Vorkommnis mit Angehörigen der Sowjetarmee, Kreis Seelow
12. September 1972
Information Nr. 861/72 über ein Vorkommnis mit Angehörigen der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und einem Bürger der BRD am 9. September 1972 in Lebus, Kreis Seelow, Bezirk Frankfurt/Oder
Am 9.9.1972, gegen 18.00 Uhr, kam es in der HO-Gaststätte »Anglerheim« in Lebus, Kreis Seelow, Bezirk Frankfurt/Oder, zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen drei Angehörigen der GSSD und dem Bürger der BRD [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1945, wohnhaft: Westberlin-Schöneberg, [Straße, Nr.], Student an der Hochschule für bildende Künste in Westberlin, in deren Folge [Name 1] mittlere Verletzungen (Rippenfraktur, Prellungen im Gesicht, Hämatome) erlitt.
Die Untersuchungen des MfS haben ergeben:
Der Bürger der BRD [Name 1], der für die Zeit vom 8. bis 10.9.1972 eine Aufenthaltsgenehmigung zum Besuch seiner Verwandten in Lebus und Frankfurt/Oder hatte, suchte am 9.9.1972 gemeinsam mit seiner Cousine, der DDR-Bürgerin [Name 2, Vorname] (14 Jahre), in Lebus die HO-Gaststätte »Anglerheim« auf.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auch vier mit Trainingsanzügen bekleidete Angehörige der GSSD in der Gaststätte, die bereits unter erheblichem Alkoholeinfluss standen. Einer der Angehörigen der GSSD setzte sich zu [Name 1] an den Tisch und begann mit diesem ein Gespräch, das teilweise von der Cousine des [Name 1] übersetzt werden konnte. Im Verlaufe dieses Gespräches soll [Name 1] u. a. gefragt worden sein, ob er Kommunist oder Faschist sei, worauf dieser entgegnet habe, dass er Sozialdemokrat wäre. In der Folgezeit forderte der Angehörige der GSSD den [Name 1] auf, für ihn Alkohol zu bestellen. Dieser Aufforderung kam [Name 1] nach und bestellte einen doppelten Wodka. Als [Name 1] anschließend die Toilette aufsuchen wollte, versuchte der Angehörige der GSSD ihn an der Jacke festzuhalten, worauf ihm [Name 1] auf die Hand schlug.
Die drei anderen in der Gaststätte aufhältlichen Angehörigen der GSSD folgten dem [Name 1], wobei es zu den tätlichen Auseinandersetzungen kam, in deren Folge er Verletzungen davontrug.
Die vom Gaststättenleiter verständigte Deutsche Volkspolizei übergab die vier Angehörigen der GSSD an die sowjetische Stadtkommandantur Frankfurt/Oder.
[Name 1] erhielt von der sowjetischen Stadtkommandantur Frankfurt/Oder eine Schadenersatzleistung in Höhe von 350,00 Mark und bestätigte unterschriftlich, dass er keine weiteren Schadenersatzforderungen stellen wird.
Gegenüber Angehörigen der Sicherheitsorgane der DDR äußerte [Name 1], dass ihm diese Angelegenheit sehr peinlich sei, er jedoch nicht nachtragend wäre und selbstverständlich auch wieder in die DDR reisen wird.
Er brachte weiter zum Ausdruck, dass in seinem Fall in Westberlin keine Versicherung wirksam wird und er die aufgrund der erlittenen Verletzungen entstehenden ärztlichen Behandlungskosten selbst tragen müsse.
Es wurden Maßnahmen getroffen, um eine ambulante ärztliche Behandlung des [Name 1] in der Hauptstadt der DDR zu ermöglichen.
[Name 1] ist am 10.9.1972 nach Westberlin ausgereist.