Wallfahrt der Katholischen Studentengemeinde
4. Mai 1972
Information Nr. 409/72 über die beabsichtigte Wallfahrt der Katholischen Studentengemeinde in der DDR zu Pfingsten 1972 nach Rosenthal
Dem MfS wurde bekannt, dass in der Zeit vom 20. bis 22.5.1972 in Rosenthal, Kreis Kamenz, eine Wallfahrt der Katholischen Studentengemeinde (KSG) der DDR stattfinden soll.
Die Wallfahrt soll unter dem Gesamtthema: »Mittler einer fröhlichen Botschaft, dass der Mensch nicht das Opfer des Menschen werde« stehen.
Aus den in der DDR zurzeit existierenden 30 Katholischen Studentengemeinden wollen sich an der Wallfahrt jeweils zwischen fünf und 15 Studenten beteiligen. Insgesamt wird mit ca. 350 bis 400 Teilnehmern gerechnet.
Es liegen keine Hinweise vor, dass Studentengruppen aus Westberlin oder der BRD die Absicht haben, an der Wallfahrt teilzunehmen.
In Vorbereitung dieser Pfingstwallfahrt wurde vom Regionalkreis der KSG in der DDR ein Material erarbeitet »Zur Idee der diesjährigen Wallfahrt«, das den Studentengemeinden als Gesprächsgrundlage zugeschickt wurde.
In diesem Material wird u. a. unterbreitet, wie sich der Christ im gesellschaftlichen Bereich verhalten soll.
Zum »falschen Verhalten« heißt es:
»… Immer aber ist die Gefahr vorhanden, dass wir, anstatt zu bewältigen, bewältigt werden … Für die kirchliche Öffentlichkeit ist ein kritisches, entlarvendes Bewusstsein notwendig. Unter dem Schutz von Diskretion und Geheimhaltung werden Probleme nur umso wirksamer. Wer selbst gern die Augen verschließt und sich vor ›schlechten Nachrichten‹ die Ohren zuhält, der sollte doch wenigstens so viel Einsicht haben, jene nicht zu beschuldigen, die das Schlechte melden. Besonders gefährlich ist es, wenn schlechte Meldungen nicht nur durch gezielte Informationspolitik unterschlagen, sondern dazu noch durch einen Zweckoptimismus überspielt werden. Verschweigen, Verdrängen und Überspielen unserer schlechten Nachrichten ist nicht ihre Bewältigung, sondern eine schlechte Nachricht mehr …«
Zum »richtigen Verhalten«, d. h. zum »Versuch einer Bewältigung«, wird gesagt:
»… Evangelium, das ist die prophetische Ankündigung baldiger Befreiung, hineingesagt in eine Situation, in der Gottes Volk versklavt und verkauft ist, machtlos preisgegeben … Eine wesentliche Stoßrichtung des Evangeliums ist die Befreiung des Menschen. Der Mensch soll nicht mehr Opfer des Menschen sein … Dieser Leitsatz ist zugleich ein Maßstab gegenwärtiger Kirchenpolitik … Mittler einer frohen Botschaft, – das könnten gerade jene sein, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, die, statt zu verbittern und zu resignieren, aus dem Feueropfer der Bedrängnis und des Leids freudig herauskommen …«
Eine »Konzeption zur Verdrängung der gesellschaftspolitischen Arbeit der Kirche« entwickelte die KSG bereits 1970 zu ihrer Pfingstwallfahrt in Rosenthal. Diese Konzeption hatte das Ziel, an der »Humanisierung der Umwelt mitzuarbeiten« und dadurch »einen Wandel in der Politik« herbeizuführen.
Es wurde festgestellt, dass die Kirche heute dort anwesend sein müsse, »wo die Dinge der Welt entschieden werden, um negative Entwicklungen verhindern und positive Bestrebungen vorantreiben zu können«.
Das zur Pfingstwallfahrt 1972 herausgegebene Material bedeutet faktisch die Weiterführung der Konzeption von 1970.
Im Einzelnen ist für Pfingsten 1972 Folgendes vorgesehen:
20.5.1972 Anreise bis 18.00 Uhr in die Quartierorte. 20.00 Uhr Abendgebet unter dem Thema: »Mensch werden, heißt Abschied nehmen«.
Die Vorlage für die Gestaltung des Abendgebets erarbeitet die KSG Karl-Marx-Stadt.1
21.5.1972 Treffen auf den Dorfplätzen der Quartierorte und gemeinsamer Weg zur Wallfahrtskirche in Rosenthal.
Die Vorlage für die »Besinnung auf dem Meditationsweg zum Wallfahrtsort« gestaltet die KSG Berlin unter dem Thema: »Mensch sein heißt unterwegs sein, heißt gemeinsam unterwegs sein«.
Um 11.00 Uhr Begrüßung in der Wallfahrtskirche in Rosenthal und Einführung in die anschließenden Gruppengespräche durch den Vorsitzenden der Katholischen Studentenpfarrerkonferenz in der DDR, Pfarrer Dr. Michael Ulrich,2 Dresden, zum Thema: »Was uns erdrückt und wie es uns zur Freiheit wird.«
Die Gespräche sind in kleinen Gruppen vorgesehen.
15.00 Uhr gemeinsamer Abschluss der Gruppengespräche.
16.30 Uhr Pfingstmesse unter den Grundgedanken »Geist der Freude«. Die Gestaltung bereitet die KSG Jena vor.
22.5.1972 10.00 Uhr Morgengebet in der Wallfahrtskirche in Rosenthal und Einführung in die Gruppengespräche. Das Morgengebet gestaltet die KSG Leipzig unter dem Thema: »Einverständnis (zum Wirken Gottes)«.
Die Gespräche sollen in sechs Gruppen über das Wallfahrtsthema der KSG unter verschiedenen Gesichtspunkten geführt werden.
- 1.
»Leistungsdruck«, verantwortlich: KSG Leipzig
- 2.
»Amtskirche«, verantwortlich: KSG Halle
- 3.
»Frustration«, verantwortlich: KSG Berlin
- 4.
»Der Absolvent in der Gemeinde«, verantwortlich: KSG Jena
- 5.
»Wie komme ich mit dem andersdenkenden Partner zurecht?«, verantwortlich: KSG Dresden
- 6.
»Meditation«, KSG Dresden vorgesehen
12.00 Uhr Messe unter dem Grundgedanken »Die Folge des Fleisches Pflicht«. Die Vorbereitung erfolgt durch die KSG Halle.
14.00 Uhr fröhlicher Ausklang, gestaltet durch Beiträge einzelner Gemeinden und Schlusswort
15.00 Uhr Abreise.