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Zugauffahrt am U-Bahnhof Luxemburgplatz

27. November 1972
Information Nr. 1073/72 über eine Zugauffahrt auf der U-Bahn-Linie A im Bereich des U-Bahnhofes Luxemburgplatz am 18. Oktober 1972

Am 18.10.1972 gegen 2.05 Uhr kam es im Bereich des U-Bahnhofes Luxemburgplatz1 zu einer Auffahrt von zwei U-Bahnzügen (6-Wagen-Züge). Durch die Zugauffahrt entstand ein Sachschaden von etwa 150 000 Mark.

Die Zugauffahrt wurde durch den [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1934, wohnhaft: 102 Berlin, [Straße, Nr.], Maschinenschlosser/Oberhandwerker im VEB Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe, parteilos, verheiratet, drei Kinder, vorbestraft wegen Hetze und Diebstahl infolge Nichtbeachtung der Fahrdienstvorschriften fahrlässig verursacht.

[Name 1] stand zum Zeitpunkt der Zugauffahrt außerdem unter Alkoholeinfluss (0,5 bis 1,0 Promille nach Alkoholtest).

Die im Zusammenhang mit diesem Vorkommnis geführten weiteren Untersuchungen ergaben:

[Name 1] arbeitet in der Betriebswerkstatt der BVB Luxemburgplatz. Am 17.10.1972 trat er den Dienst nicht wie vorgesehen um 22.00 Uhr, sondern erst gegen 22.50 Uhr an, was von ihm mit dem »Verpassen der Zeit« begründet wurde.

Gegen 2.00 Uhr erhielten [Name 1] und der Rangiertriebwagenführer [Name 2] durch den verantwortlichen Schichtführer [Name 3] den mündlichen Auftrag, einen 6-Wagen-Zug von der Betriebswerkstatt auf das derzeitige Abstellgleis 2 des U-Bahnhofes Luxemburgplatz zu fahren.

Durch [Name 3] wurde es dabei unterlassen, entsprechend den Vorschriften eine konkrete Aufteilung der Funktionen für die Rangierfahrt zwischen [Name 1] und [Name 2] vorzunehmen. Dadurch war es dem [Name 1], der ebenfalls im Besitz einer Rangiererlaubnis ist, möglich, den 6-Wagen-Zug selbstständig zu übernehmen und zu fahren.

Der diensthabende Stellwerker [Name 4] hatte dem Schichtführer [Name 3] zu diesem Zeitpunkt die Genehmigung erteilt, den U-Bahnzug vom Reparaturgleis 3 auf das Betriebsgleis 2 des Bahnhofes Luxemburgplatz zu fahren.

Auf dem U-Bahnhof erfolgte ein kurzer Halt, der dazu diente, einen Trennschalter für das zeitweilige Abstellgleis einzulegen und diesen Teilabschnitt unter elektrische Spannung zu setzen.

Die Signalgebung für den Gleisabschnitt zeigte dem Triebwagenpersonal, [Name 1] und [Name 2], an, dass nur ein »Fahren auf Sicht« (10 km/h) zulässig ist. Ohne jeden ersichtlichen Grund legte [Name 1] jedoch die Fahrstufe V (25 km/h) ein. Erst in 20 bis 25 m Entfernung will [Name 1] einen seit mehreren Tagen abgestellten und ordnungsgemäß beleuchteten 6-Wagen-Zug bemerkt haben. Trotz einer sofort durchgeführten Schnellbremsung konnte die Auffahrt nicht verhindert werden. Der abgestellte U-Bahnzug stand in einer Rechtskurve ca. 150 m hinter dem U-Bahnhof Luxemburgplatz.

Die Untersuchungen ergaben, dass sich die Bremsen des von [Name 1] gefahrenen Zuges in einem einwandfreien Zustand befanden. Begünstigend auf die Zugauffahrt wirkte sich aus, dass der Zugbegleiter [Name 2] nicht den vorgesehenen Zugbegleiterplatz einnahm, sondern sich hinter den Triebwagenführer [Name 1] gestellt hatte. Er war somit nicht in der Lage, die Strecke und das Verhalten des Triebwagenführers zu beobachten.

Im Zusammenhang mit dem gegen 3.30 Uhr durch Angehörige der BVB vorgenommenen Alkoholtest bei [Name 1] wurde trotz des Anzeigens einer alkoholischen Beeinflussung keine Blutentnahme zur Bestimmung des Blutalkohols veranlasst. [Name 1] wurde aufgrund dieser Feststellung von den Angehörigen der BVB sogar nach Hause entlassen, sodass eine genaue Bestimmung der alkoholischen Beeinflussung nachträglich nur aufgrund des sichergestellten Atemalkoholprüfröhrchens möglich war.

In den Vernehmungen gibt [Name 1] an, am 17.10.1972 in der Zeit von 15.00 bis 16.30 Uhr nur etwa vier bis fünf Glas Bier getrunken zu haben. (Diese Angaben stehen im Widerspruch zu den gutachterlichen Feststellungen.)

Die Überprüfungen zum Persönlichkeitsbild des [Name 1] ergaben, dass er von 1950 bis 1953 bei der BVG in einer Werkstatt, die sich auf Westberliner Territorium befand, den Beruf eines Maschinenschlossers erlernte. Bis 1962 arbeitete er in verschiedenen Westberliner Betrieben und in Betrieben der Hauptstadt der DDR. In der Zeit seiner Zugehörigkeit zu den BVB (1962) erwarb er sich auch die Qualifikation als Triebwagenführer für Rangier- und Leerfahrten. In der Vergangenheit zeigte er eine gute Arbeitsmoral und ausgeglichene Arbeitsleistungen. [Name 1] ist Mitglied einer sozialistischen Brigade.

Sein Familienleben und seine Eheverhältnisse sind aufgrund des häufigen Alkoholgenusses gestört.

[Name 1] wurde 1960 wegen Diebstahl bedingt und 1962 wegen Hetze verurteilt.

Gegen ihn wurde ein EV mit Haft gemäß § 1962 – Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalls – eingeleitet.

  1. Zum nächsten Dokument Bahnbetriebsunfall auf dem Bahnhof Schweinsburg-Culten

    27. November 1972
    Information Nr. 1076/72 über den schweren Bahnbetriebsunfall auf dem Bahnhof Schweinsburg-Culten, [Kreis] Werdau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt am 30. Oktober 1972

  2. Zum vorherigen Dokument Konferenz katholischer Studentenpfarrer aus der DDR und BRD

    27. November 1972
    Information Nr. 1056/72 über die Konferenz katholischer Studentenpfarrer aus der DDR und der BRD vom 3. bis 6. Oktober 1972 in Berlin