf die voraussichtliche Konzeption der DDR möglich.
- 3.
Eine Information über ein Gespräch des Genossen Botschafter Kämpf3 mit dem Chef der Gendarmerie, Oberst Benderif4 (VD). Diese Information enthält Auffassungen Benderifs, so u. a. zum Abzug sowjetischer Militärspezialisten aus Ägypten.
- 4.
Den politischen Monatsbericht des Botschafters der DDR in Algier (VD).
Dieser Bericht enthält zusammenfassende und einschätzende Angaben über die Beziehungen DDR – DVRA.
- 5.
Einen Planrapport der handelspolitischen Abteilung der Botschaft mit statistischer Übersicht (VD).
- 6.
Den Monatsbericht des Funkers der Botschaft an den Staatlichen Funkbetriebsdienst (SFD).
In diesem Bericht wird eine allgemeine Einschätzung über die technische Sicherheit der Anlage gegeben, ohne auf die Funkanlage (Typ, Frequenzen usw.) selbst konkret einzugehen.
Über die Ursachen und die begünstigenden Umstände der Nichtbeförderung der vorgenannten vertraulichen Dokumente mit der Handpost werden gegenwärtig noch Untersuchungen geführt.
Im Ergebnis der Auswertung dieses Vorkommnisses wird es für notwendig erachtet, im MfAA entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um zukünftig eine größere Sicherheit bei der Beförderung der Kurierpost zu gewährleisten. Vom MfS wurden entsprechende Maßnahmen eingeleitet, um in geeigneter Form an der Überwindung der aufgetretenen Mängel und Unsicherheitsfaktoren und an der Erhöhung der Sicherheit in diesem Bereich mitzuwirken.