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Versuchte Ausschleusungen polnischer Bürger über die DDR

2. August 1972
Information Nr. 707/72 über versuchte Ausschleusungen polnischer Staatsbürger (Zigeuner) über das Territorium der DDR nach der BRD bzw. Westberlin

In der Zeit vom 13.7.1972 bis 21.7.1972 versuchten sechs in der BRD wohnhafte staatenlose Bürger (Zigeuner)1 sowie zwei in Schweden wohnhafte staatenlose Bürger (Zigeuner) insgesamt zehn in der VR Polen ansässige Zigeuner (drei Erwachsene und sieben Kinder bis zu 16 Jahren), die auf der Grundlage des visafreien Reiseverkehrs in die DDR eingereist waren, in die BRD bzw. nach Westberlin auszuschleusen.

Die Ausschleusungen sollten in zwei Fällen unter Missbrauch des Transitabkommens2 mittels versteckt in Kraftfahrzeugen nach der BRD und in zwei Fällen unter Missbrauch von Fremdenpässen – nach dem Ähnlichkeitsprinzip – nach Westberlin erfolgen.

Gegen die aus der BRD und Schweden eingereisten und an der versuchten Ausschleusung beteiligten staatenlosen Bürger wurden durch das MfS Ermittlungsverfahren mit Haft wegen ungesetzlichen Grenzübertritts gemäß § 213 StGB3 eingeleitet.

Die vom MfS geführten Untersuchungen erbrachten keine Hinweise auf organisierte Provokationen oder eine unmittelbare Mitwirkung westdeutscher oder Westberliner Dienststellen oder anderer feindlicher Zentralen.

Um dem Gegner im Zusammenhang mit der Verhaftung dieser Personen, die ausnahmslos Zigeuner sind, keine Ansatzpunkte für die Entfachung einer Hetzkampagne gegen die DDR zu bieten, wird vorgeschlagen, sie ohne gerichtliches Hauptverfahren in ihre Aufenthaltsländer auszuweisen sowie Einreise- und Transitsperre einzuleiten.

Durch entsprechende Maßnahmen konnte erreicht werden, dass der »Bürgermeister« des Westberliner Zigeunerlagers, [Vorname Name], gegenüber den Organen der DDR eine schriftliche Erklärung abgegeben hat, in der er sich von den Gesetzesverletzungen distanziert und zusichert, auf die ihm unterstehenden Zigeuner einzuwirken, sich an die Gesetze der DDR und das Transitabkommen zu halten.

Mit einer diesbezüglichen Aufforderung hat er sich auch an andere »Bürgermeister« der Zigeuner in der BRD, Frankreich und Schweden gewandt.

Die zuvor erfolgte Abstimmung mit den polnischen Rechtspflegeorganen hat ergeben, dass von polnischer Seite kein Interesse an einer Übernahme dieser in der BRD bzw. in Schweden wohnhaften Zigeuner besteht.

Die in der VR Polen ansässigen Zigeuner wurden bereits, bis auf vier Kinder, deren Rückführung nach Abschluss der Identitätsprüfung durch die polnischen Organe erfolgen soll, durch die Generalstaatsanwaltschaft der DDR entsprechend getroffener Vereinbarungen mit der VR Polen an die zuständigen polnischen Organe übergeben mit der Bitte, eine Wiedereinreise in die DDR zu unterbinden.

Es wird um Bestätigung der vorgeschlagenen Maßnahmen gegen die in der BRD und Schweden wohnhaften staatenlosen Bürger gebeten. Vom MfS wurden entsprechende Vorkehrungen für eine kurzfristige Realisierung dieser Maßnahmen getroffen.

  1. Zum nächsten Dokument Aktivitäten der Evangelischen Studentengemeinden

    2. August 1972
    Information Nr. 731/72 über die derzeitige Struktur und Aktivitäten der Evangelischen Studentengemeinden in der DDR (ESG)

  2. Zum vorherigen Dokument Vorkommnis zwischen Jugendlichen und sowjetischen Soldaten

    28. Juli 1972
    Information Nr. 715/72 über ein Vorkommnis zwischen jugendlichen DDR-Bürgern und Angehörigen der Sowjetarmee am 23. Juli 1972 in Königsbrück, Kreis Kamenz, Bezirk Dresden