Vorkommnis beim Export von Möhren in die Sowjetunion
13. November 1972
Information Nr. 1033/72 über ein Vorkommnis beim Export von Möhren in die Sowjetunion
Wie dem MfS am 5. November 1972 bekannt wurde, fanden im Rahmen der zusätzlichen Exporte von Möhren in die Sowjetunion Plastesäcke Verwendung, die vorher zum Transport von gebeiztem Getreide1 verwendet wurden.
Durch das MfS wurde daraufhin umgehend mit dem Generaldirektor des Außenhandelsunternehmens Fruchtimex, Genossen Schweitzer,2 Verbindung aufgenommen und um Klärung des Sachverhaltes sowie Übernahme von Garantien, dass derartige Waggons nicht die Grenze überschreiten, gebeten. Genosse Schweitzer sicherte die sofortige Einleitung von Maßnahmen zu.
Dem AHU Fruchtimex wurde die Auflage erteilt, sofortige Maßnahmen zur Aufklärung der Standorte der inzwischen festgestellten Waggons vorzunehmen und diese sicherzustellen und die zuständigen staatlichen Leiter zu informieren.
Beim Stellvertreter des Ministers für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, Genossen Lemke,3 wurde am 6. November 1972 eine Kommission zur Durchführung aller damit verbundenen Maßnahmen gebildet.
Die weiteren Untersuchungen führten zur Aufklärung folgenden Sachverhaltes:
Die Wirtschaftsvereinigung Obst und Gemüse Potsdam hatte einen Aufruf an die sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe gerichtet, gebrauchte Säcke für den Möhrenexport in die Sowjetunion an die Wirtschaftsvereinigung zu verkaufen. Dabei wurden in Beelitz 1 000 derartige Säcke von der kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion aufgekauft.
Der Betrieb Brück der Wirtschaftsvereinigung Potsdam hatte diese Säcke an die Landwirtschaftsbetriebe verteilt. In Brück wurden dann seit dem 30.10.1972 bis 5.11.1972 14 Waggons beladen, wobei derartige Plastesäcke Verwendung fanden.
Die meisten dieser Waggons befanden sich jedoch zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Sachverhaltes bereits auf dem Transport in die Sowjetunion und konnten mit Unterstützung der Vertreter von Fruchtimex in Moskau sowie durch Einschaltung von Intercontroll4 und [der] Reichsbahn erst in Brest gestoppt werden.
Nach dem MfS vorliegenden Einschätzungen hat keiner dieser Waggons den Bahnhof Brest in Richtung Sowjetunion verlassen. Zwischenzeitlich wurde veranlasst, alle Waggons zurückzuführen.
Besondere Beachtung bei der Einschätzung dieses Vorkommnisses muss die Tatsache finden, dass durch den Pflanzenschutzagronom der Kreispflanzenschutzstelle Beelitz die Vertreter der Wirtschaftsvereinigung Obst und Gemüse in Potsdam bereits seit dem 30.10.1972 auf ihre unverantwortliche Handlungsweise im Zusammenhang mit der Verwendung dieser Plastesäcke aufmerksam gemacht wurden. Diese ernsten Hinweise wurden jedoch nicht beachtet.
Wie dem MfS am 8. November 1972 weiter bekannt wurde, soll auf dem Bahnhof Brest durch einen Transport sowjetischer Truppen von diesen gesperrten Waggons die Entnahme solcher Möhren erfolgt sein, woraufhin Angehörige der Sowjetarmee ins Hospital eingewiesen worden sind.
(Nach neuesten Auskünften seien dabei jedoch keine ernsthaften Krankheitsfälle festgestellt worden.)
Am 9. November 1972 informierte der Generaldirektor von Fruchtimex, Genosse Schweitzer, unser Organ, dass Vertreter der Handelsvertretung der Sowjetunion in Berlin bei ihm waren und sich für den vorzüglichen Ablauf des zusätzlichen Exportes im Auftrage der Regierung der Sowjetunion bedankten.
Der Vertreter der Handelsvertretung der Sowjetunion, Genosse Majorow,5 erhielt durch Genossen Schweitzer Aufklärung über das Vorkommnis beim Möhrenexport und drückte seine Zufriedenheit darüber aus, dass alle Waggons sichergestellt werden konnten.
Die endgültige Klärung dieses Vorkommnisses, insbesondere die Feststellung der dafür Verantwortlichen sowie der weiteren Ursachen und begünstigenden Bedingungen, wird in Zusammenarbeit mit der Bezirksstaatsanwaltschaft Potsdam fortgesetzt.